Hamburg. In dem beliebten Einkaufszentrum auf St. Pauli sind Fleischer, Biomarkt und Florist ausgezogen. Erste Nachrücker gibt es bereits.
Auf der Internetseite der Rindermarkthalle ist die aktuelle Misere noch nicht angekommen. Die Biomarkt-Kette Bio Company samt Backshop und Frischetheke ist dort mit Angebot und Öffnungszeiten gelistet, genau wie die Fleischerei Metzgers. Doch wer in diesen Tagen in dem Nahversorgungszentrum auf St. Pauli unterwegs ist, sucht diese Händler vergebens. Die Verkaufsflächen sind ausgeräumt, von der Decke baumelt ein Schild „Mich kannst du mieten“.
Es sind nicht die einzigen Leerstände unter dem historischen Dach. Auch der Blumenladen ist weg, genau wie ein Fischlokal, Fischerhemden Uwe, ein Laden mit Mode aus Alpakawolle wie auch schon länger das Corona-Impfzentrum. Was ist los in dem vor neun Jahren eröffneten Einkaufszentrum, in dem man sehr stolz auf das besondere Angebot für die Bewohner zwischen Reeperbahn, Marktstraße und Schulterblatt ist?
Einzelhandel Hamburg: Rindermarkthalle sucht dringend neue Mieter
„Es ist korrekt, dass wir für vier der aktuell fünf frei gewordenen Flächen neue Mieter suchen“, heißt es bei der Hausherrin der Rindermarkthalle, Edeka Nord, auf Anfrage des Abendblatts. Zu den Gründen, die zur Beendigung der Mietverhältnisse geführt hätten, wollte sich eine Firmensprecherin nicht äußern. Klar ist aber, es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis alle Flächen in dem Einkaufszentrum wieder belegt sind.
Feststeht bislang nur, dass Blume 2000 nahe dem Haupteingang umbaut und in den nächsten Wochen den bereits seit Längerem geschlossenen Blumenladen ersetzt.
„Wir sind an einer schnellen Wiedernutzung der frei gewordenen Flächen interessiert“, heißt es bei Edeka. Es gebe eine große Nachfrage nach den Flächen, und Gespräche mit möglichen Mietern liefen. „Bei der Nachbelegung sind wir allerdings bestrebt, die bestmöglichen Konzepte für diesen besonderen Standort auszuwählen.“
Einige weitere Veränderungen stehen inzwischen schon fest: In das Lokal Jolly Fisch ist der vietnamesische Streetfood-Imbiss Codo eingezogen. Die bisherigen Pop-up-Mieter Baklava deluxe und Oses Cigköfte haben in der vergangenen Woche auf der leeren Fläche von Fischerhemden Uwe eröffnet. Wo bislang Burger Bro seine Hamburger-Braterei betreibt, kommt kommende Woche Shanis African Snacks. Im November startet Avoury den Verkauf von Teemaschinen in einem eigenen Shop in der Rindermarkthalle. Hinter dem Konzept steht die Melitta Gruppe.
Rindermarkthalle auf St. Pauli: Früher Viehhandel, heute Einkaufszentrum
Die Rindermarkthalle war 2014 als Nahversorgungszentrum eröffnet worden. In dem Backsteinkomplex an der Feldstraße, der 1951 als eine der modernsten Rindermarkthallen Europas für Tausende Tiere errichtet worden war, waren seit Mitte der 1970er-Jahre verschiedene große Supermarktketten. Schon bevor der letzte Mieter, ein Real-Markt, 2010 auszog, fing der Streit um die Nachnutzung an. Letztlich hat die Stadt das Gebäude mit einer Fläche von 15.000 Quadratmetern übernommen und 15 Millionen Euro in Sanierung und Umbau gesteckt.
Im Erdgeschoss sind Einzelhandelsflächen, auf denen es zusätzlich zu den konventionellen Hauptmietern Edeka, Aldi und Budnikowsky in einer Art Markthalle eine Reihe individueller Händler und Gastronomen gibt. Im Obergeschoss stehen subventionierte Flächen für soziokulturelle Nutzungen zur Verfügung. Edeka hatte den Zuschlag für die Entwicklung des denkmalgeschützten Gebäudes erhalten. Schon von Anfang an gab es immer wieder Diskussionen um die Ausrichtung der Rindermarkthalle und häufige Mieterwechsel. Edeka hatte immer wieder betont, man sei von dem Projekt überzeugt und habe einen langen Atem.
In der aktuellen Situation erklärte das Unternehmen mit Sitz in Neumünster: „Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung dieses Standorts. Insbesondere mit Blick auf die Frequenzen, die bereits wieder auf Vor-Corona-Niveau liegen.“ Aktuell kommen nach den Angaben einer Firmensprecherin 65.000 Kundinnen und Kunden in der Woche in die Rindermarkthalle. Besonders stark ist der Sonnabend mit 15.000 Besucherinnen und Besuchern.
Der Betreibervertrag von der Edeka Nord mit der städtischen Sprinkenhof GmbH wurde mittlerweile zweimal bis 2029 verlängert, mit der Option für eine weitere Verlängerung. Auch die wichtigen Hauptmieter Edeka Center St. Pauli, das zur Gruppe der Edeka-Kaufmannsfamilie Meyer gehört, Budni und Aldi haben sich langfristig entschieden, am Standort zu bleiben.
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Dass aktuell gleich mehrere Flächen in dem Nahversorgungszentrum leer stehen, hat offenbar unterschiedliche Gründe. Dabei fällt der große Laden von Bio Company besonders ins Gewicht. Die Biomarktkette muss sparen und hatte im Frühjahr angekündigt, sich aus Hamburg zurückzuziehen. Vier der fünf Standorte in der Hansestadt übernimmt die regionale Biokette Erdkorn. Inhaber Samir Besic hatte von Anfang an erklärt, dass er die Filiale in der Rindermarkthalle wegen der großen Konkurrenz in dem Segment etwa durch Edeka und das Alnatura-Sortiment bei Budni nicht weiterbetreiben wolle. Bio Company hat nach einem Gewinneinbruch jetzt einen Schlussstrich für den Markt gezogen – obwohl der Mietvertrag nach Abendblatt-Informationen erst im Herbst 2024 endet.
Dagegen hat der Unverpacktladen Stückgut Ende August wieder geöffnet. Nach Insolvenz und Übernahme durch Konkurrent Muttels im vergangenen Jahr hatte die neue Inhaberin Viktoria Seidel einen neuen Mietvertrag am Standort unterschrieben und das Ladenlokal im Sommer umgebaut. Neu sind unter anderem ein kleiner Gastro-Bereich sowie der Verkauf von Tiefkühlprodukten, Obst und Gemüse.
Rindermarkthalle in Hamburg: Edeka-Händler beklagt Personalmangel
Trotz der Leerstände, des Wechsels und zu wartender weiterer Baustellen rund um ihr Geschäft schaut sie optimistisch in die Zukunft. „Das ist immer schwierig, aber im Moment ist vieles im Handel im Wandel“, so Seidel, die inzwischen vier Unverpacktläden betreibt. Sie habe Vertrauen in das Management, dass neue interessante Läden in die Rindermarkthalle einziehen.
Auch bei Platzhirsch Edeka überwiegt die Zuversicht. „Wir sind zufrieden an dem Standort“, sagt Kaufmann Jörg Meyer auf die Umsätze. Aus seiner Sicht ist das größte Problem im Einzelhandel aktuell der Personalmangel. Trotzdem, so der Lebensmittelhändler, mache er sich keine Sorgen um die Neuvermietung.