Hamburg. Die ersten Lebensmittelhändler reduzieren ihre Bedienangebote für Käse, Wurst und Fleisch. Es gibt gleich mehrere Gründe.

Wer sich im Edeka-Markt in der Hamburger Rindermarkthalle ein paar Scheiben Gouda fürs Frühstücksbrötchen oder ein frisch geschnittenes Steak fürs abendliche Grillen aus der Frischetheke einpacken lassen will, muss die Uhrzeit im Blick haben. Seit einiger Zeit wird dort in dem Supermarkt nur noch eingeschränkt bedient. „Wir haben morgens und abends insgesamt drei Stunden abgezwackt“, sagt Edeka-Kaufmann Jörg Meyer. Während der Laden auf St. Pauli bereits um 8 Uhr öffnet, geht es an der Serivcetheke von Montag bis Freitag erst um 10 Uhr los. Abends ist statt um 21 Uhr schon eine Stunde früher um 20 Uhr Schluss.

„Wir haben das in den vergangenen Wochen getestet“, sagt Meyer. Das Fazit: Der Bedarf der Kunden in den Randzeiten ist gering, die Umsatzverluste sind sehr begrenzt. Dafür entlastet der Einzelhändler seine Mitarbeiter. Besonders abends sorgt die Umstellung für Entspannung im Schichtplan. „Betriebswirtschaftlich ist das sinnvoll.“

Frischetheken in Hamburg schließen immer früher

Auch in einem zweiten Markt des Familienunternehmens in Pinneberg wird es nach dem Probelauf bei reduzierten Öffnungszeiten bleiben. Dort wird man nur noch bis 19 Uhr frisch aus der Theke bedient. Wie es in den anderen acht Standorten in und um Hamburg weitergeht, ist offen. „Aber die Grundsatzentscheidung ist gefallen: Die Bedienzeiten müssen geändert werden“, sagt der Kaufmann.

Fachkräftemangel, hohe Krankenstände, sinkende Umsätze und dazu noch die Urlaubszeit – nicht nur der Hamburger Edeka-Händler Meyer denkt über alternative Konzepte für seine Geschäfte nach. Bundesweit haben Supermärkte in den vergangenen Wochen den Betrieb ihrer Servicetheken mit frischem Käse, Salaten, Wurst, Fleisch und mancherorts auch Fisch zumindest zeitweilig eingeschränkt. Ein Rewe-Kaufmann aus Dortmund schließt das Bedienangebot seit einigen Wochen schon um 15 Uhr, ein anderer aus Bayern macht um 18 Uhr dicht.

In der Hansestadt gibt es etwa bei Edeka Bandelt im Einkaufszentrum Mercado in Ottensen schon seit November 2021 nach 20 Uhr nichts mehr frisch aus der Theke. „Es lohnt sich nicht, für zwei Kunden einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin hinzustellen“, sagt Inhaber Roy Bandelt. Beschwerden habe es nicht gegeben. Absehbar bleibt es bei der reduzierten Öffnungszeit. Auch Edeka Klein am Elbe Einkaufszentrum schließt den Bereich zwischen Montag und Donnerstag schon zwei Stunden, Freitag und Sonnabend eine Stunde vor Ladenschluss um 21 Uhr. In den vergangenen Monaten waren die Öffnungszeiten zeitweilig sogar noch drastischer gekürzt: auf 9 bis 18 Uhr.

Bei vielen Lebensmittelhändlern ist die Personaldecke sehr dünn geworden

Dass in den vergangenen Wochen vermehrt Kunden vor geschlossenen Bedientheken standen, zeigt nur, wie eng die Personaldecke bei vielen Händlern inzwischen ist. „Aktuell bemerken wir, dass einzelne Märkte die Öffnungszeiten der Bedientheken aufgrund von reduziertem Personal einschränken“, heißt es bei Edeka-Nord dazu. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass neben der aktuellen Urlaubszeit auch Krankheitsfälle wie Corona-Erkrankungen die Zahl der Beschäftigten weiter reduziere.

Edeka Järneke in Marmsdorf etwa musste den Frischwaren-Verkauf an einem Tag schon um 16 Uhr stoppen. „Inzwischen läuft es wieder normal“, sagt Inhaberin Sabine Järneke. Bei Edeka Petersen am Baakenhafen in der HafenCity war der Servicebereich für zwei Wochen nur in der Kernzeit von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Und auch Edeka Niemerszein hat das Angebot tageweise reduziert.

Die Situation trifft alle Handelsketten, die als Vollsortimenter auch Servicetheken bieten. Die Auswirkungen an den jeweiligen Standorten sind allerdings unterschiedlich, wie eine Stichprobe des Abendblatts ergab. So bekamen Kunden im Markant-Markt in der Gordonstraße im Hamburger Stadtteil Langenbek vorübergehend schon ab 14 Uhr nichts mehr aus der Frischetheke. Zuletzt wurde man in dem Geschäft, das wie die Famila-Märkte zum Handelsunternehmen Bartels-Langness mit Sitz in Kiel gehört, bis 17 Uhr bedient.

100-Euro-Gutschein für die Vermittlung von neuen Mitarbeitern

Ab dem heutigen Montag soll der Service wieder bis 20 Uhr verfügbar sein, erklärte ein Unternehmenssprecher. Nach seinen Angaben waren die Famila-Standorte in Hamburg und Umgebung nicht von Service-Ausfällen betroffen. Eine Sprecherin von Rewe-Nord erklärte, dass „die Bedienungszeiten der Frischetheken schon immer marktindividuell und im Regelfall nicht übereinstimmend mit den Spätöffnungszeiten“ angeboten würden. „In Ausnahmefällen kann es punktuell auch mal zur Reduzierung kommen, diese sind aber nicht häufiger vorgekommen.“

Besonders im Lebensmittelhandel wird es immer schwieriger, freie Stellen zu besetzen. Fachkräfte für den Thekenbereich sind fast überall Mangelware. Das zeigt das Beispiel eines lokalen Händlers in Westfalen, der mit Handzetteln Kunden aufruft, Beschäftigte für die Fleischtheke in seinen 215 Verbrauchermärkten zu vermitteln. Als Prämie verspricht er einen 100-Euro-Einkaufsgutschein. „Wir möchten unsere Thekenzeiten nicht begrenzen oder gar auf SB-Fleisch umsteigen“, heißt es in dem Aufruf. Die Aktion läuft noch bis zum 30. September. Eine Anfrage zur Resonanz blieb unbeantwortet.

Auch in Hamburg werden Mitarbeiter gesucht. „Noch kommen wir klar“, sagt Andrea Wien, Mitinhaberin von Edeka Niemerszein und Tochter von Firmengründer Dieter Niemerszein. Aber selbst der bekannte Händler mit neun Standorten in Hamburg hatte die Frischetheke am Standort in Pöseldorf in den vergangenen Wochen an einigen Tagen eine Stunde früher dicht machen müssen.

Wenn die „Babyboomer“ in Rente gehen, fehlt noch mehr Personal

„Wir versuchen, das zu vermeiden, helfen uns in unseren Märkten gegenseitig“, sagt Wien. Das Thema sei gerade in der Branche immer mehr in der Diskussion. „Wir haben aber noch keine Entscheidung getroffen.“ Das liegt auch daran, dass in ihren Geschäften in der Regel der Platz nicht ausreiche, um eine Selbstbedienungsauslage mit der gewohnten Sortimentsvielfalt als Alternative anzubieten. Dazu kommt, dass im SB-Angebot für kleinste Mengen viel Verpackung anfalle. „Wir wollen den gewohnten Service für unsere Kunden aufrechthalten. Wie lange wir das durchhalten können, wissen wir nicht“, so Andrea Wien.

Edeka-Kaufmann Meyer dagegen will weiter ausprobieren, welche neue Lösungen es für die Zukunft geben könnte. Klar ist: Kunden werden sich umstellen müssen. „Wir sind beim Fachkräftemangel erst am Anfang“, sagt er. In den nächsten Jahren werden mit den sogenannten Babyboomern deutlich mehr Beschäftigte in Rente gehen, als nachkommen. „Wir brauchen flexiblere Möglichkeiten, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzusetzen.“

Statt der bekannten Frischetheke, hinter der die Beschäftigten den ganzen Tag festhängen, könne er sich etwa für den Käse-Verkauf auch einen frei stehenden Servicestand vorstellen, an dem Kunden direkt angesprochen werden und Probierangebote gemacht werden. „Wenn gerade niemand kommt, kann die Person auch etwas anderes erledigen.“