Hamburg. Die Hamburger Biotechnologie-Firma verweist auf „persönliche Gründe“ von Werner Lanthaler. Seine eigene Erklärung gibt Rätsel auf.

Dass eine Personalie den Aktienkurs eines Unternehmens um bis zu 20 Prozent abstürzen lässt, ist nicht alltäglich. Doch die Ankündigung, der Chef der Hamburger Biotechnologie-Firma Evotec, Werner Lanthaler, trete von seinem Posten zurück, hat am Donnerstag genau diesen Effekt gehabt. Lanthaler stand fast 15 Jahre lang an der Vorstandsspitze, sein Vertrag wäre noch bis März 2026 gelaufen.

„Nach einem extrem herausfordernden und sowohl körperlich als auch insgesamt erschöpfenden Jahr 2023“ sei er „nach eingehender Reflexion“ zu dem Entschluss für den Rücktritt gelangt, erklärte der 55-jährige, „da ich dem Unternehmen in den nächsten Jahren nicht bestmöglich dienen kann“.

Evotec Hamburg: Chef geht, Aktie bricht ein – was steckt dahinter?

Warum das so ist, wurde von ihm und von Evotec nicht näher erläutert. Lanthaler habe „persönliche Gründe für seine Entscheidung angeführt, und wir respektieren dies“, sagte ein Firmensprecher. Unklar bleibt, ob es sich abermals um Gesundheitsprobleme handelt; 2012 musste Lanthaler aus gesundheitlichen Gründen für rund ein Jahr pausieren.

Auffällig ist, dass Evotec am Dienstag – also am Vortag der Mitteilung über den Rücktritt – eine lange Reihe von Aktientransaktionen Lanthalers, die bis Mai 2021 zurückreichen, meldete. Es handelt sich um Käufe und Verkäufe von Evotec-Aktien, teils im Wert von deutlich mehr als einer Million Euro. Kurz vor Weihnachten hatte Evotec damit begonnen, derartige Transaktionen aus den zurückliegenden Monaten nachzumelden.

Evotec meldet nachträglich eine lange Reihe von Aktiengeschäften Lanthalers

Laut Aktienrecht müssen solche meldepflichtigen Eigengeschäfte von Führungskräften jedoch spätestens nach drei Geschäftstagen dem Unternehmen mitgeteilt werden, das wiederum zwei Tage Zeit für die Veröffentlichung hat. Ein Evotec-Sprecher erklärte dazu auf Abendblatt-Nachfrage, man habe die Wertpapiergeschäfte „unmittelbar nach Erhalt der Information“ auf der Internetseite des Unternehmens und den entsprechenden offiziellen Kanälen veröffentlicht.

Wie die Firma, die im Auftrag von Pharmakonzernen eine Vielzahl von Substanzen auf ihre medizinische Wirksamkeit hin untersucht, weiter mitteilte, wird Lanthaler das Unternehmen im Sinne einer reibungslosen und schnellen Übergabe laufender Projekte in den kommenden Wochen unterstützen. Er werde außerdem dem Aufsichtsrat weiterhin als „strategischer Berater“ zur Verfügung stehen. Der Aufsichtsrat habe eine „interne sowie externe Suche“ nach einem neuen Vorstandschef eingeleitet. Aufsichtsratsmitglied Mario Polywka, früherer Vizechef von Evotec, hat das Amt Lanthalers vorübergehend übernommen.

Hamburger Analysehaus lässt das Kursziel von Evotec unverändert

Iris Löw-Friedrich, die Vorsitzende des Aufsichtsrats, dankte Lanthaler für seine Arbeit. Er habe eine „hoch angesehene Innovationsplattform für die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente gestaltet“ und ein Geschäftsmodell etabliert, „das heute einzigartig in der Branche ist“, so Löw-Friedrich: „Wir respektieren seine Entscheidung, bleiben in Kontakt und wünschen ihm alles Gute für seine Zukunft.“

Auch wenn der überraschende Abgang von Lanthaler und die daraus resultierende Unsicherheit am Markt negativ aufgenommen würden, hat das Hamburger Analysehaus Warburg Research die Einstufung der Evotec-Aktie mit „Kaufen“ und einem Kursziel von 29 Euro unverändert gelassen. Das Wirkstoffforschungsunternehmen habe die Verantwortung im Vorstand verteilt, um die Sorgen wegen einer zu großen Abhängigkeit vom langjährigen Unternehmenslenker zu zerstreuen, schrieb Analyst Christian Ehmann.

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Lanthalers Interims-Nachfolger Mario Polywka sei ebenfalls schon lange bei Evotec tätig und ein endgültiger Vorstandschef wohl binnen neun Monaten zu finden. Dazu sei Evotec operativ gut aufgestellt, so Ehmann. Das Unternehmen hatte in der Mitteilung über den Rückzug des Vorstandsvorsitzenden den im November herausgegebenen Jahresausblick für 2023 bestätigt. Am Donnerstagnachmittag notierte die Aktie mit rund 17,15 Euro – immerhin noch etwa zwölf Prozent im Minus.