Hamburg. Das aus der „Höhle der Löwen“ bekannte Start-up wird Teil eines isländischen Unternehmens. Wie es jetzt mit der App weitergeht.

Die letzten Monate waren für das Hamburger Start-up aidhere nicht nur emotional eine Berg-und-Tal-Fahrt: Am 1. August hatte das Amtsgericht Hamburg das Insolvenzverfahren für das aus der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ bekannte Unternehmen eröffnet – und damit praktisch das Aus besiegelt. Zwei Tage später konnten die Gründer, Beschäftigten und Kunden des Tech-Unternehmens, das hinter der Annehm-App zanadio steht, wieder hoffen. Es hatte sich ein Investor gefunden, der zur Übernahme bereit war. Der Name: geheim.

Nun ist das Geheimnis gelüftet: Die Hamburger gehören künftig zur Sidekick Health, einem Anbieter digitaler Therapeutika mit Hauptsitz in Reykjavik. „Mit der Integration von aidhere erweitert Sidekick sein Produktportfolio und steigt in den Markt verschreibungspflichtiger Therapeutika ein“, heißt es in einer Mitteilung, die dem Abendblatt vorliegt.

Abnehm-App zanadio: So geht es für die Kunden weiter

Die wichtigste Nachricht für mehrere Zehntausend Kunden der Abnehm-App: „Die digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zanadio bleibt wie gewohnt verordnungsfähig und uneingeschränkt nutzbar“, so die neuen Eigentümer. Nach eigenen Angaben ist Zanadio heute mit mehr als 50.000 Verordnungen die bisher meistgenutzte digitale Gesundheitsanwendung. Darüber hinaus sollen weitere neue DiGA entstehen.

Gegründet worden war das Unternehmen 2019. Psychologin Nora Mehl hatte sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit mit dem Thema Adipositas beschäftigt und das Potenzial für eine Praxisanwendung erkannt. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsingenieur und Unternehmensberater Henrik Emmert und Wirtschaftswissenschaftler Tobias Lorenz entwickelte sie die Abnehm-App zanadio, die nach eigenen Angaben auf verhaltenstherapeutischen und neurowissenschaftlichen Erkenntnissen basiert.

Krankenkassen halbierten Erstattungen für die App auf Rezept

Faktisch führt die App eine Art Tagebuch, zählt Kalorien, gibt Tipps für gesündere Ernährung und motiviert zu Bewegung. Langfristig sollen so Verhaltensänderungen erreicht werden – und eine stabile Gewichtsreduzierung jenseits von üblichen Diäten. Im Oktober 2020 hatte aidhere als eines der ersten Unternehmen eine Zulassung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erhalten.

Zwar fanden die Gründer in der „Höhle der Löwen“ keinen Investor, aber auf anderen Wegen. Und Zanadio erwies sich als wirtschaftlich erfolgreich, weil viele Krankenkassen die Kosten teilweise übernahmen. Anfangs fast 500 Euro pro Monat, dieser Satz allerdings wurde später und rückwirkend auf 218 Euro pro Monat reduziert. Das brachte aidhere in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten und führte letztlich zur Insolvenzanmeldung.

Schon Anfang August hatte Insolvenzverwalter Matthias Wolgast von der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Münzel & Böhm erklärt, dass „nach langen Verhandlungen eine hervorragende Lösung für das Unternehmen aidhere erreicht worden“ sei. Nun sind alle Verträge unterschrieben und die Perspektive abgesteckt.

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Den Angaben zufolge schafft Sidekick einen neuen Geschäftsbereich für verschreibungspflichtige Therapeutika. Dessen Leitung wird aidhere-Gründer und Geschäftsführer Henrik Emmert übernehmen. Auch seine Co-Gründer Tobias Lorenz und Nora Mehl werden bei Sidekick Health beschäftigt sein, beide weiterhin in leitender Funktion. Die 130 Mitarbeitenden der bisherigen aidhere GmbH werden ebenfalls von Sidekick übernommen. Die neue Business Unit wird weiterhin in Hamburg angesiedelt sein.

Abnehm-App: Jetzt sollen sogar neue Stellen geschaffen werden

Insgesamt beschäftigt das Sidekick Health damit mehr als 250 Mitarbeiter. Insbesondere in den Bereichen Technologie-Entwicklung und Vertrieb sollen neue Stellen geschaffen werden. „Die Akquisition sichert die Zukunft von zanadio und unterstreicht unsere gemeinsame Vision einer patientenzentrierten Gesundheitsversorgung. Gemeinsam werden wir die Innovation im deutschen Gesundheitswesen vorantreiben und es zugänglicher und fortschrittlicher gestalten”, sagte Tryggvi Thorgeirsson, Co-Gründer und Geschäftsführer von Sidekick Health.