Hamburg. Nur noch eine „Verdiener-Elite“ kann sich hier ohne Erbschaft ein Reihenhaus leisten. Welche Folgen das für die Gesellschaft hat.

Umfragen kommen immer wieder zu diesem Ergebnis: Eine deutliche Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger würde am liebsten in den eigenen vier Wändenwohnen – und bei den 18- bis 24-Jährigen ist dieser Wunsch überraschenderweise sogar besonders ausgeprägt.

Doch die Realität sieht ganz anders aus. In Hamburg liegt die Wohneigentumsquote, also der Anteil der Haushalte, die in selbst genutztem Eigentum leben, gerade einmal bei 20,1 Prozent, weit unter dem Bundesschnitt von 42 Prozent.

Immobilie Hamburg: Aus der Traum vom Eigenheim für jüngere Generation?

Vor allem aber scheint es, als nehme für junge Menschen die Wahrscheinlichkeit, sich den Traum vom Eigenheim erfüllen zu können, immer noch weiter ab. So ist für den Neubau eines Reihenhauses mit 95 Quadratmetern Wohnfläche in Hamburg nach Berechnungen des Pestel-Instituts neben einem Eigenkapital von mindestens 53.000 Euro ein Haushaltsnettoeinkommen von 6800 Euro pro Monat erforderlich. Damit sei ein solches Vorhaben nur noch für eine „Verdiener-Elite“ realisierbar, so Institutsleiter Matthias Günther.

Das war nicht immer so. In den 1960er-Jahren war in Hamburg auch für den unteren Mittelstand, zum Beispiel für einen Briefträger und seine Familie, ein kleineres Reihenhäuschen mit Garten in Stadtteilen wie Lokstedt oder Niendorf durchaus erschwinglich. Heute könnte selbst ein gut verdienendes Akademikerpaar, das die gleiche Immobilie erwerben wollte, an seine finanziellen Grenzen stoßen, wenn nicht zum Beispiel durch eine Erbschaft noch ein ordentliches Eigenkapitalpolster zur Verfügung steht.

Traum vom Eigenheim: Laut Studie sinkt Anteil derer, die es sich leisten können

In die gleiche Richtung weist eine Studie des Forschungsinstituts Empirica und der Landesbausparkassen. Demnach ist schon im zurückliegenden Jahrzehnt der Anteil der Mieterhaushalte, die sich rein rechnerisch Wohneigentum leisten könnten, bundesweit kontinuierlich von 8,7 Prozent auf nur noch 4,8 Prozent gesunken – und das war noch vor dem drastischen Bauzinsanstieg des vergangenen Jahres.

„Große Teile der Gesellschaft werden heute strukturell davon ausgeschlossen, Wohneigentum zu erwerben“, sagt dazu der Hamburger Ökonom Henning Vöpel, bis Oktober 2021 Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) und jetzt Leiter des Centrums für Europäische Politik (cep). Für ihn ist es nicht erstaunlich, dass dieses Problem vor allem Metropolen wie Hamburg betrifft: „Die wirtschaftliche Aktivität konzentriert sich immer stärker auf wenige große Städte beziehungsweise Ballungsgebiete.“

Immobilie kaufen: In Metropolen wie Hamburg besonders schwierig

Wenn hohe Einkommen immer häufiger nur noch dort erzielbar seien, ziehe das entsprechend viele Menschen an – mit der Folge, dass die Immobilienpreise und die Mieten überdurchschnittlich zulegen. „Gleichzeitig verschlechtern sich die Lebensbedingungen auf dem Land und in kleineren Städten“, so Vöpel: Der Einzelhandel zieht sich zurück, die ärztliche Versorgung wird ebenso lückenhaft wie der öffentliche Nahverkehr.

Schwindende Aussichten auf die eigenen vier Wände bei jüngeren Menschen stellen allerdings keineswegs nur eine individuelle Härte dar, sie haben auch gesellschaftliche Folgen. Denn Wohneigentum bietet unter anderem Sicherheit für das Alter. „Junge Arbeitnehmer verstehen die aktuelle Entwicklung am Immobilienmarkt so, dass ihnen der Zugang zu dieser Form von Sicherheit versperrt wird“, sagt Vöpel. Dies kann sich nach seiner Auffassung sogar in den politischen Präferenzen und damit im Wahlverhalten bemerkbar machen. „Diesen Zusammenhang sollten Politiker erkennen und entsprechend handeln.“

Zudem zementiert die abnehmende Chance auf das aus eigener finanzieller Kraft erworbene Eigenheim die soziale Ungleichheit – wahrscheinlich aber verschärft es sie noch. „Wir sehen eindeutig, dass sich zumindest die Vermögensungleichheit seit Jahren verstärkt“, erklärt der Ökonom. Wie Daten aus den verschiedenen europäischen Ländern zeigen, besteht ein klarer Zusammenhang zwischen den jeweiligen Eigentumsquoten und der Härte der Kontraste zwischen Arm und Reich.

Immobilie Hamburg: Wer neues Eigenheim bezieht, macht benötigte Mietwohnung frei

„Diejenigen Länder mit einer niedrigen Wohneigentumsquote (wie Österreich oder Deutschland) weisen auch die höchste Nettovermögensungleichheit auf“, heißt es in einer wissenschaftlichen Studie für die Bundesbank. Besonders in südeuropäischen Staaten liegen die Eigentumsquoten sehr viel höher als in Deutschland: Griechenland und Portugal kommen auf mehr als 70 Prozent, in Spanien sind es sogar mehr als 80 Prozent.

Um nachhaltig den Druck auf die Immobilienmärkte von Metropolen wie Hamburg zu verringern, sei es wichtig, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Mittelzentren wie Schwerin oder Braunschweig zu verbessern, sagt Vöpel. „Aber solche Investitionen in die Infrastruktur wirken erst langfristig, das bringt für Hamburg keine schnelle Entlastung.“

Auf kürzere Sicht werde es wohl kaum eine andere Möglichkeit geben, als den Wohnungsbau noch stärker zu fördern und manche behindernde Vorschriften fallen zu lassen, meint der Ökonom. Dabei besteht ganz klar ein Zusammenhang zwischen den Märkten für Wohneigentum und für Mietwohnungen. „Wir brauchen Anreize zur Eigentumsbildung, um den Mietmarkt zu entspannen“, sagt Carl-Christian Franzen, stellvertretender Vorsitzender des Immobilienwirtschaftsverbands IVD Nord in Hamburg. Denn wer ein neues Eigenheim bezieht, macht eine dringend benötigte Mietwohnung frei.

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Kaum irgendwo sonst in Deutschland ist die Anspannung so groß wie in Hamburg: Zuletzt war die Leerstandquote im Geschosswohnungsbau hier mit 0,4 Prozent die niedrigste im gesamten Bundesgebiet, deutschlandweit liegt diese Quote bei 2,8 Prozent.

Immobilie Hamburg: Das eigene Verhalten spielt auch eine große Rolle

Hamburg schaffe die Grundlagen für mehr bezahlbaren Wohnraum, indem unter anderem „die Genehmigungsprozesse vereinfacht und beschleunigt“ würden, heißt es von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. Zudem stelle man über die bezirklichen Wohnungsbauprogramme und große Entwicklungsmaßnahmen wie Oberbillwerder und Wilhelmsburg neue Grundstücke zur Verfügung.

Behördensprecher André Stark verweist darüber hinaus auf zinsgünstige Darlehen für den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums durch Familien und die Betriebswohnungspläne großer Hamburger Unternehmen. „Somit bieten sich der Bau- und Immobilienbranche jetzt wieder vermehrt Möglichkeiten, neben dem geförderten Wohnungsbau auch frei finanzierte Projekte zu realisieren.“

Allerdings liegt es gelegentlich auch am eigenen Verhalten, wenn der Kauf einer eigenen Immobilie in weite Ferne rückt: „Die Menschen wünschen sich nach wie vor Wohneigentum, aber sie leben nicht danach“, sagt Vöpel. So bleibe man länger Single als in früheren Jahrzehnten und erlange damit erst viel später ein hohes Haushaltseinkommen. Außerdem hätten sich die persönlichen Konsumpräferenzen verändert: „Es fällt heute schwerer, auf einen vergleichsweise kostspieligen Urlaub zu verzichten, nur weil man ja eigentlich auf das Eigenheim spart.“