Hamburg. Am Dienstag wird die renommierte Auszeichnung verliehen. Auch Dealcircle fiebert dem Finale entgegen – und hat ernsthafte Konkurrenz.

Es ist ein Unternehmen, das helfen kann, ein gravierendes Problem der deutschen Wirtschaft zu lösen – mindestens aber zu lindern. Deshalb liegen große Hoffnungen auf der Hamburger Firma Dealcircle. Deren Gründer Kai Hesselmann und Graig Gröbli und die knapp 80 Beschäftigten haben aktuell eine andere große Hoffnung – sie würden gerne den renommierten Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Aufsteiger gewinnen.

Der Preis wird am Dienstagabend in Berlin verliehen. Dealcircle ist eine von drei nominierten Firmen und die Konkurrenten der Hamburger haben ebenfalls überzeugende Geschäftskonzepte und sind wirtschaftlich bereits erfolgreich. „Jetzt heißt es Daumen drücken“, sagt Kai Hesselmann am Tag bevor die Entscheidung der Jury bekannt gegeben wird.

Hamburger Start-up Dealcircle fiebert vor Deutschem Gründerpreis

Vor ein paar Wochen hat Dealcircle seine Büros von der Rothenbaumchaussee in das „Zeit“-Haus in der City verlegt. Es war kein Kriterium bei der Standortwahl, aber genau gegenüber am Speersort sitzt das Singleportal Parship.

Das trifft sich gut, denn, wenn man die Dealcircle-Gründer Kai Hesselmann und Graig Gröbli bittet, in einem einfachen Satz zu erklären, was sie so machen, sagen sie: „Wir sind eine Art Parship für Unternehmen.“

Hamburger Start-up Dealcircle: „Wir sind das Parship für Unternehmen“

Gegen einen Vergleich mit Amazon haben die beiden auch nichts einzuwenden, aber Parship passe besser. „Amazon ist Schwarzes Brett, Parship heißt Passendes zusammenzuführen, zu matchen“, sagt Gröbli. Bei Dealcircle nur eben keine Singles, die ähnliche Interessen haben, sondern Unternehmen. Genauer: Firmeneigentümer, die verkaufen wollen mit potenziellen Käufern.

Hamburger Start-up Dealcircle: „Wir sind das Parship für Unternehmen“

Das Geschäftsfeld, in dem Dealcircle unterwegs ist, ist riesig und von hoher Relevanz für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Fritzi Köhler-Geib, die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, sagt, die Frage der Unternehmensnachfolge sei „ein Top-Thema in den Chefetagen des deutschen Mittelstands.“ Geib spricht auch von einer „ausgeprägten Nachfolgelücke“.

Kai Hesselmann (40) hatte nach vielen Jahren als Angestellter „einfach Lust, etwas Eigenes zu machen“ – und überzeugte seinen Kollegen Gröbli, gemeinsam Dealcircle zu gründen.
Kai Hesselmann (40) hatte nach vielen Jahren als Angestellter „einfach Lust, etwas Eigenes zu machen“ – und überzeugte seinen Kollegen Gröbli, gemeinsam Dealcircle zu gründen. © Michael Rauhe

Laut der jüngsten KfW-Studie werden allein 2022 und 2023 jeweils 100.000 kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) den Eigentümer wechseln – jedes 20. der insgesamt 3,8 Millionen KMU hierzulande. Die Zahl der notwendigen Firmennachfolgen werde in den kommenden Jahren steigen, sagt die KfW voraus. Dort heißt es: Bis Ende 2026 streben 560.000 Unternehmer eine Nachfolgeregelung an.

Die Eigentümer aus der Babyboomer-Generation nähern sich der Ruhestandsgrenze, ein knappes Drittel aller Unternehmer ist im Alter 60plus. Der Pool der potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolger ist wegen der deutlich geringeren Geburtenzahl in den Jahrgängen ab Ende der 1960er-Jahre klein.

190.000 Firmen finden keinen Nachfolger und wollen aufgeben

Zudem gibt es in längst nicht jeder dieser Firmen eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger in der Eigentümerfamilie. „Wir schätzen, dass nur etwa die Hälfte der Unternehmen innerhalb der Familie oder der Firma selbst einen neuen Eigentümer finden“, sagt Gröbli. Die KfW ermittelte zuletzt, dass 190.000 der 560.000 Unternehmer, die bis Ende 2026 aufgeben wollen, dies auch ohne Nachfolgeregelung tun wollen. Der am häufigsten genannte Grund: Kein Nachfolger in der Familie.

Dealcircle hat insbesondere diese kleinen und mittelgroßen Firmen im Blick. „Zumeist geht es um Unternehmen mit fünf bis 100 Millionen Euro Jahresumsatz“, sagt Hesselmann. Er und Gröbli haben sich einst als Angestellte einer Hamburger Beteiligungsgesellschaft kennengelernt. Die kauft Firmen, saniert und restrukturiert sie, installiert ein neues Management und verkauft sie nach ein paar Jahren.

Die beiden BWLer kennen sich aus in der sogenannten Mergers&Acquisitions (M&A)-Branche (Fusionen und Übernahmen), sie wissen wie es läuft bei Firmenverkäufen und -käufen: Sehr diskret und verschwiegen, Verkäufer haben meist großes Interesse, dass ihre Absichten streng vertraulich behandelt werden. Was es nicht einfacher macht, einen Käufer zu finden.

Firmenverkäufe – das äußerst diskrete Geschäft der Berater

Dieser Job wird häufig an sogenannte M&A-Beratungsfirmen vergeben. Es ist eine Branche, in der sehr viele Informationen unter der Hand laufen, man kennt sich, man plaudert, irgendwann kommt man ins Geschäft. Vielleicht. „Man geht ständig mit Leuten essen oder Kaffee trinken“, sagt Kai Hesselmann. Und dabei bleibt unklar, ob er das ausschließlich super findet.

Vor allem aber ist der Teil der Branche, der sich um KMU kümmert, kleinteilig und unübersichtlich. „Es dürfte um die 1000 solcher M&A-Berater geben. Die kümmern sich pro Jahr um fünf bis sieben Deals, von denen im Schnitt zwei erfolgreich zu Ende geführt werden“, sagt Gröbli.

Dabei betreue ein Berater nicht selten erst ein IT-Systemhaus, dann eine kleine Bäckereikette, danach ein Autohaus. „Entsprechend groß ist der Aufwand, sich jeweils neu in eine Branche einzuarbeiten und potenzielle Käufer zu identifizieren und kontaktieren“, sagt Hesselmann.

Der Franzose Graig Gröbli (36) verdankt seinen außergewöhnlichen Vornamen „einer unkonventionell denkenden Tante“ und den Nachnamen den Schweizer Wurzeln der Familie.
Der Franzose Graig Gröbli (36) verdankt seinen außergewöhnlichen Vornamen „einer unkonventionell denkenden Tante“ und den Nachnamen den Schweizer Wurzeln der Familie. © Michael Rauhe

Auf Basis einer Datenbank wird das Hamburger Start-up zum Firmenmakler

Genau dafür hat Dealcircle eine Lösung geschaffen. „Die von uns aufgebaute Datenbank umfasst etwa 250.000 mögliche Kaufinteressenten“, sagt Gröbli. Es sind Kontakte, die die Gründer in der Branche selbst gesammelt oder aus anderen Datenbanken zusammengetragen haben, in denen Deals aus den vergangenen Jahren dokumentiert sind.

Auf Basis der Datenbank wird Dealcircle gemeinsam mit dem M&A-Berater zum Firmenmakler: Der Berater meldet, für welche Art Unternehmen er welche Art Käufer sucht, Dealcircle schickt eine Liste mit 100 möglichen Interessenten, der Berater sagt, wer infrage kommen könnte, die Hamburger kontakten die potenziellen Käufer. Kommt es zum Deal, erhält Dealcircle vom Käufer eine Provision. „Ein bis zwei Prozent vom Verkaufspreis“, sagt Hesselmann.

Dealcircle aus Hamburg: Für 2024 zeichnet sich ein zweistelliger Millionenumsatz ab

Das Unternehmen wurde 2018 gegründet. Das erste Jahr verbrachten Gröbli und Hesselmann vorwiegend damit, die Datenbank aufzubauen. 2023 wird Dealcircle, das inzwischen fast 80 Beschäftigte hat, einen Umsatz „im hohen einstelligen Millionenbereich machen.

Für 2024 zeichnet sich ein zweistelliger Millionenbetrag ab“, heißt es. Der bislang größte vermittelte Deal war die Übernahme des Tiefbauunternehmens Infratech mit 50 Millionen Euro Jahresumsatz durch die US-Investmentgesellschaft HIG Capital.

Eine eindeutige Antwort auf die Frage, warum ihr Unternehmen für den Deutschen Gründerpreis nominiert ist, obwohl das Geschäftsmodell eines digitalen Firmenmaklers zwar neu, aber nicht unbedingt revolutionär ist, kennen Hesselmann und Gröbli nicht: „Vielleicht hängt es damit zusammen, wie relevant das Thema Unternehmensnachfolge für Deutschland ist. Der Mittelstand ist schließlich das Rückgrat unserer Wirtschaft“, sagt Gröbli.

Hamburger Start-up Dealcircle: Wir haben mehr als 40 Prozent Erfolgsquote

Andere hätten Ähnliches zuvor bereits versucht, aber wieder aufgegeben, weiß Hesselmann. „Wir konnten unsere Kontakte in der Branche nutzen.“

Wie erfolgreich Dealcircle als Makler ist, ob die Datenbank wirklich nützt, Firmennachfolgen effektiver anzubahnen, können nur die Gründer selbst sagen. Graig Gröbli, sagt, das sei so. „Wir wissen aus vielen Gesprächen mit Beratern, dass letztlich 20 bis 25 Prozent der von ihnen betreuten Verkaufsprozesse zum Deal führen. Bei uns sehen wir eine Quote von 40 bis 45 Prozent.“