Hamburg. Berliner übernehmen den Hamburger Anbieter, der in die Pleite gerutscht war. Was bedeutet das für die Kunden und Mitarbeiter?

Mit dem Fahrrad durchs Baltikum, mit dem Motorrad durch die schottischen Highlands oder einfach nur in Schweden Seen erkunden. Seit fast 30 Jahren bietet das Hamburger Unternehmen Schnieder Reisen Urlaubsträume an und hat sich unter anderem als Osteuropa-Spezialist bundesweit einen Namen gemacht. Doch im September schockte der Anbieter die Reisewelt mit einer schlimmen Nachricht: Schnieder war zahlungsunfähig und musste Insolvenz anmelden.

Jetzt ist der Veranstalter gerettet. Wie das Abendblatt exklusiv erfuhr, will das Berliner Unternehmen Lernidee Erlebnisreisen die Geschäfte in Hamburg fortführen. Auch die Marke Schnieder bleibt erhalten. „Das war ein wirklich gelungener Übergang“, sagte der für die Rettung verantwortliche Hamburger Insolvenzverwalter Hendrik Gittermann von der Kanzlei Reimer. „Kein einziger Kunde musste seine Reise abbrechen.“

Reisebüro Schnieder Reisen aus Hamburg: Erst insolvent, jetzt kam die Rettung

Zu Fall gebracht hatte den Hamburger Reiseveranstalter der Krieg in der Ukraine. „Nachdem wir den Corona-Einbruch überstanden hatten, wollten wir wieder durchstarten, und dann kam dieser Krieg“, erinnert sich der ehemalige Geschäftsführer Carsten Okkens. „Das Problem war nicht nur die Ukraine selbst, in der wir kaum vertreten waren, sondern dass auch die gesamte Peripherie davon betroffen war. Nach Russland und ins Baltikum wurden keine Reisen mehr gebucht.“ Keine guten Voraussetzungen für einen Osteuropa-Spezialisten. „Unser Kerngeschäft brach um etwa 50 Prozent ein.“

Die übrigen Reiseangebote wie in Großbritannien reichten nicht aus, um die Rückgänge aufzufangen. Schnieder Reisen war auch vom Hamburger Senat gerne als Veranstalter von offiziellen Delegationsreisen gebucht worden. Auch dieses Geschäft sei nicht stark genug gewesen, um die Lücke zu füllen.

Neuer Eigentümer übernimmt fünf Mitarbeiter

Lernidee Erlebnisreisen ist ein inhabergeführter mittelständischer Betrieb mit rund 70 Mitarbeitern. Ähnlich wie Schnieder ist das Unternehmen auf individuell komponierte Reisen spezialisiert, Schwerpunkt sind Zug- und Schiffsreisen. Das Unternehmen kennt seine Neuerwerbung bestens: „Wir haben schon in der Vergangenheit eng mit Schnieder zusammengearbeitet und die Vertriebspower von Schnieder nutzen können, etwa wenn es um E-Bike-Touren durchs Baltikum ging“, sagt Felix Willeke, der das Unternehmen zusammen mit Nurlan Mukash führt. Sein Kompagnon ergänzt: „Wir werden die Qualität und das einzigartige Reiseerlebnis, das die Kunden von Schnieder erwarten, erhalten und können unser Angebotsportfolio mit einem neuen Lernidee-Standort in Hamburg erweitern.“ Die Marke soll fortgeführt werden. Fünf Vollzeitmitarbeitern des insolventen Unternehmens wurden neue Verträge angeboten. Vor der Insolvenz hatte Schnieder laut Okkens zuletzt zehn Mitarbeiter, von denen aber vier Teilzeitkräfte waren.

Der Hamburger Insolvenzverwalter Hendrik Gittermann hatte den Deutschen Reisesicherungsfonds eingeschaltet, sodass keine Schnieder-Reise abgesagt werden musste.
Der Hamburger Insolvenzverwalter Hendrik Gittermann hatte den Deutschen Reisesicherungsfonds eingeschaltet, sodass keine Schnieder-Reise abgesagt werden musste. © Reimer Portraits | Reimer Portraits

„Entscheidend für die erfolgreiche Sanierung war, dass alle seit September vergangenen Jahres gebuchten Reisen auch während des Insolvenzantragsverfahrens uneingeschränkt durchgeführt werden konnten.. Dabei hat sich der Deutsche Reisesicherungsfonds (DRSF) als sehr verlässlicher und lösungsorientierter Partner erwiesen“, betont Insolvenzverwalter Gittermann.

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Der DRSF hatte erst im August 2021 seine Tätigkeit aufgenommen und sichert seitdem das Insolvenz-Ausfallrisiko für Pauschalreisen ab. Auch davor hatte es für Pauschalreisen individuelle Sicherungsscheine gegeben, um Kunden im Falle der Insolvenz des Reiseveranstalters wieder nach Hause zu bringen. Doch die Pleite von Thomas Cook 2019 hatte gezeigt, dass die Haftungsansprüche zu groß waren. Deshalb gibt es jetzt den DRSF, in den alle Reiseveranstalter einzahlen. Schnieder Reisen ist der erste Insolvenzfall in Deutschland, der davon profitiert.