Hamburg. Genervte Fluggäste, wenig Pausen, Fehler können den Job kosten. Beschäftigte am Sicherheitscheck sagen, woran es hapert.
Es gibt Tage, an denen zieht sich die Warteschlange vor der Sicherheitskontrolle des Flughafens Hamburg bis vor das Terminalgebäude. Am Montag dauerte der Check für die Passagiere in der Spitze mehr als 60 Minuten. Teilweise waren es auch schon 90 Minuten. Das ist Stress für die Reisenden – aber auch für die Kontrolleure.
„Die Kolleginnen und Kollegen kriegen extremen Druck von den Passagieren“, sagt Günter Bender*. Er ist seit vielen Jahren am Helmut-Schmidt-Airport als Luftsicherheitsassistent tätig und Mitarbeiter des dafür zuständigen Dienstleisters FraSec. „Für viele Passagiere sind wir wie ein Hindernis auf dem Weg zum Flugzeug. Das wollen die so schnell wie möglich überwinden“, so Bender.
Flughafen Hamburg: Lange Wartezeit – das sagen die Kontrolleure
Ein manchmal rauer Ton in solchen Lagen bei einem grundsätzlich guten Miteinander sei auf der einen Seite verständlich. Schließlich hätten die Fluggäste Angst, ihren Flieger zu verpassen. Auf der anderen Seite wünscht er sich auch mehr Verständnis für die Situation der Kontrolleure. „Wir haben häufig mehrere Stunden lang durchgestanden. Das führt dazu, dass die Kollegen krank werden, weil sie fertig und ausgelaugt sind, nicht mehr können“, sagt Bender.
Üblicherweise sollen die Luftsicherheitsassistenten nach zwei Stunden eine Pause erhalten. Im Frühjahr hätten sie teilweise sechs Stunden lang durchgearbeitet. Das schlauche. Rücken- und Knieschmerzen sowie eine schlechte Blutzirkulation gelten als typische Folgen des langen Stehens.
Kontrolleure am Flughafen mussten zuletzt fünf Stunden durcharbeiten ohne Pause
Dann habe es eine Vereinbarung gegeben, dass man maximal drei Stunden ohne Pause arbeiten solle. Zunächst habe das funktioniert. Aber in den vergangenen Wochen seien es manchmal schon wieder mehr als fünf Stunden gewesen, sagt Elke Weiß*, die ebenfalls seit mehreren Jahren am Helmut-Schmidt-Airport als Luftsicherheitskontrolleurin arbeitet: „Gerade die älteren Kolleginnen und Kollegen sind echt im Eimer, wenn sie fünf Stunden durch stehen.“
An solchen Tagen fehle die Möglichkeit, im Rückzugsraum einen Kaffee zu trinken, etwas zu essen und notwendige Erholungspausen zu erhalten. Denn bei der Arbeit, insbesondere wenn man am Monitor die durchleuchteten Handgepäckstücke analysiert, müsse man hellwach sein, sagt Bender: „Es geht darum, dass man Gegenstände findet, die die Luftsicherheit bedrohen. Das sind im Zweifel Bomben. Da muss die Konzentration hoch sein.“
Jeder Kinderwagen müsse einem Sprengstofftest unterzogen werden
Weiß findet insbesondere auf den Außenspuren die Arbeit anstrengend. Dorthin kommen Familien mit Kindern und Rollstuhlfahrer. „Wir müssen an jedem einzelnen Kinderwagen und Rollstuhl einen Sprengstofftest machen und sie manuell kontrollieren“, sagt Weiß. Denn die Kinderwagen seien zu groß für die Durchleuchtungsanlagen.
Ohne den Einsatz von Technik und unter dem Zeitdruck durch nachrückende Passagiere sei die Gefahr größer, Fehler zu machen. Heißt: Gegenstände wie Messer oder eine pistolenähnliche Gürtelschnalle, die nicht in den Sicherheitsbereich gelangen dürfen, werden auch mal übersehen. Damit steigt das Risiko eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr, den die Kontrollen verhindern sollen.
Für Weiß ist das größte Problem bei ihrer Arbeit, dass man ständig unter Beobachtung sei. Zum einen von Vorgesetzten, von denen man sich mehr Respekt wünsche. Zum anderen von der Bundespolizei. Denn immer wieder gibt es Arbeitskontrollen. Die Bundespolizei führt auch regelmäßig Realtests durch. Dann müssen die Luftsicherheitsassistenten zum Beispiel in einem Koffer versteckte gefährliche Gegenstände finden. Und jeder Beschäftigte wisse, dass man Koffer so packen könne, dass man Sachen, die gefunden werden sollen, nicht finden kann, sagen Weiß und Bender.
Flughafen Hamburg: Kontrolleuren droht bei Fehlern Jobverlust
„Übersehen die Luftsicherheitskontrolleure verbotene Gegenstände, kann dies zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen – letztlich bis zum Verlust des Arbeitsplatzes. Da stehen potenziell ganze Lebensentwürfe und Existenzen auf dem Spiel“, sagt Lars Stubbe von Ver.di Hamburg. Und Bender ergänzt: „Wenn man arbeitslos wird, hat man keinen anerkannten Beruf im Sicherheitsgewerbe.“ Statt derzeit gut 20 Euro pro Stunde verdiene man dann nur noch auf Mindestlohnniveau.
Der Ver.di-Gewerkschaftssekretär der Fachgruppe Luftverkehr bestätigt die Einschätzung von Bender und Weiß über die Arbeitssituation. Insbesondere bei langen Wartezeiten sei die Belastung sehr hoch, die Stimmung angespannt, so Stubbe. Zum langen Stehen komme erschwerend der hohe Lärmpegel in der Halle hinzu.
Die Branche hat einen Personalmangel
Um die körperliche Belastung zu reduzieren, sollten die Beschäftigten „in gewissen zeitlichen Abständen zwischen Tätigkeiten wie Passagierbetreuung, Bildauswertung am Monitor und Rückführen der Kontrollwannen wechseln. Gerade Letzteres ist eine entlastende Tätigkeit, die zum Ausgleich gebraucht wird“, sagt Stubbe. Aber aufgrund gesetzlicher Regelungen dürfe ein Teil der Beschäftigten nicht alle Arbeiten ausführen, sodass es teils nicht zu dieser Entlastung komme.
Das dahinterstehende Hauptproblem ist ein anderes: die fehlenden Fachkräfte. „Grundsätzlich gibt es einen Personalmangel in der Branche. Während der Pandemie haben sich viele Beschäftigte eine andere Tätigkeit gesucht, bei der man nicht nachts um 2 Uhr aufstehen muss“, sagt Stubbe.
Mitarbeiterzahl am Flughafen Hamburg schrumpfte seit Corona deutlich
Vor Corona soll der damals zuständige Dienstleister fast 1000 Luftsicherheitskontrolleure in Fuhlsbüttel beschäftigt haben. Dann seien während der Luftfahrtkrise viele Beschäftigte freigesetzt worden. Im Februar 2022 übernahm FraSec das Geschäft von der Firma I-Sec und ihre etwa 600 Beschäftigte.
Mit dem Wiederanziehen der Passagierzahlen auf derzeit 80 bis 85 Prozent der Werte von 2019 ist das offenbar zu wenig. Wie viele Mitarbeiter das Unternehmen derzeit hat, beantwortet FraSec ebenso wenig wie andere aktuelle Fragen unserer Redaktion.
„FraSec bemüht sich durchaus Personal zu finden, weil es ja auch vertraglich verpflichtet ist, die Leistungen zu erbringen“, sagt Stubbe. Allerdings würden auch nicht alle neu Eingestellten die durchaus anspruchsvolle Ausbildung zum Luftsicherheitsassistenten bestehen. Das hat dann zur Folge, dass sie beispielsweise nur die Wannen zurückführen dürfen. Das Unternehmen räumte vor einiger Zeit ein, nicht genug Personal zu finden, aber mit Hochdruck an der Rekrutierung zu arbeiten.
Neuen Mitarbeitern fehlen Erfahrungswerte, sodass die Kontrolle länger dauert
Es seien viele neue Mitarbeiter eingestellt worden, sagt Bender: „Die geben häufiger ein Gepäckstück nach hinten zur Nachschau, um sicherzugehen. Das ist auch richtig so.“ Schließlich gehe die Sicherheit über alles. Allerdings dauert das Prozedere dann länger, sodass sich die Wartezeiten erhöhen. Verschärft werde dieses Problem durch die Abwanderung vieler erfahrener Kollegen.
In der ganzen Branche sei während der Corona-Krise zu viel Personal abgebaut worden, zum Beispiel auch beim Check-in. Für eine Verbesserung der Situation an der Sicherheitskontrolle sieht er alle in der Verantwortung. Vom Flughafen wünscht er sich, dass dessen Personal die Passagiere in der Schlange auf das Herausnehmen des Ein-Liter-Beutels mit den Flüssigkeiten und von elektronischen Geräten wie Tablets hinweist.
Kontrolleure kritisieren hohe Zahl an Handgepäckstücken
Die Fluggesellschaften sollten die Anzahl der Handgepäckstücke begrenzen, anstatt mit günstigeren Tarifen zu locken, wenn Fluggäste zwei Handgepäckstücke mit an Bord nehmen anstatt eines aufzugeben. „Handgepäck ist der Wahnsinn. Das sind so viele Koffer“, sagt Bender und schüttelt den Kopf. Das Reduzieren des Handgepäcks „würde massiv etwas bringen.“
Koffer sollten am Vorabend aufgegeben werden, Check-in-Schalter frühzeitig öffnen, so Bender: „Wir tun wirklich, was wir können.“ Zumal die Größe des Trupps an einer Kontrolllinie häufig statt regulär zwölf nur neun oder zehn Mitarbeiter umfasse.
Grundsätzlich spricht er sich aber dafür aus, dass die Luftsicherheitskontrollen zurück in staatliche Hand gehören. Schon vor den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York war diese Aufgabe an private Firmen mit Gewinnausrichtung ausgelagert worden. Das hält Bender ebenso für falsch wie der Ver.di-Sekretär.
Der Staat „hat die Aufgabe der Luftsicherheitskontrollen ausgelagert, weil er nicht so viel teure Polizisten bezahlen möchte. Die ganze Branche muss tarifvertraglich angehoben werden, dafür setzen wir uns ein“, sagt Stubbe. Das bedeute auch eine bessere Finanzierung der Dienstleistungen, so der Ver.di-Vertreter: „Das ist eine Bundesaufgabe.“
Neue CT-Scanner könnten für Entlastung sorgen, aber auch für Ärger mit Passagieren
Entlastung könnten die neuen CT-Scanner bringen. Sie sollen die Passagierabfertigung zügiger machen und erzeugen vom durchleuchteten Koffer ein dreidimensionales Bild. Es soll das Erkennen von Messern und Co. erleichtern sowie die Mitnahme an Bord von mehr als 100 Milliliter Flüssigkeit ermöglichen. Der erste dieser Scanner steht seit Anfang Oktober in Fuhlsbüttel.
Das Problem: Nur an der Kontrollspur vier darf die Ein-Liter-Flasche Wasser mitgenommen werden sowie der Laptop im Handgepäck bleiben. An allen anderen 17 Spuren mit den alten Geräten muss das Wasser entsorgt und der Laptop zeitaufwendig separat in die Kontrollwanne gelegt werden. Das sorge bei Passagieren für Unverständnis, hat Weiß nach wenigen Tagen festgestellt – und erhöhe das Potenzial für Ärger.
Luftsicherheitsassistent: „Die Leute feiern nicht krank“
Eins ist den beiden FraSec-Beschäftigten wichtig. Natürlich gebe es wie in allen Firmen Mitarbeiter, die auch gern mal den Joker des gelben Scheins ziehen. FraSec hatte als Grund für lange Wartezeiten in der Vergangenheit mehrfach viele Krankmeldungen angegeben. Aber: „Die Leute feiern nicht krank“, sagt Bender. Weiß sieht das ebenso und ergänzt, dass dies derzeit auch daran liege, dass das Unternehmen mit Prämienregelungen lockt. Wer mindestens 120 Vertragsstunden habe und seinen Dienstplan vom 11. bis 30. Oktober zu 100 Prozent erfüllt, erhalte eine Prämie von 200 Euro.
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Viele Mitarbeiter würden sogar stetig mehr als die vertraglich geregelte Arbeitszeit eingesetzt. Überplant heißt das. Dieser tarifvertraglich vorgesehene Passus sei aber nur als „Auffangmechanismus für Belastungsspitzen gedacht“, sagt Stubbe. Wenn er dauerhaft angewendet wird, erhöhe sich auch dadurch die Belastung der Mitarbeiter, gibt er zu bedenken.
Kontrolleurin hält auch in Zukunft lange Warteschlangen für möglich
Die meisten Leute kämen gern zur Arbeit, sagt Bender. Sie sei gut und mache Spaß, „sollte aber viel mehr wertgeschätzt werden. Aber das wünscht sich wohl jeder.“ Weiß, die noch einige Arbeitsjahre bis zum Ruhestand hat, sieht das ähnlich, lobt vor allem das tolle Klima unter den Kollegen. Sie sagt aber auch: „Wenn ich die Möglichkeit hätte, einen anderen Job zu machen, wäre ich weg“.
Den Passagieren macht sie für die Zukunft nur wenig Hoffnung auf ein Ende der langen Warteschlangen an der Sicherheitskontrolle. Zumal manchmal auch ganze Kreuzfahrtschiffe in der Planung vergessen würden, wie sie sagt. Zwar werde im Winter – abgesehen vom Weihnachts- und Silvesterverkehr – weniger gereist, aber Ausreißer mit langen Wartezeiten könnten weiterhin vorkommen, so Weiß: „Es kann immer wieder solche Tage geben.“
* Name von der Redaktion geändert