Hamburg. 28 Jahre lang war er Chef des Hamburger Chemiehändlers Helm AG. Er formte einen internationalen Milliardenkonzern. Ein Nachruf.

Es war ruhig geworden um Dieter Schnabel. Der langjährige Chef der Helm AG hatte sich nicht nur schon lange aus dem operativen Geschäft des international bekannten Hamburger Chemiehändlers mit Sitz in der City Süd zurückgezogen. Er, der so gerne zusammen mit seiner Frau viele Freunde zu sich nach Hause einlud und dort bei gutem Essen und noch besserem Wein ausgiebig feierte, tat auch das schon länger nicht mehr.

Dieter Schnabel litt an den Folgen eines schweren Sturzes zu Beginn des Jahres. Bereits am 19. Oktober verstarb der 76-Jährige, wie das Unternehmen nun bekannt gab. Am vergangenen Mittwoch fand die Beisetzung im engsten Familienkreis statt.

Helm AG: Dieter Schnabel mit 76 Jahren gestorben

Im Jahr 1950 hatte sein Vater Hermann die eher unbedeutende Hamburger Handelsfirma Karl O. Helm gekauft und sie zu einem der führenden, konzernunabhängigen Chemiehändler in Deutschland gemacht. Zunächst zeigte Sohn Dieter wenig Interesse an dem Unternehmen, er begeisterte sich für Technik, wollte Ingenieur werden. Und er schrieb auch gerne, wie er dem Abendblatt einmal erzählte, liebäugelte deshalb eine Zeitlang mit dem Beruf des Journalisten.

Bereits im Alter von 16 Jahren entdeckte Dieter Schnabel dann doch seine Begeisterung für den Handel. Sein Vater, ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler, schickte ihn mit Taschen voller Geld zu Briefmarkenauktionen. Nach der Schule ersteigerte der Jugendliche seltene Stücke, die er für seinen Vater in Alben sortierte – für 50 Pfennig die Stunde. Für den Jungen viel Geld – und der Anstoß für eine große Händlerkarriere.

In Mexiko traf er seine Frau, dort kamen seine Söhne zur Welt

Nach dem Abitur und einer kaufmännischen Lehre bei der Helm AG ging Dieter Schnabel nach Mexiko. Dort sollte er für seinen Vater eine Firma aufbauen – und das tat er mit Erfolg. Elf Jahre lang blieb er in dem mittelamerikanischen Land, heiratete seine Frau, eine Deutsch-Mexikanerin. Auch seine drei Söhne, von denen Sohn Stephan mittlerweile die Helm AG leitet, wurden dort geboren.

„Das war eine tolle Zeit“, sagte er einmal im Rückblick. Als der Vater ihn Anfang der 1980er-Jahre in Deutschland brauchte, zögerte Dieter Schnabel zunächst, dann folgte er seinem Verstand, nicht seinem Herzen. Und auch viel Pflichtbewusstsein spielte bei der Entscheidung eine Rolle.

Dieter Schnabel baute die Geschäftsfelder der Helm AG aus

Dieter Schnabel leitete zunächst das Deutschland-Geschäft der Helm AG. Am 31. Dezember 1983 gab der Vater seinem Sohn schließlich die Hand. „Mach‘s gut, Dieter“, soll er gesagt und sich nie wieder in die tägliche Arbeit eingemischt haben.

28 Jahre lang lenkte Dieter Schnabel danach als Chef die Geschicke der Helm AG, baute das Geschäft weltweit aus, steigerte den Umsatz auf mehr als fünf Milliarden Euro und die Mitarbeiterzahl auf rund 1300. Dabei genoss er sowohl in seinem engsten Führungskreis als auch bei einfachen Mitarbeitern viel Respekt und Anerkennung..

Für Dieter Schnabel war die Unabhängigkeit wichtig

Dieter Schnabel trieb nicht nur die Expansion im Ausland voran. China, Indien und die arabische Welt fanden sich nun auf der Karte der Helm AG wieder. Er baute auch komplett neue Geschäftszweige auf. Die Helm AG entwickelte unter anderem das erste eigene Generikum gegen Osteoporose. So wurde neben den Bereichen Chemikalien, Pflanzenschutz und Düngemittel auch die Pharmasparte ein wichtiger Umsatzbringer.

Bei allen täglichen Entscheidungen als Manager stand für Dieter Schnabel ein Grundsatz im Geschäftlichen stets über allem: die Unabhängigkeit. Er war stolz darauf, dass die Helm AG ein Familienunternehmen war und geblieben ist. Dabei hätten mehrere Bankhäuser bei ihm angefragt, die den Hamburger Chemiehändler an die Börse bringen wollten, erzählte er vor Jahren dem Abendblatt. Für Dieter Schnabel unvorstellbar. Sich von Bankern, ausländischen Investoren oder anderen „Fremden“ in sein Lebenswerk, die Helm AG, hereinreden zu lassen, das kam für den Macher nicht infrage.

Helm AG: Dieter Schnabel war ein Manager der alten Schule

Dieter Schnabel war ein Manager der alten Schule. Homeoffice war ihm suspekt, er wollte seine Beschäftigten vor Ort auf dem kurzen Dienstweg sehen und sprechen können. Auch feste Arbeitszeiten und ordentliche Kleidung waren ihm wichtig. Dieter Schnabel im Büro ohne Krawatte? Undenkbar! In diesen Dingen war er ein konservativer Mensch. Trotz dieser eher strengen Regeln, wusste er schon früh, dass man Mitarbeiter nicht alleine mit einem ordentlichen Gehalt langfristig an ein Unternehmen binden kann.

Dieter Schnabel legte Wert auf einen Betriebskindergarten sowie eine eigene, stark bezuschusste Kantine. Sogar Ferienwohnungen stellte und stellt das Unternehmen seinen Beschäftigten kostenlos zur Verfügung. Und weil Dieter Schnabel Anonymität und Getränke aus dem Automaten nicht mochte, gönnte sich die Helm AG sogar über viele Jahre den Luxus, dass mehrere extra dafür Angestellte durch die Gänge des Bürohauses in der Nordkanalstraße gingen und den Mitarbeitern in deren Büros frischen Kaffee anboten.

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Im Alter von 65 Jahren zog sich Dieter Schnabel aus dem operativen Geschäft zurück, wechselte 2012 in den Aufsichtsrat seines Unternehmens. Er wollte mehr Zeit mit seiner Frau Teresa, der Familie, seinen Freunden verbringen. So ernst er im Geschäftlichen sein konnte, so hintergründig-witzig war er privat. Vor allem die Abende in seinem privaten Gästehaus werden viele seiner Freunde und Weggefährten in bester Erinnerung behalten. Dort war er ein fröhlicher, spendabler Gastgeber und auch ein wahrer Entertainer.

Eine besondere Leidenschaft von ihm war das Reisen. Er war neugierig, wollte sich die Welt nicht im Fernsehen oder Internet erklären und zeigen lassen. Er erkundete sie lieber selbst, machte sich sein eigenes Bild. Dieter Schnabel verreiste gerne in der Gruppe, mit seiner Frau und seinen besten Freunden. Und dabei standen auch ungewöhnliche Ziele für ihn und seine „Amigos“, wie er oft sagte, auf dem Programm. So flog er zum Beispiel nach Nordkorea, erzählte danach von den äußerst speziellen und detaillierten Gepäckkontrollen – aber nicht vorwurfsvoll, sondern verpackt in einer Geschichte voll mit Anekdoten. Lustig, heiter, charmant.

Dieter Schnabel liebte und lebte das Leben – in vollen Zügen. Hamburg hat mit ihm nicht nur einen großen Unternehmer, sondern auch einen sehr, sehr herzlichen Menschen verloren, der nun seine letzte Reise angetreten hat.