Hamburg. Erste Anbieter in Hamburg verlangen nur noch 8 Cent pro kWh. Verbraucherschützer sagen, was Kunden jetzt unbedingt tun sollten.

Es ist gerade mal ein Jahr her, da waren die Füllstände der deutschen Erdgasspeicher ein beherrschendes Thema in der öffentlichen Debatte hierzulande. Sorgenvoll wurde über eine drohende Gasmangellage in einem kalten Winter diskutiert, und allenthalben waren Warnungen zu hören, Menschen mit geringem Einkommen, könnten sich das Heizen ihrer Wohnungen womöglich bald kaum noch leisten.

Kurz vor Beginn der Heizperiode 2023 wird über all dies kaum noch geredet. Die Großhandelspreise für Erdgas betragen heute nur noch wenig mehr als ein Zehntel dessen, was im August 2022 verlangt wurde. Private Endverbraucher zahlen zwar immer noch etwa doppelt so viel für eine Kilowattstunde (kWh) Heizenergie aus Erdgas wie 2021 – aber eben auch spürbar weniger als vor Jahresfrist. Bei den günstigsten Anbietern kostet eine kWh inzwischen weniger als 9 Cent.

Energiekosten: Gaspreise fallen – doch bald steigen sie schon wieder

Wie aber wird sich der Gaspreis absehbar entwickeln? Sollten private Verbraucher jetzt zu einem günstigeren Anbieter wechseln und sich langfristig an ihn binden oder auf weiter fallende Preise setzen? Was raten Verbraucherschützer? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Heizen mit Erdgas.

Wie hoch sind die Gaspreise für private Verbraucher in Hamburg aktuell?

Das Vergleichsportal Verivox hat Mitte vergangener Woche für das Abendblatt eine Übersicht über die Tarife der großen und der günstigsten Anbieter erstellt, die in Hamburg Gas liefern (siehe Grafik). Sie zeigt: Bei den Cent-Preisen pro Kilowattstunde steht für Neukunden teils bereits wieder eine 8 vor dem Komma. Im vergangenen Jahr waren es zeitweise mehr als 35 Cent gewesen. Umgerechnet auf den Jahresverbrauch einer Familie von 18.000 kWh inklusive der Grundkosten ermittelte Verivox bei den neun untersuchten Anbietern eine Preisspanne zwischen 1630,65 und knapp 2115 Euro pro Jahr. So sieht die Rangliste aus:

  • Maingau Energie (Tarif Gas Komfort): 1630,65 Euro/Jahr
  • Goldgas (natürlich 12): 1630,65 Euro/Jahr
  • Yippie (Happy Yippie): 1649,37 Euro/Jahr
  • Extraenergie (Gas Bonus): 1651,88 Euro/Jahr
  • Energieversorgung (EVD Gas Bonus): 1652,00 Euro/Jahr
  • E.on (Erdgas Öko): 1731,31 Euro/Jahr
  • Vattenfall (Easy 12 Gas): 1847,80 Euro/Jahr
  • Hamburg Energie (Alsterufer): 1937,64 Euro/Jahr
  • Lichtblick (ÖkoGas Komfort): 2114,87 Euro/Jahr

Die großen Vergleichs- und Wechselportale Verivox und Check24 ermitteln derzeit bundesweite Durchschnittspreise pro kWh von 11,9 Cent und 11,3 Cent. Damit liegen sie unter der Gaspreisbremse von 12 Cent pro kWh.

Wie teuer ist Gas aktuell im Grundversorgertarif?

In der Grundversorgung ist Energie oft teurer als die Tarife anderer Anbieter. „Obwohl es aktuell zu Preissenkungen bei Grundversorgern kommt, liegen immer noch knapp 70 Prozent der Gastarife oberhalb der Preisbremse“, sagt Steffen Suttner, der Energiechef von Check24. In Hamburg ist das jedoch anders. In der Hansestadt ist E.on Energie der Gasgrundversorger. Das Unternehmen hat den Tarif am 1. September gesenkt. Es gibt derzeit Kosten von 10,05 Cent pro kWh und einen Grundpreis von 84,36 Euro pro Jahr. Das ist weniger als im E.on-Tarif Erdgas Öko mit einer Preisgarantie bis Ende März 2025.

Wie werden sich die Gaspreise absehbar entwickeln?

Das ist ebenso schwer zu prognostizieren wie die Entwicklung der Benzinpreise. Ob und wie stark die Großhandelspreise und in der Folge auch die Endkundenpreise im Winter wieder steigen, hängt wesentlich auch davon ab, ob es hierzulande einen harten Winter gibt und ob die Versorgung unter anderem mit Flüssiggas (LNG) verlässlich funktioniert. Die Bundesnetzagentur verweist in ihrem jüngsten Bericht von Mitte September darauf, dass die Gasflüsse stabil und die Speicher gut gefüllt seien. Der Verbrauch habe zuletzt um gut ein Fünftel unter dem in den Jahren 2018 bis 2021 gelegen. Die Prognose der Agentur lautet dennoch: „Unternehmen und private Verbraucher müssen sich weiterhin auf schwankende Preise und ein höheres Preisniveau einstellen.“ Bernd Eilitz vom Netzbetreiber Gasnetz Hamburg sagt: „Die Haushalte in Hamburg werden auch im kommenden Winter Gas sparen müssen.“

Warum droht schon Anfang 2024 eine kräftige Preiserhöhung?

Unabhängig davon, wie gut die Versorgungslage und wie hoch der Verbrauch sein werden, ist schon jetzt klar, dass die Bundesregierung die staatlichen Abgaben auf Gas in naher Zukunft erhöhen wird – und damit den Preis für Endverbraucher wieder nach oben treibt. Zunächst sollen zum 1. Oktober zwar zwei Gasumlagen entfallen, was nach Berechnungen von Verivox dazu führen kann, dass der Preis um knapp 130 Euro im Jahr für eine Familie sinkt. Allerdings müssen die Anbieter dies nicht zwingend an Bestandskunden weitergeben. Anders wird es beim CO₂-Preis auf Gas laufen, der Anfang 2024 steigt. Den Gaspreis noch stärker nach oben treiben wird die Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf die Heizenergie. Derzeit sind es nur 7 Prozent. Ursprünglich sollte das bis Ende März 2024 so bleiben.

Doch nun soll die Mehrwertsteuer bereits zum 1. Januar wieder angehoben werden. Die Jahreskosten einer Familie dürften daher um mehr als 200 Euro wachsen. Davor schützt auch kein Vertrag mit Preisgarantie. „Einzige Ausnahme sind Verträge mit absoluter Preisgarantie. Aber die werden kaum noch angeboten“, sagt Jan Bornemann, der Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Begründung des Wirtschaftsministeriums, das die frühere Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz vorantreibt: Die Marktpreise für Gas seien schneller und stärker gesunken als erwartet, die Subvention sei nicht mehr notwendig.

Was raten Verbraucherschützer privaten Gaskunden jetzt?

„Wir haben zuletzt eine deutliche Entspannung bei den Preisen gesehen. Auch wenn sie gegenüber 2021 immer noch vergleichsweise hoch sind, sollte man sich grundsätzlich umschauen, ob man einen günstigeren Vertrag abschließen kann“, sagt der Hamburger Verbraucherschützer Bornemann. Seine Kollegin Amelie Vogler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen geht noch einen Schritt weiter. „Der bevorstehende Beginn der Heizperiode ist ein guter Zeitpunkt, um zu wechseln“, sagt sie angesichts der gefallenen Preise.

Aus Sicht von Bornemann sollten Verbraucher in jedem Fall prüfen, bis wann ihr aktueller Liefervertrag noch läuft, ab wann ein Wechsel möglich ist. Und bei der Auswahl eines neuen Anbieters solle man nicht allein auf den niedrigsten Preis pro Kilowattstunde schauen. „Insbesondere für Kunden mit geringem Verbrauch ist die Höhe des Grundpreises wichtig“, sagt er. So könne der E.on-Grundversorgertarif in Hamburg mit gut 84 Euro Jahresgrundpreis für Geringverbraucher durchaus attraktiv und die übers Jahr gesehen günstigste Lösung sein, obwohl beim Centpreis pro Kilowattstunde eine 10 vor dem Komma steht, nicht eine 8.

Wie schnell kommt man aus seinem aktuellen Gasvertrag heraus?

Für Kunden im Grundversorgertarif ist es einfach. Sie können jederzeit schriftlich und mit einer Frist von zwei Wochen kündigen und zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Komplizierter ist es für Verbraucher, die noch mitten in einem längerfristig laufenden Vertrag mit Preisgarantie stecken. Rechtlich ist da kaum etwas zu machen. Verbraucherschützer Bornemann aber rät dazu, es trotzdem wenigstens zu versuchen. „Wenn der eigene Gasanbieter Neukunden mit einem niedrigen Preis lockt, kann und sollte man sich als Bestandskunde durchaus an ihn wenden und deutlich machen, dass man weiß, wie der Markt sich entwickelt, und dass man mit seinen Vertragskonditionen nicht mehr einverstanden ist“, sagt er. Nach seiner Erfahrung seien manche Anbieter bereit, Bestandskunden vor Ende der Vertragslaufzeit in einen günstigeren Tarif wechseln zu lassen. Bornemann: „Freundlich anfragen oder ein bisschen meckern kann in solchen Fällen hilfreich sein.“

Für wie lang sollte ein neuer Gasvertrag abgeschlossen werden?

Die neun von Verivox für das Abendblatt untersuchten Gasanbieter geben eine Preisgarantie von mindestens 12 Monaten. Mittlerweile seien erste Gasversorger auf dem Markt, die Tarife mit monatlicher Kündigungsfrist anbieten, sagt Jan Bornemann. Angesichts der schwer absehbaren weiteren Preisentwicklung sind aus seiner Sicht aber auch Verträge mit längerer Laufzeit vertretbar: „Sich auf ein Jahr festzulegen, ist in der aktuellen Situation absolut in Ordnung.“

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Energiekosten: Was sollte man vor einem Anbieterwechsel noch beachten?

„Nicht jeder günstige Gasanbieter ist auch besonders kundenfreundlich“, sagt Bornemann. Deshalb sollten sich wechselwillige Kunden zusätzlich absichern, bevor sie den Vertrag mit einem anderen Unternehmen abschließen. „Kundenbewertungen im Internet können einen ersten Hinweis geben, mit wem man ins Geschäft kommt.“ Gemeckert werde zwar über praktisch jeden Anbieter. „Aber wenn sich die Beschwerden häufen und spätestens wenn die Verbraucherzentralen über viele Fälle von Kundenärger berichten, sollte man neu nachdenken.“