Hamburg. Viele gesetzliche Kassen heben Zusatzbeitrag an. Versicherte dürfen anderen Anbieter wählen. Was Verbraucherschützer raten.

Viele Hamburgerinnen und Hamburger werden es spätestens am Monatsende mit der Gehaltsüberweisung spüren. Es bleibt weniger vom Netto, weil die Krankenkassenbeiträge steigen. Denn Kassen wie die AOK Rheinland/Hamburg oder die Barmer haben ihre Zusatzbeiträge deutlich erhöht. Allein durch die Erhöhungen dieser beiden Kassen sind mehr als eine halbe Million Hamburger betroffen. Doch wer nun die Krankenkasse wechselt, kann bis zu 408 Euro im Jahr sparen.

Nur über den Zusatzbeitrag, der 2015 eingeführt wurde, unterscheiden sich die Kassen, denn der eigentliche Krankenkassenbeitrag liegt einheitlich bei 14,6 Prozent vom Bruttogehalt. Krankenkassenbeitrag und Zusatzbeitrag teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte.

Beim Wechsel können Hamburger sparen: Jede zweite Krankenkasse hat Zusatzbeitrag erhöht

Fast jede zweite Krankenkasse hat ihren Zusatzbeitrag für 2024 erhöht. Insgesamt sind es 45 der bundesweit 95 gesetzlichen Krankenkassen. Das geht aus einer Erhebung des Vergleichsportals Check24 hervor. So steigt der Zusatzbeitrag bei der Barmer um 0,69 Prozentpunkte auf 2,19 Prozent. Die AOK Rheinland/Hamburg erhöht um 0,40 Prozentpunkte auf 2,20 Prozent, nachdem der Zusatzbeitrag bereits im vergangenen Jahr um 0,20 Prozentpunkte angehoben wurde. Bei der Securvita steigt der Zusatzbeitrag von 1,60 auf 2,20 Prozent und bei der bundesweit geöffneten Bahn-BKK von 1,70 auf 2,20 Prozent. Bei neun Krankenkassen liegt der neue Zusatzbeitrag nun bei zwei Prozent oder darüber.

Nur vier Kassen haben ihren Beitrag gesenkt. Dazu gehört auch die Audi-BKK, die den Zusatzbeitrag von 1,25 Prozent auf ein Prozent absenkte. Die bundesweit geöffnete Betriebskrankenkasse mit einem Beitragssatz von nun insgesamt 15,60 Prozent gehört neben der BKK Firmus (15,50 Prozent) und der hkk (15,58 Prozent) zu den günstigsten Anbietern in Hamburg. Wer eine der größten Krankenkassen bevorzugt, für den ist unter Beitragsaspekten die Techniker Krankenkasse (15,80 Prozent) erste Wahl. Sie hält den Zusatzbeitrag seit 2021 stabil. Auch die DAK belässt den Zusatzbeitrag bei 1,70 Prozent, insgesamt verlangt sie 16,30 Prozent vom Bruttogehalt als Beitrag.

Krankenkassen leiden unter steigenden Kosten in Krankenhäusern

Die Barmer verweist auf „massive Kostensteigerungen, die wir nicht beeinflussen können, insbesondere im Krankenhausbereich“, wie ein Sprecher der Krankenkasse sagt. „Aufgrund der speziellen Demografie unserer Versicherten sind wir von den Fall- und Kostensteigerungen besonders betroffen. Eine tiefgreifende Krankenhausreform ist erforderlicher denn je, um die Versorgung besser und wirtschaftlicher zu machen.“ Auch die AOK Rheinland/Hamburg verweist auf gestiegene Kosten. Sie hat nach eigenen Angaben viele Mitglieder, die krankheitsanfälliger sind.

Zwar fließen die Beiträge der Versicherten nicht direkt zu den Krankenkassen, sondern in einen Gesundheitsfonds. „Um die finanziellen Risiken der unterschiedlichen Versichertenstrukturen auszugleichen, erhalten die Krankenkassen Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds, die sich nach Alter, Geschlecht und Erkrankungen ihrer Versicherten richten“, sagt Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. „Der Risikostrukturausgleich funktioniert aber bei Weitem nicht so zielgenau wie er sollte.“

Ausgleich für Pflegebedürftige reicht nicht aus

Beispiel: So erhalten die Krankenkassen Gelder, die sich am Anteil der Pflegebedürftigen in der jeweiligen Region orientieren – unabhängig davon, wie viele Pflegebedürftige sie tatsächlich versichern. „In Hamburg sind das etwa fünf Prozent, der Anteil bei unseren Versicherten liegt jedoch bei knapp acht Prozent“, sagt Mohrmann. Und Pflegebedürftigkeit ziehe mehr Aufwendungen für Arztbesuche, mehr Krankenhausaufenthalte, mehr Transportkosten nach sich.

„Unsere Forderung an die Politik ist daher, die Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs zu überprüfen und durch die Aufnahme von versichertenbezogenen sozioökonomischen Faktoren so zu gestalten, dass strukturelle Nachteile vermieden werden“, so der Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg.

Kassenwechsel ist einfach: Niemand darf abgewiesen werden

Auch bei den Bürgergeldempfängern deckt der von Jobcentern gezahlte Beitrag von 120 Euro monatlich nicht die tatsächlichen Kosten ab. „Die für die Versorgung anfallenden Kosten liegen aber höher, da sozioökonomisch schlechter gestellte Menschen häufiger an chronischen Krankheiten leiden und ihre Versorgung teurer ist. Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass die gezahlten Beiträge auskömmlich sind“, sagt Mohrmann.

Doch vielen Versicherten dürfte ein niedriger Beitrag wichtiger sein als die schwierige finanzielle Lage ihrer Krankenkasse. Und ein Wechsel zu einem günstigeren Anbieter ist durchaus möglich und recht unkompliziert.

Wechsel zu günstigerem Anbieter ist binnen drei Monaten möglich

„Wenn die Krankenkasse die Beiträge erhöht, hat man ein Sonderkündigungsrecht, dass bis zum Ablauf des Monats, ab dem der neue Zusatzbeitrag erhoben wird, ausgeübt werden kann“, sagt Jochen Sunken von der Verbraucherzentrale Hamburg. Er macht das an einem Beispiel deutlich. „Erhebt die Krankenkasse ab dem 1. Januar 2024 einen höheren Zusatzbeitrag, kann man bis zum 31. Januar 2024 kündigen. Dann ist man ab 1. April 2024 bei der neuen Krankenkasse versichert.“ Für drei Monate muss der erhöhte Beitrag also doch gezahlt werden.

Wie hoch die Ersparnis ist, hängt vom Verdienst des Versicherten und der Kasse ab, von der man wechselt. Das Abendblatt hat das mithilfe von Check24 ermittelt. Wer als Gutverdiener (62.100 Euro brutto im Jahr) von der AOK Rheinland/Hamburg zur günstigsten Kasse in Hamburg, der BKK Firmus wechselt, spart 408 Euro im Jahr. Bei einem Wechsel zur Techniker Krankenkasse (TK) sind es 312 Euro.

Krankenkassenwechsel: Ersparnis hängt vom Einkommen ab

Auch mit einem deutlich geringeren Einkommen (33.600 Euro brutto im Jahr) bringt ein Wechsel von der AOK zur zweitgünstigsten Kasse, der hkk, noch eine Jahresersparnis von 216 Euro. Bei der TK sind es 168 Euro. Allerdings: Firmus hat keine Geschäftsstelle in Hamburg, die hkk nur eine.

Auch gesetzlich Versicherte in Schleswig-Holstein und Niedersachsen können von den sehr günstigen Kassen BKK Firmus und hkk profitieren. Doch fällt für einen Spitzenverdiener aus Schleswig-Holstein die Ersparnis von 307 Euro nicht so hoch aus, wenn er von der AOK Nordwest zur BKK Firmus wechselt. Die AOK Nordwest hält ihren Beitragssatz bei 16,49 Prozent stabil. Die AOK Niedersachsen hat einen Beitragssatz von 16,10 Prozent.

Krankenkassenwechsel ist jederzeit möglich

Wer den Wechsel im Monat der Beitragerhöhung verpasst, muss deshalb nicht untätig bleiben. „Er kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt zum Ende des übernächsten Monats seine Krankenkasse wechseln, sofern er schon mindestens zwölf Monate Mitglied ist“, sagt Verbraucherschützer Sunken. Wird also im Februar gekündigt, ist man ab Mai Mitglied einer neuen Kasse. Keine Kasse darf Versicherte abweisen.

95 Prozent der Leistungen der Krankenkasse sind identisch

„Für einen Wechsel muss man nur eine neue Krankenkasse auswählen und dieser beitreten. Die neue Kasse informiert sodann Ihre alte Kasse über den Wechsel“, sagt Sunken. Letztere muss innerhalb von zwei Wochen das Ende der Mitgliedschaft bestätigen.

Mehr Wirtschaftsthemen

Etwa 95 Prozent der Leistungen der Krankenkasse sind gleich, Unterschiede gibt es lediglich bei den Satzungsleistungen. „Da geht es beispielsweise um erweiterte Krebsvorsorge, professionelle Zahnreinigung, Impfungen oder Osteopathie – also Leistungen, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Umfang hinausgehen“, sagt der Verbraucherschützer.

Sparen beim Wechsel: Günstigster Anbieter BKK Firmus wird sehr gut bewertet

Die BKK Firmus schneidet laut Vergleichsportal Check24 bei drei von vier untersuchten Zusatzleistungen mit „sehr gut“ ab. Für professionelle Zahnreinigung gibt es bis zu 80 Euro im Jahr. Es werden elf der gängigsten Reiseimpfungen übernommen. Bei der erweiterten Krebsvorsorge werden auch Darmspiegelungen für Frauen unter 55 Jahren und für Männer unter 50 Jahren bezahlt. Nur bei der Osteopathie, also Diagnostik und Behandlung mit den Händen, sind die Leistungen nur „befriedigend“. Bis zu 150 Euro im Jahr werden erstattet. Damit ist die BKK Firmus aus Bremen nicht nur die günstigste Kasse, sondern schneidet auch bei den Zusatzleistungen besser ab als hkk und TK.

Für Verbraucherschützer Sunken gibt es aber noch andere wichtige Aspekte bei der Wahl einer Krankenkasse: „Der wichtigste Punkt ist, wie geht eine Krankenkasse mit ihren Versicherten um, wenn diese Leistungen brauchen? Ist sie gut erreichbar oder hängt man lange in Warteschleifen? Sind Leistungsentscheidungen transparent und nachvollziehbar?“ Das ist nach seiner Einschätzung jedoch nur schwer vorauszusehen. Sein Rat: „Wenn man bei diesen Punkten schon gute Erfahrungen mit seiner Krankenkasse gemacht hat, sollte man überdenken, ob ein Wechsel wegen einer überschaubaren Beitragserhöhung wirklich sinnvoll ist.“