Hamburg. Anne-Maria Tenzer führt das Warenhaus seit Juli. Im Abendblatt verrät sie exklusiv, was sie an dem Standort vorhat.
Mit 33 Jahren ist Anne-Maria Tenzer deutlich jünger als die allermeisten Beschäftigten, deren Chefin sie als Filialleiterin bei Galeria Karstadt in der Mönckebergstraße seit Kurzem ist.
In den vergangenen Jahren hat der Warenhauskonzern aus Essen sie schon zu zahlreichen Stationen quer durch die Republik geschickt. Jetzt soll die gebürtige Brandenburgerin für neuen Schwung im Stammhaus in der Hamburger Innenstadt sorgen. Ein Gespräch über die Kaufhaus-Misere, Sortimentsveränderungen und den Gong bei der Ladenöffnung am Morgen.
Hamburger Abendblatt: Frau Tenzer, seit Juli sind Sie neue Chefin bei Galeria Karstadt in der Mönckebergstraße. Was ist Ihr erster Eindruck?
Anne-Maria Tenzer: Mein erster Tag war ein Sonnabend. Bei der Begrüßung stand ich vor 80 Kolleginnen und Kollegen. Das war aufregend, auch wenn ich schon relativ viele Filialen führen durfte. Ich wurde sehr gut aufgenommen. Und es war auch ein guter Verkaufstag. Insofern ein schöner Einstieg.
Tatsächlich sind es schwierige Zeiten für Kaufhäuser. Aus dem Unternehmen Galeria Karstadt Kaufhof gab es in den vergangenen Jahren viele schlechte Nachrichten. Im Zuge der Insolvenzverfahren wurden bundesweit Filialen geschlossen und Beschäftigte entlassen. Was haben Sie vor?
Wir schauen jetzt nach vorne. Und dabei sind zwei Dinge besonders wichtig. Erstens wollen wir uns stärker denn je lokal ausrichten. Und zweitens endlich den Kunden konsequent in den Mittelpunkt stellen. Das hat Auswirkungen auf unser ganzes Geschäft vom Sortiment bis hin zur Gestaltung des Hauses.
Galeria Karstadt: Verkaufsfläche auf 20.000 Quadratmeter reduziert
Nachgefragt: Auch hier in Hamburgs größtem Galeria-Standort ist Personal abgebaut und mit der Schließung des Thalia-Hauses die Verkaufsfläche deutlich reduziert worden. Wie geht es jetzt weiter?
Durch den Auszug aus dem Thalia-Haus haben wir Fläche abgegeben, aber wir behalten rund 20.000 Quadratmeter Verkaufsfläche an der Mönckebergstraße. Wir haben wie gesagt viel stärker berücksichtigt, was unser Kunde hier vor Ort will, und auch Flächen verdichtet. Dadurch haben wir jetzt mit einem Haus mehr Kompetenz als vorher mit beiden.
Was bedeutet das konkret?
Wir haben viel Kompetenz im Beauty-Bereich, da haben wir deshalb keine Flächen reduziert. Auch Mode können wir gut bedienen, sowohl für die klassischen Kunden als auch über junge Marken. Wir haben eine wunderschöne Wäscheabteilung mit einer Markenvielfalt, die man in Hamburg nirgendwo anders auf einer Fläche findet. Verändert haben wir die Haushaltswaren. Wir hatten früher mehrere Hundert Quadratmeter Betten und Matratzen ausgestellt. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Jetzt sind nur die Topmatratzen in der Ausstellung. Alles andere können wir bestellen und nach Hause liefern lassen.
Ist das Abschied vom Vollsortiment, der ein Warenhaus ja eigentlich ausmacht?
Nein. Das klassische Sortiment mit den Bereichen Haushaltswaren, Einrichtung, Elektrogeräte und so weiter führen wir natürlich auch weiterhin. Aber das findet sich jetzt komprimiert im fünften Stock. Dabei haben wir auch die Chance genutzt, das Angebot weitläufiger zu präsentieren und mit Accessoires zu ergänzen. Jetzt kann man dort nicht nur ein Kissen und eine Bettdecke kaufen, sondern findet dazu auch gleich einen Bezug und eine Tagesdecke. Wir wollen, dass die Kunden sich inspirieren lassen durch schöne Aufbauten und ein gut aufeinander abgestimmtes Sortiment. Und dass sie eine gute Beratung bekommen, nett begrüßt und an der Kasse freundlich verabschiedet wurden.
Galeria Karstadt in der Mönckebergstraße gehört zu den Top-Häusern
Wenn Sie es kurz zusammenfassen: Wie müssen sich Kaufhäuser präsentieren, um zukunftsfähig zu sein?
Wir als Galeria Mönckebergstraße gehören fest zur Hamburger Innenstadt. Das ist ein Erlebnis, ich fahre in die Stadt, gehe bummeln und kaufe etwas. Ich kann es mir vor Ort angucken, es anfassen und ausprobieren, das ist unsere Stärke, und die bauen wir aus. Das kann niemand sonst so wie wir an 91 Standorten in ganz Deutschland.
Inzwischen sind die Kaufhäuser nicht nur durch den Onlinehandel unter Druck, sondern auch durch Discounterketten wie Woolworth oder Tedi auf der einen Seite und die Luxusmarken auf der anderen. Wo positioniert sich Galeria?
Mit unseren Eigenmarken haben wir Einstiegspreislagen mit guter Qualität zu einem guten Preis. Das schätzen unsere Kunden. Das Haus in der Mönckebergstraße gehört zudem zu unseren vier Top-Häusern im Unternehmen, und wir bieten auch im Premiumsegment Sortimente an. Insgesamt bedienen wir die gute Mitte, die große Mehrheit der Bevölkerung und richten unsere Sortimente an den Bedürfnissen unserer Kunden hier vor Ort aus.
Termin für Umbau von Galeria in der Mönckebergstraße noch offen
In anderen Städten hat Galeria die ersten Häuser zu sogenannten Flagship-Filialen umgebaut? Wann ist Hamburg dran?
Wir haben im Zuge unserer Flächenverdichtung bereits einiges getan. Dennoch haben auch wir das Ziel, das Flagship-Sortiment so anzubieten wie in den bereits umgestalteten Filialen an anderen Orten, natürlich angepasst an die lokalen Gegebenheiten. Das ist ein umfangreicher Prozess und geschieht nicht von heute auf morgen. Uns ist richtig machen wichtiger als nur schnell.
Was planen Sie für die Herbst-Winter-Saison?
Wir nehmen weitere Marken im Damenmode-Sortiment auf, etwa Scotch & Soda, Nümph oder Ted Baker. Wir bekommen auch einen der größten Ritual-Shops im gesamten Unternehmen. Aber das ist noch nicht alles: Vom 2. bis 15. Oktober machen wir zum Beispiel eine Beauty-Week mit vielen tollen Aktionen hier im Haus.
Werden die Umsatzerwartungen an die Filiale erfüllt?
Wir sind absolut zufrieden.
Galeria-Kaufhaus soll lokaler ausgerichtet werden
Wie eigenständig können Sie bei den geplanten Veränderungen agieren?
Zur stärkeren lokalen Ausrichtung gehört auch viel mehr Eigenständigkeit für Filialgeschäftsführer. Aber wir bleiben ein filialisiertes Unternehmen, und dafür bin ich auch dankbar. Einkauf muss beispielsweise zentral geführt werden. Wir integrieren unsere lokalen Besonderheiten und Kundenbedürfnisse, unter anderen haben wir gerade zum ersten Mal bei der Hamburger Marke Derbe Waren bestellt.
Fachkräftemangel ist im Einzelhandel ein großes Thema. Auch bei Ihnen im Haus?
Wir haben Anfang September sechs neue Auszubildende begrüßt. Am gleichen Tag haben vier Beschäftigte ihr 40-jähriges Firmenjubiläum gefeiert. Alles in allem sind wir 350 Köpfe. Da sind die Saisonspitzen nicht eingerechnet. Aktuell suchen wir für das Weihnachtsgeschäft Unterstützung. Dabei geht es um flexible Kräfte etwa an den Kassenplätzen oder in der Logistik.
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Die Hamburger Innenstadt, speziell die Mönckebergstraße, hat sich in den vergangenen Jahren unter anderem durch die Schließung von Kaufhof und Karstadt Sports stark verändert und an Attraktivität verloren. Wie sehen Sie die Zukunft der Einkaufsmeile?
Da sind wir über das Citymanagement in guten Gesprächen mit der Stadt. Natürlich möchte jeder Händler die Mönckebergstraße wieder belebter sehen. Im Oktober eröffnet direkt bei uns gegenüber C&A wieder. Und wir sind froh über die Kundenfrequenz in der Europa Passage. Hier in der Mönckebergstraße tut sich was, und da sind wir als Galeria natürlich mitten drin.
Galeria Karstadt: Das ändert die neue Chefin als Erstes
Sie sind 33 Jahre alt. Für die meisten Menschen in dem Alter sind Kaufhäuser eher ein Relikt. Was reizt Sie an Ihrem Job?
Mit Warenhäusern ist es wie mit Printmedien. Ja, es gibt sie seit Langem, aber trotzdem können sie modern und erfolgreich sein. Ich kann mir nichts anderes vorstellen, als Einzelhandel zu machen. Ich bin gern mit den Mitarbeitern auf der Fläche, gern bei den Kunden. Wenn morgens um zehn Uhr der Gong durchs Haus tönt, die Türen öffnen und die Kunden reinströmen, freue ich mich auf den Tag. Ich glaube, das macht unser Unternehmen und die Filialen aus – die Menschen, die daran glauben und jeden Tag dafür sorgen, dass wir ein Teil der Innenstadt sind.
Karstadt gibt es schon seit Jahren eigentlich nicht mehr. Das Unternehmen heißt jetzt Galeria Karstadt Kaufhof. Trotzdem hängt an der Fassade an der Mönckebergstraße weiterhin der alte Karstadt-Schriftzug. Warum?
Da bin ich dran. Das wird sich demnächst ändern. Ich bin nicht böse, wenn noch jemand sagt, dass er zu Karstadt geht – das ist bei vielen Hamburgerinnen und Hamburgern noch so in den Köpfen. Mir ist es aber trotzdem wichtig, nach vorne zu blicken, und das soll man auch an unserer Fassade sehen.