Hamburg. Alwin Basin und Vishal Khanna haben gute Geschäfte mit extrascharfen Chips gemacht. Nun sind sie verboten. Wie es weitergeht.

Scharf kann lecker sein, extrem scharf die Gesundheit gefährden. Eigentlich eine klare Sache, trotzdem hat der Verzehr von Hot Chips in den vergangenen Monaten für einen regelrechten Hype in den sozialen Medien gesorgt. In unzähligen Videos ist zu sehen, wie vor allem Jugendliche einen Maistortilla-Chip essen und sich danach vor Schmerzen krümmen. Eine gefährliche Mutprobe, die für manche im Krankenhaus endete. Aber diese Challenge sorgte für gute Geschäfte bei den Händlern.

Auch die Hamburger Alwin Basin und Vishal Khanna hatten den extrem scharfen Chip, der in einer Schachtel in Sargform und mit Latex-Handschuhen von einem Hersteller in Tschechien kommt, vor einem guten halben Jahr ins Sortiment ihres Unternehmens KKB Sweets & More genommen. „Wir waren einer der ersten Händler, der Hot Chip Challenge in Deutschland angeboten hat“, sagt Alwin Basin.

Inzwischen haben die Behörden den Verkauf bundesweit verboten. Es läuft ein Produktrückruf wegen zu hoher Werte des Inhaltsstoffs Capsaicin. Die Hot Chip Challenge hat für viel Aufregung gesorgt und inzwischen sogar einen eigenen Eintrag bei Wikipedia. Aber zu Ende ist die verrückte Geschichte offenbar noch nicht.

Hot Chip Challenge: Sie holten die Scharfmacher nach Hamburg

Rückblick: „Wir haben anfangs nur eine Palette bestellt, der Verkauf lief eher schleppend an“, sagt Vishal Khanna beim Treffen mit dem Abendblatt in Schwarzenbek vor den Toren Hamburgs. In einem Gewerbehof haben die Jungunternehmer ihr Lager eingerichtet. Und dort stehen noch einige Kartons mit den verbotenen Scharfmachern.

Anfang 2022 hatte der 23 Jahre alte Einzelhandelskaufmann gemeinsam mit seinem gleichaltrigen Cousin, einem BWL-Studenten, KKB Sweets & More in Hamburg gegründet. Im Angebot des Online-Shops: besondere Süßigkeiten und Snacks aus dem Ausland wie den USA oder asiatischen Ländern, die es im Supermarkt nicht gibt. So waren die Gründer auf das Unternehmen Hot-Chip s.r.o. in Paskov (Tschechien) gestoßen.

Die Hot-Chip-Schachtel hat die Form eines Sargs. Darin ist ein einziger Tortilla-Chip. Wegen des hohen Schärfegrades wurde ein Einmalhandschuh mitgeliefert.
Die Hot-Chip-Schachtel hat die Form eines Sargs. Darin ist ein einziger Tortilla-Chip. Wegen des hohen Schärfegrades wurde ein Einmalhandschuh mitgeliefert. © Funke Foto Services | Thorsten Ahlf

Ähnlich wie ein Hersteller in Texas hatte Hot-Chip im Netz zur Mutprobe beim Verzehr des Chips aufgerufen, der mit der weltweit schärfsten Chili-Sorte Carolina Reaper gewürzt ist. Eigenwerbung: „Herausforderung für die Mutigsten“. Obwohl der Verkauf eigentlich erst ab 18 Jahren erlaubt war, beteiligten sich immer mehr Jugendliche an der sogenannten Hot Chip Challenge.

Dabei ging es darum, wer nach dem Verzehr am längsten durchhält, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Mit teilweise dramatischen Folgen. Unter anderem soll es im September 2023 in Euskirchen zu einem Großeinsatz von Notärzten und Polizisten gekommen sein, nachdem Kinder einer fünften Klasse von diesen Chips gegessen hatten.

Hot Chip Challenge: Hohe Preise werden aufgerufen

„Bei uns ist die Welle im Sommer angekommen“, erinnert sich Händler Alwin Basin. Hot Chip entwickelte sich zum Besteller unter den 80 Produkten von KKB Sweets & More. Basin und Khanna, die seit Ende 2022 auch einen Großhandel betreiben, verkauften 16.000 Einheiten innerhalb kürzester Zeit. Und das zu gepfefferten Preisen: 8,99 Euro pro Hot Chip im Onlineshop für Endkunden, immerhin noch bis zu 4,80 Euro bei der Abgabe an Wiederverkäufer.

Seit Ende November ist das vorbei. Im September meldete sich das Fachamt Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt des Bezirks Mitte bei KKB Sweets & More und machte eine Stichprobe. Parallel hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung vor Hot Chip Challenge gewarnt. Auch bei den Hamburgern wurden ähnlich wie bereits in anderen Bundesländern bei unterschiedlichen Chargen des Produkts, das praktisch schwarz von dem anhaftenden Chilipulver ist, zu hohe Capsaicin-Werte festgestellt. Gemessen wird in Scoville. Zum Vergleich: Tabasco hat 5000 Scoville, Pfefferspray 200.000 und Carolina Reaper, die Basis für die Chips, bis zu 2,2 Millionen.

Hamburger Behörde: Grenzwerte deutlich überschritten

Bei der Prüfung bei KKB Sweets & More stellten die Lebensmittelüberwacher in ihrem Gutachten fest, dass bei vier von zehn Chips die Grenzwerte deutlich überschritten wurden. Zudem wurden Kennzeichnungsmängel auf der Verpackung festgestellt. Am 23. November, inzwischen war das Verfahren nach einem Umzug des Unternehmens an die zuständige Behörde des Kreises Herzogtum Lauenburg abgegeben worden, kam die Anordnung für einen kompletten Produktrückruf.

24 Stunden hatten Basin und Khanna Zeit. Die Lebensmittelwarnung wurde wie die anderer Händler auch auf dem Verbraucherportal des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit veröffentlicht. Dabei hatte zuerst das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit einen Rückruf für Hot Chip angeordnet, dem sich nach und nach alle Bundesländer angeschlossen haben. Nach Angaben der Hamburger Verbraucherschutzbehörde sind in der Hansestadt drei Unternehmen von dem Rückruf betroffen. Überwacht wird das von den zuständigen Ämtern der Bezirke beziehungsweise der Kreise.

„Es wird sichergestellt, dass die Produkte nicht wieder in den Handel innerhalb der Europäischen Union gelangen. Welche Maßnahmen dazu ergriffen werden, wird zusammen mit den Lebensmittelunternehmern festgelegt“, erklärte ein Sprecher der Hamburger Verbraucherschutzbehörde auf Abendblatt-Anfrage. In dem vorliegenden Fall käme zum Beispiel eine Vernichtung in Betracht. Die eingeleiteten Maßnahmen werden durch die Lebensmittelüberwachungsämter kontrolliert.

Hot Chip Challenge verboten – warum erst so spät?

„Bislang haben wir 1500 Hot-Chip-Schachteln zurückbekommen“, sagt Alwin Basin. Aktuell lagern diese an ihrem Firmensitz. Die Behörde hat sich bislang noch nicht wieder gemeldet. Für das Unternehmerduo mit einem Jahresumsatz von drei Millionen Euro ist der Produktrückruf ein „herber finanzieller Rückschlag“. Denn sie müssen ihren Kunden den Kaufpreis zurückerstatten. Auch wenn sie eine Verabredung mit dem Hersteller haben, dass sie bei Rücksendung eine Gutschrift für weitere Bestellungen haben, ist es ein Minusgeschäft.

„Wir rechnen mit einem Verlust von bis zu 10.000 Euro und fragen uns schon, warum die Gesundheitsgefährung des Produkts erst 1,5 Jahre nach der Einführung festgestellt wurde“, sagt Vishal Khanna im Rückblick. Auch er und sein Cousin haben Hot Chip getestet. „Das war schon scharf, eine künstliche Schärfe. Aber nach zehn Minuten hat sich das gelegt“, sagt er.

Hot Chip Challenge: Warnhinweise in den USA

Möglicherweise habe das damit zu tun, dass er scharfes Essen gewohnt sei. Zudem sei die Einfuhr von Hot Chip Challenge genau wie der Verkauf nicht verboten gewesen. „Mit einer solchen Entwicklung konnten wir nicht rechnen.“

Allerdings: In den USA darf die dortige Version des ultrascharfen Chip nach mehreren Gesundheitsvorfällen nur mit extremen Warnhinweisen verkauft werden. Und: Spätestens seit September waren die Warnungen vor dem Verzehr bekannt.

Mehr Wirtschaftsthemen:

Trotzdem sieht es in Deutschland nicht so aus, dass der Hype um Hot Chip Challenge vorbei ist. Auf der Verkaufsplattform Ebay gibt es diverse Anbieter, die das verbotene Lebensmittel für bis zu 27 Euro pro Packung verkaufen wollen. Und zwar nicht nur eine.

Hot Chip Challenge: Nachfolgeprodukt mit neuer Rezeptur

Und auch der tschechische Hersteller hat inzwischen reagiert. Wer die Internetseite des Unternehmens mit einem Sortiment von etwa 120 chilihaltigen Artikeln öffnet, bekommt direkt einen Hinweis in deutscher Sprache. Neben unverhohlener Kritik an dem behördlich verordneten Verkaufsverbot von dem bisherigen Verkaufsschlager Hot Chip Challenge 3g wird dort bereits der Nachfolger präsentiert.

Hot Chip Challenge New Recipe 2,8g soll demnach eine neue Rezeptur haben, die einen geringeren Capsaicin-Gehalt aufweist. An den Regeln für die sogenannte Mutprobe ändert sich nichts. Die Hamburger Händler Basin und Khanna wollen so bald wie möglich nachbestellen.