Hamburg. Das Familienunternehmen hat zuletzt 180 Jobs gestrichen. Nun investiert der Chemiehändler in komplett neue Bereiche.
Noch im August 2021 hatte Vorstandschef Stephan Schnabel weniger gute Nachrichten zu verkünden. Damals gab er den Abbau von insgesamt 180 Vollzeitstellen bei der Helm AG bekannt. Schnabel wollte den weltweit größten, konzernunabhängigen Chemiehändler neu aufstellen, effizienter machen, Doppelarbeiten reduzieren. Dieser Prozess ist abgeschlossen.
„Wir haben innerhalb weniger Tage Gespräche mit unseren Beschäftigten geführt. Mit allen besprochen, wie es weitergeht“, sagt Helm-Personalchef Thomas Gartz. Es seien danach zügig Aufhebungsvereinbarungen geschlossen worden und das Verständnis der Betroffenen sei groß gewesen, dass sich in dem Hamburger Familienunternehmen etwas ändern musste. Nun wird wieder eingestellt, neues Personal gesucht. Denn die Helm AG will wachsen, setzt auf Investitionen und Expansion.
Helm AG in Hamburg steigerte den Umsatz
Bereits 2021 liefen die Geschäfte rund. Der Umsatz legte um fast 50 Prozent auf 6,1 Milliarden Euro zu, das Konzernergebnis vor Sondereffekten schnellte von 13 Millionen auf 120,4 Millionen Euro in die Höhe. Steigende Öl- und Gaspreise spülen zusätzliches Geld in die Kassen der Hamburger. So rechnet Schnabel auch in diesem Jahr mit einem weiteren Umsatzplus in die Richtung von sieben bis acht Milliarden Euro. Und den vergleichsweise hohen Gewinn aus dem vergangenen Jahr würde der Helm-Chef gerne halten. „Das wäre ein klasse Ergebnis.“
Um weiter zu wachsen, investiert das Unternehmen mit Sitz in der City Süd nun jährlich rund 150 Millionen Euro – zum Teil in komplett neue Geschäftsfelder. So haben die Hamburger im Januar ein Joint Venture mit dem britischen Unternehmen Leverton Lithium gegründet. Das Ziel: Lithium aus alten Elektroauto-Batterien herauszulösen, zu reinigen und so aufzubereiten, dass es für neue Batterien genutzt werden kann. Damit wird die Helm AG zum Teil der Mobilitätswende – weg vom Verbrenner hin zum Elektroantrieb.
Unternehmen setzt auf Nachhaltigkeit
Nicht nur mit Blick auf das Recycling von Lithium setzen die Hamburger künftig auf Nachhaltigkeit. Auch beim Lösungsmittel Ethylacetat, das zur Herstellung von Kosmetika, Verpackungen, Farben und Klebstoffen genutzt wird, geht die Helm AG alternative Wege. Hier arbeitet man künftig eng mit dem US-Unternehmen Viridis Chemical zusammen, das Ethylacetat aus Biomasse gewinnt.
„Wir werden nicht auf Chemie verzichten können, aber wir sollten versuchen, den Herstellungsprozess, wo es geht, nachhaltig zu gestalten“, sagt Schnabel. Zu diesem Gedanken passen auch die Investitionen in nachhaltige Pflanzenschutz-Projekte und der Ausbau des Engagements in die Digitalisierung der Landwirtschaft. Dabei setzt Helm unter anderem auf Bodensensoren, die es ermöglichen, den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln zielgenau und sparsam zu steuern.
Schnabel: "Entwicklung bereitet mir große Sorgen"
Apropos Düngemittel. Schaut Schnabel auf die Folgen des Ukraine-Krieges, so sagt er weiter steigende Lebensmittelpreise voraus. Dabei müssen die Verbraucher jetzt schon deutlich tiefer ins Portemonnaie greifen, stehen sie an der Kasse von Supermärkten und Discountern. Allein im Mai legten die Preise für Nahrungsmittel um mehr als elf Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat zu. Der Grund für Schnabels wenig erfreuliche Prognose: Es gibt weltweit große Lücken bei Kalium- und Phosphordünger, der bisher zu einem großen Teil aus Russland kam.
Doch wegen des Embargos fehlen diese Exporte nun rund um den Globus. Die Folge: Deutlich weniger Erträge auf den landwirtschaftlichen Flächen führen zu höheren Preisen für Getreide als Grundlage für unzählige Lebensmittel. „Diese Entwicklung wird die Welt wohl noch länger beschäftigen und bereitet mir große Sorgen“, sagt Schnabel. Die Helm AG selbst habe zum Glück Lieferverträge für Düngerkomponenten mit anderen Ländern als Russland geschlossen.
Helm AG hat 50 offene Stellen in Europa
Nach dem strukturell bedingten Personalabbau lockt das Unternehmen nun wieder neue Beschäftigte an, um die ambitionierten Wachstumspläne realisieren zu können. Rund 50 offene Stellen hat die Helm AG aktuell in Europa, Tendenz steigend. Und sie muss in vielen Bereichen mit einer großen Zahl an Wettbewerbern konkurrieren. Auch deshalb hat sich der traditionsreiche Chemiehändler in den vergangenen Jahren mit Blick auf Arbeitszeiten und Dresscode massiv verändert, ist auf die Bedürfnisse vor allem jüngerer Beschäftigter eingegangen.
So gab es unter der Leitung von Stephan Schnabels Vater Dieter noch konkrete Zeiten, zu denen die Beschäftigten werktäglich im Büro anwesend sein mussten. Und auch die Krawatte um den Hals war für die Kollegen vor Ort Pflicht. Damit ist es vorbei. Selbst Vorstandschef Stephan Schnabel und Personalleiter Thomas Gartz verzichten nun immer häufiger auf den Schlips, übrigens auch beim Gespräch mit dem Abendblatt. Und im Zuge der Corona-Pandemie wurde Homeoffice bei der Helm AG dauerhaft etabliert.
Helm AG in Hamburg: Neue Regelung für Beschäftigte
Zwei Tage in der Woche dürfen die Beschäftigten nun von zu Hause aus arbeiten – und zwar freitags und montags. Inklusive Wochenende können die Angestellten folglich vier Tage am Stück in den eigenen vier Wänden verbringen. Dienstags, mittwochs und donnerstags sollen sie dann in der Zentrale an der Nordkanalstraße sein.
- Hamburger Helm AG plant größeren Stellenabbau
- Helm AG-Chef Schnabel: „Darum streichen wir 180 Stellen“
- Trotz Corona-Krise: So viele Lehrlinge wie nie bei Airbus
„Das vereinfacht den Kontakt der Teams untereinander“, sagt Gartz zur Begründung. Für die sinnvolle Umsetzung dieser Vorgaben seien letztlich die direkten Vorgesetzten verantwortlich. Kontrollen am Eingang oder Ähnliches gebe es aber keine. „Für uns ist das Wichtigste, dass das Arbeitsergebnis am Ende stimmt“, ergänzt Schnabel.