Hamburg. Tobias Bergmann wurde mit 54 von 58 Stimmen gewählt. Wird nun das Gehalt des Hauptgeschäftsführers gekürzt?

Darüber konnte Tobias Bergmann sich wie ein Kind freuen: „Ich hab den Schlüssel“, frohlockte er und hielt das entsprechende Objekt triumphierend an einem grünen Kunststoffanhänger hoch. Gemeint ist der Schlüssel zur Handelskammer. In der gerade beendeten Sitzung ist Bergmann vom Plenum zum neuen Präses der ehrwürdigen Institution gewählt worden – mit 54 von 58 Stimmen. Das Bündnis „Die Kammer sind wir!“, dessen Sprecher Bergmann ist, stellt jedoch 55 Plenumsmitglieder.

Die fehlende Stimme verdarb dem Anführer der sogenannten Kammer­rebellen aber nicht die fast überschäumend gute Laune. Auch sein Humor litt darunter nicht. Als Bergmann bei einer der ersten Abstimmungen des neuen Plenums um Handzeichen für eventuelle Gegenstimmen bat, fragte er: „Gibt es hier Rebellen im Raum?“

Tobias Bergmann ist der 234. Präses der Handelskammer

Auch die sechs weiteren Kandi­daten für das Präsidium wurden mit großer Mehrheit gewählt. Es sind Kai Elmendorf (54 Stimmen), Geschäftsführender Gesellschafter der Kornbrennerei E.F. Elmendorf, Johann Killinger­ (52 Stimmen), Geschäfts­führender Gesellschafter des Hafenunternehmens Buss Group, André Mücke­ (53 Stimmen), Geschäftsfüh­render Gesellschafter der Schulmarketing-Agentur DAS youngstar, Diana Rickwardt (54 Stimmen), Geschäftsführende Gesellschafterin der Marketingagentur feinbrand, Christine Stumpf (51 Stimmen), Inhaberin und Geschäftsführerin des Designer-Portals cimono, und Torsten Teichert (53 Stimmen), Chef des Emissionshauses Lloyd Fonds.

Kommentar: Rebellen müssen jetzt liefern

Der Unternehmensberater Tobias Bergmann ist der 234. Präses in der 352 Jahre langen Geschichte der Handelskammer. Das klingt nach Routine. Doch mit Bergmann soll vieles anders werden – und manches ist es schon: Seinem spektakulären Sieg bei den Kammerwahlen im Februar war erstmals so etwas wie ein echter Wahlkampf vorangegangen. Die Wahlbeteiligung lag denn auch mit 17,6 Prozent fast doppelt so hoch wie bei der vorangegangenen Plenarwahl im Jahr 2014.

Erstmals war die Öffentlichkeit bei der Vollversammlung dabei

Gleich nach der Kür des neuen Präsidiums am Donnerstag gab es eine weitere Premiere. Getreu dem Versprechen von Bergmann und seinem Bündnis „Die Kammer sind wir!“, in der Wirtschaftsvertretung mehr Transparenz zu schaffen, war in der monat­lichen Vollversammlung erstmals die Öffentlichkeit einschließlich der Medien zugelassen.

Bisher hatten außer den gewählten Plenariern nur Handelskammer-Mitglieder nach vorheriger Anmeldung Zutritt. Damit beginnt für die Kammer nach eigenen Angaben „eine neue Ära“. Allerdings soll es die Möglichkeit geben, bei der Behandlung einzelner Punkte die Öffentlichkeit auszuschließen. Nach Freigabe durch das Plenum sollen zudem die Sitzungsprotokolle künftig im Internet veröffentlicht werden. Bisher wurden die Protokolle lediglich ins interne Netz der Handelskammer eingestellt.

Bergmann spricht von einem „guten Start“

„Was wir hier beschließen, gibt es in keiner anderen Handelskammer“, sagte Kai Elmendorf. „Wir wollen keine Hinterzimmerpolitik machen.“ Dies veranlasste Haspa-Chef Harald Vogelsang, einen der lediglich drei nicht den „Kammerrebellen“ angehörenden Plenumsmitglieder, zu einer Wortmeldung: „Ich bin nicht der Meinung, dass ein gewähltes Gremium wie das Kammerplenum Hinterzimmerpolitik gemacht hat.“ Vogelsang stimmte dem Transparenz-Antrag aber zu. Auch der Antrag, im Herbst 2017 einen „Digitalisierungsgipfel für die duale Berufsausbildung“ zu veranstalten, ging ohne Gegenstimme durch.

„Ich denke, das war ein guter Start“, sagte Bergmann nach der Sitzung­. Damit seien drei der sechs Wahlversprechen des Bündnisses – einschließlich der Einstellung der Finanzierung der Festveranstaltung „Morgensprache“ – bereits abgehakt. „Dieses Tempo werden wir nicht halten können“, flachste der neue Präses.

Die selbst gesetzte 100-Tage-Frist der Rebellen läuft

Ab Freitag läuft nun die Frist von 100 Tagen, die sich Bergmann und seine Mitstreiter für die Erfüllung ihres zentralen Wahlversprechens gesetzt hatten: die Abschaffung der Zwangsbeiträge vom Jahr 2020 an und die Einführung eines freiwilligen Beitragssystems für die 166.000 Mitgliedsunternehmen. Innerhalb der 100-Tage-Frist will sich Bergmann auch mit einer heiklen arbeitsrechtlichen Frage beschäftigen: Der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer soll künftig so viel verdienen wie der Wirtschafts­senator, also rund 150.000 Euro im Jahr. Hans-Jörg Schmidt-Trenz, der bereits seit 1996 das Amt des Hauptgeschäftsführers innehat, bekommt aber etwa 500.000 Euro – und sein Vertrag läuft bis 2019. Sollte man die Zusammenarbeit mit ihm kurzfristig beenden wollen, würde das vermutlich teuer.

Bergmann selbst hat schon angekündigt, dass er finanzielle Abstriche machen müsse. Für das Amt des Kammer-Präses gibt es kein Geld, es ist aber durchaus zeitaufwendig. Daher wird Bergmann nach eigenen Worten seine Beratungsagentur Nordlicht nur noch in Teilzeit führen können.