Hamburg. Bis zu 10.000 Roboter-Taxis sollen 2030 durch die Hansestadt rollen. Doch die technischen und rechtlichen Hürden sind noch hoch.

In Städten wie San Francisco, Phoenix/Arizona, Peking und Shenzhen gibt es sie schon, in Deutschland aber bisher nicht: Autonom fahrende Shuttle- und Taxiservices, wie sie für Hamburg geplant sind. In dieser Woche hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei einem Besuch in der Hansestadt den Startschuss für ein dreijähriges Versuchsprojekt gegeben, an dem unter anderem die Hochbahn und der Sammeltaxidienst Moia, eine Tochter des Volkswagen-Konzerns, beteiligt sind. Im Jahr 2030 könnten nach den bisherigen Planungen bis zu 10.000 fahrerlose Kleinbusse durch Hamburg rollen, hieß es.

Doch es sind noch hohe Hürden zu überwinden, bis die für Hamburg vorgesehenen Robo-Taxis tatsächlich vollautomatisch und ohne Sicherheitsfahrer an Bord auf den Straßen unterwegs sein können. Bisher ist so etwas in Deutschland jedenfalls noch nicht zugelassen.

Während man in der Branche vor einigen Jahren noch geradezu euphorisch war, was die Perspektiven des autonomen Fahrens angeht, hat angesichts der Herausforderungen zuletzt so etwas wie Ernüchterung eingesetzt. Dazu tragen auch einige Rückschläge im Ausland bei.

Selbstfahrende Autos in Hamburg: Robo-Taxi in San Francisco verursachte schweren Unfall

So hat die US-Verkehrsbehörde erst am vergangenen Mittwoch den Roboter-Taxis der zu General Motors gehörenden Firma Cruise nach zwei Zwischenfällen vorerst die Erlaubnis entzogen, ohne Sicherheitsfahrer in San Francisco Gäste zu befördern. Anfang Oktober ist eine Frau, die zunächst von einem anderen Auto angefahren worden war, unter ein Cruise-Fahrzeug geraten und von dem Wagen rund sechs Meter mitgeschleift worden.

Ende August war ein Cruise-Robo-Taxi an einer Ampelkreuzung bei grünem Licht angefahren, gleichzeitig lief aber ein Fußgänger vor das Auto. Trotz eines Bremsversuchs wurde er noch mit einer Geschwindigkeit von rund zwei Kilometern pro Stunde berührt.

Voraussetzung für einen komplett fahrerlosen Regelbetrieb, wie ihn Moia schließlich auch in Hamburg anstrebt, wäre eine Zulassung des Kraftfahrtbundesamts nach dem sogenannten Level 4. Auf dieser Stufe des autonomen Fahrens darf sich ein Auto auf bestimmten Streckenabschnitten oder innerhalb eines festgelegten Gebiets ohne Fahrer bewegen. Darüber kommt nur noch das Level 5, bei dem ein Fahrzeug auf beliebigen Strecken selbstständig agieren darf.

Tesla ist gar nicht so weit, wie der Autobauer gern vorgibt zu sein

Bislang allerdings liegt Mercedes mit einer Level-3-Zulassung für die S-Klasse und das Modell EQS an der Spitze. Das Level 3 erlaubt „hoch automatisiertes Fahren“, wobei aber ein Fahrer an Bord und potenziell in der Lage sein muss, das Steuer wieder zu übernehmen. Der amerikanische Elektroauto-Spezialist Tesla brüstet sich zwar gerne mit seinem „Autopiloten“, der ist jedoch lediglich auf Level 2 unterwegs – und er war immer wieder die Ursache mysteriöser Zwischenfälle.

„Von dem Stand, den wir in einigen Städten der USA und in China sehen, sind wir in Deutschland noch einige Jahre entfernt“, sagt der Branchenexperte Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Einen kommerziellen Betrieb von Shuttle-Bussen ohne Sicherheitsfahrer in Hamburg kann er sich allerdings für das Jahr 2027 vorstellen. „Ich glaube, dass bis dahin noch viele Erfahrungen gesammelt werden müssen.“

Moia strebt eine Zulassung für fahrerlosen Betrieb in Hamburg im Jahr 2026 an

Ähnlich vorsichtig schätzt der Branchenkenner Ferdinand Dudenhöffer die Situation ein. Er gehe davon aus, dass Level 4 in Deutschland mit Einschränkungen versehen wird – zum Beispiel einer radikalen Geschwindigkeitsbegrenzung, sagt der Direktor des Duisburger CAR Center Automotive Research im Gespräch mit dem Abendblatt. „In dieser Form könnte es schon vor dem Jahr 2030 kommen.“

Optimistischer ist man bei Moia, wo der von Volkswagen gebaute Elektro-Kleinbus ID. Buzz AD für den autonomen Betrieb vorgesehen ist. Er werde „das erste Serienfahrzeug auf Level 4 für den Einsatz im öffentlichen Nahverkehr gemäß der EU-Typgenehmigung sein“, sagt Firmensprecher David Gölnitz. „Die Zulassung ist bis 2026 angestrebt.“

Wie Gölnitz erklärt, verlangt die „Verordnung zur Genehmigung und zum Betrieb von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion“ (AFGBV) in festgelegten Betriebsbereichen eine „technische Aufsicht in Form einer natürlichen Person“, die in kritischen Fällen eingreifen kann. Das kann auch von außen aus einer Leitstelle erfolgen. Anfänglich werde die technische Aufsicht eine entscheidende Rolle spielen, damit die Fahrzeuge in unklaren Situationen nicht sofort am Fahrbahnrand anhalten müssen. „Es wird zudem die Möglichkeit geben, über die technische Aufsicht mit den Passagieren zu kommunizieren“, so Gölnitz.

Ford hat die Investitionen in Level 4 erst einmal gestoppt

Im texanischen Austin erprobt die Volkswagen-Nutzfahrzeugsparte, der Hersteller des ID. Buzz, bereits ausgiebig das selbsttätige Fahren mit seiner Robo-Taxi-Version mit dem Namenszusatz AD – das steht für „Autonomous Driving“, also „autonomes Fahren“.

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Dabei stieß man im vergangenen Jahr auf einen Stolperstein: Nach Milliardeninvestitionen in das Softwareunternehmen Argo AI, das die Technologie für das autonome Fahren entwickeln sollte, stiegen die beiden Gesellschafter Volkswagen und Ford aus dem Start-up aus. VW setzt nun auf die eigene Tochter Cariad.

Ford hingegen entschied, sich künftig erst einmal auf Level 2 und 3 zu beschränken. Denn Level 4 sei aus ihrer Sicht noch weit entfernt von der Marktreife. Auch in der deutschen Öffentlichkeit ist die Skepsis weit verbreitet. Wie eine Umfrage des Autoversicherers Huk-Coburg vom August ergab, würden 32 Prozent der Bundesbürger „unter keinen Umständen“ der Einführung autonom fahrender Autos zustimmen.