Hamburg. Joachim Seeler war bis 2020 hafenpolitischer Sprecher der Fraktion. Er warnt seine Partei vor einem „historischen Fehler“.

Bislang war das Murren über den Einstieg der Schweizer Großreederei bei der HHLA in den Fraktionen von SPD und Grünen kaum vernehmbar. Nur hinter vorgehaltener Hand äußern manche Vertreter des Regierungsbündnisses ihre Kritik am Hafen-Deal. Nun aber meldet sich mit Joachim Seeler ein Sozialdemokrat zu Wort, der zwischen 2015 und 2020 wirtschafts- und hafenpolitischer Sprecher seiner Fraktion war. Im Gespräch mit dem Abendblatt warnt das langjährige SPD-Landesvorstandsmitglied die Stadt vor einem „historischen Fehler“.

Über Jahrzehnte habe die Sozialdemokratie für einen „Konsens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern“ im Hafen gearbeitet und sei sich darin einig gewesen, Reedereien allerhöchstens am Betrieb eines Terminals zu beteiligen. Mit dem Einstieg der größten Reederei bei der HHLA seien diese beiden Grundsätze außer Kraft gesetzt worden.

Joachim Seeler war von 2015 bis 2020 wirtschafts- und hafenpolitischer Sprecher der Hamburger SPD-Bürgerschaftsfraktion. Er hält den HHLA-MSC-Deal für einen „historischen Fehler“.
Joachim Seeler war von 2015 bis 2020 wirtschafts- und hafenpolitischer Sprecher der Hamburger SPD-Bürgerschaftsfraktion. Er hält den HHLA-MSC-Deal für einen „historischen Fehler“. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Im September hatten Bürgermeister Peter Tschentscher, Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (alle SPD) überraschend verkündet, dass die Genfer MSC 49,9 Prozent an der HHLA erhalte und die Aktien des Hamburger Logistikkonzerns von der Börse genommen würden. Davon versprechen sie sich neue Impulse für den Hafen und Unterstützung für die nötigen Investitionen.

SPD-Politiker Seeler warnt vor Folgen des MSC-HHLA-Deals für Hamburger Hafen

Seeler, dessen Vater viele Jahre in der Hansestadt Senator der Sozialdemokraten war, kritisiert den Einstieg vehement: „Das ist die falsche Ebene, wenn wir die Reederei MSC über die HHLA an allen städtischen Terminals und der Eisenbahngesellschaft Metrans beteiligen: Sie bekommt eine entscheidende Stellung und Zugang zu den Daten der Mitbewerber, etwa über die Terminals in Altenwerder, Tollerort oder Unikai.“

Das Resümee des Unternehmers fällt vernichtend aus: „Nach 800 Jahren Hafengeschichte gibt die Stadt die strategische Kontrolle auf und ein Steuerungsinstrument aus der Hand. Das ist ein historischer Fehler.“ Zwar verbleibe zunächst eine Mehrheit von 50,1 Prozent bei der Stadt. „Aber was ist, wenn eine Kapitalerhöhung ansteht? Kann die Stadt dann mitziehen?“

Seeler fürchtet, dass die Reeder Ladung vom Hamburger Hafen abziehen werden

Er rechnet mit einem Umschlagsverlust im Hafen, der durch die in Aussicht gestellten Zuwächse durch MSC nicht aufgewogen wird. „Wir haben ein Jahr über die Minderheitsbeteiligung von Cosco an dem Terminal Tollerort diskutiert, dafür ist es jetzt angesichts eines viel größeren Deals viel zu leise.“ Er fürchtet, dass Hamburgs Politik nicht nur die Chinesen verprellt hat.

Andererseits fällt im traditionell lauten Hafen die Kritik inzwischen eher leise aus. „Wir sehen eine Abstimmung mit den Füßen“, sagt Seeler, der geschäftsführende Gesellschafter der HSP Hamburg Invest GmbH ist. „Ich höre oft: Hamburg war in der Vergangenheit schon schwierig, jetzt gehen wir eben woandershin. Wir werden Ladung verlieren.“

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Seeler glaubt wie Gunther Bonz, der langjährige Chef des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, dass MSC die Stadt über den Tisch gezogen hat. „Für Gianluigi Aponte arbeiten absolute Profis – das war für unsere Senatoren, eine Historikerin und einen Verwaltungsjuristen, wohl eine Nummer zu groß.“

Allein die HHLA-Tochter Metrans, die 100 Millionen Euro Ebit erzielt, habe einen Unternehmenswert von 1,5 Milliarden Euro. MSC bekomme nun die Hälfte der HHLA für rund 600 Millionen Euro.

Die einzige realistische Chance, den Einstieg von MSC noch zu stoppen, sei ein Nein in der Bürgerschaft. Damit rechnet Seeler indes nicht mehr.