Hamburg. Die Erwartungen der maritimen Wirtschaft an die Politik sind hoch, ebenso wie die finanziellen Forderungen. Bundeskanzler und Vizekanzler haben Verständnis signalisiert - aber bislang nicht das zugesagt, was erhofft wird.
Die Hafenwirtschaft verlangt für den zügigen Ausbau der deutschen Seehäfen erheblich aufgestockte Bundesmittel in der Größenordnung von 400 Millionen Euro pro Jahr. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe deutlich gemacht „wie wichtig gerade die Seehäfen sind und dass diese in den vergangenen Jahren politisch vernachlässigt wurden“, sagte die Präsidentin des Branchenverbandes ZDS, Angela Titzrath, am Mittwoch in Hamburg. Zudem habe Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) die Bedeutung der Häfen beim Erreichen der Ziele im Klimaschutz und im Ausbau der erneuerbaren Energien betont. „Jetzt müssen diesen Worten auch Taten folgen“, sagte Titzrath.
„Vor allem bei der Debatte um die Finanzierung der Seehäfen muss es Bewegung geben“, forderte Titzrath. „Wenn wir uns die neue Bedeutung der Häfen gerade auch aus nationaler und europäischer Ebene anschauen und auch die Aussagen des Bundes zu einem stärkeren Engagement ernst nehmen, dann reichen die bisherigen 38 Millionen Euro nicht aus, die der Bund den fünf Küstenländern jährlich zahlt“, so die Hafenmanagerin. „Das ist ein Tropfen Wasser ins Hafenbecken und vollkommen unzureichend.“
Die Forderung nach einer Verzehnfachung der Mittel würde nach Titzraths Worten sogar „nicht mal die verschiedenen Investitionsbedarfe decken“. Insgesamt bewege sich die Hafenwirtschaft hier jährlich im Milliardenbereich, eine Summe, die die Möglichkeiten jedes einzelnen Bundeslandes bei weitem übersteige. „Ohne mehr Bundesressourcen werden Kaimauern verfallen, Umschlagmöglichkeiten für Windräder nicht gebaut, deutsche Maschinen und Autos nicht exportiert und kein Wasserstoff importiert werden“, mahnte Titzrath, die im Hauptberuf den Hamburger Hafenlogistikkonzern HHLA leitet.
Die Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich zur Verantwortung für die notwendigen Hafeninfrastrukturen bekannt und eine Nationale Hafenstrategie angekündigt. Scholz und Habeck bekräftigten dies auf der Nationalen Maritimen Konferenz vor zwei Monaten in Bremen, machten allerdings keine konkreten Zusagen. Mit der Vorlage der neuen Hafenstrategie wird in der Hafenwirtschaft gegen Ende des Jahres gerechnet.
Titzrath wies darauf hin, dass vor allem für den per Gesetz vorgesehenen Ausbau der erneuerbaren Energien dringender Ausbaubedarf bestehe. „Für das Erreichen dieser Ausbauziele fehlt es in Europa in den Häfen an Umschlagkapazität für Windenergie“, so die ZDS-Präsidentin. „Das gilt insbesondere für Deutschland, wo seit Jahren nicht in den Ausbau der nötigen Schwerlastflächen investiert wurde.“ Das Problem betreffe insbesondere die Windkraft auf See, da die Turbinen hier besonders groß und schwer seien und oft auch in den Häfen vormontiert würden. „Ohne mehr Flächen in den Häfen, kein erfolgreicher Ausbau der Windenergie und keine erfolgreiche Energiewende“, so der ZDS.
Ein Dorn im Auge ist der Hafenwirtschaft weiterhin die bevorzugte Behandlung der Reedereien seitens der EU und des deutschen Steuerrechts. Immerhin sei unter Mitwirkung der Hafenwirtschaft die sogenannte Gruppenfreistellungsverordnung für Reedereien erreicht worden. Sie wird am 25. April 2024 auslaufen. „Das ist ein großer Erfolg für die Hafenwirtschaft.“
Die Verordnung ermöglicht es Schifffahrtsunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen, Kooperationsvereinbarungen für gemeinsame Gütertransportdienste zu schließen. Kritiker bewerteten dies als kartellrechtlich problematisch, weil die Marktmacht der Reedereien damit steige. „Als nächstes muss die EU aber das Beihilferecht angehen und die seit 2004 unveränderten Regeln auch hier dem aktuellen Markt anpassen“, forderte Titzrath.
Als nicht mehr zeitgemäß bezeichnete sie unter anderem die Tonnagesteuer, die die zuletzt enormen Gewinne bei Reedereien begünstigt hat. Steuern fallen bei Reedereien bei dieser Methode zur Gewinnermittlung kaum ins Gewicht. Dabei wird anstelle des tatsächlichen Gewinns ein fiktiver Gewinn pauschal nach der Größe der Schiffe ermittelt. Der ist meist geringer als der tatsächliche Gewinn. Eingeführt wurde diese Regelung vor mehr als 20 Jahren zur Unterstützung des Schifffahrtsstandortes Deutschland.