Hamburg. Eine Asklepios-Gynäkologin erklärt, warum Frauen schon vor der Schwangerschaft trainieren sollten und welche Sportarten besonders geeignet sind.

Es ist immer noch ein Tabu, dabei leiden Millionen von Frauen an Inkontinenz durch einen geschwächten Beckenboden. Aktuellen Statistiken zufolge verlieren sieben von zehn Frauen mindestens ein paar Tropfen Urin, wenn sie niesen, husten oder beispielsweise Trampolin springen. „Viele Frauen trainieren für ihre Bikinifigur, was lobenswert ist. Aber medizinisch noch wichtiger ist es, gezielt den Beckenboden zu stärken“, sagt die Hamburger Gynäkologin Setareh Huschi, Chefärztin an der Asklepios Klinik Wandsbek.

Im Idealfall beginne Frau mit einem gezielten Beckenbodentraining schon vor der ersten Schwangerschaft. „Am besten lässt man sich von einem Physiotherapeuten entsprechende Übungen zeigen und trainiert präventiv. Denn wir wissen, dass der größte Risikofaktor für Probleme mit dem Beckenboden die vaginale Geburt ist“, sagt die in Teheran geborene Medizinerin. Dies solle jedoch keinesfalls bedeuten, dass sie von einer natürlichen Geburt abrate: „Absolut nicht, aber man kann vorbereitet sein.“

Schwangerschaft – Asklepios-Ärztin: Beim Trampolinspringen haben fast alle Mütter Probleme

Meist spüren Frauen aber eben erst nach einer Geburt, dass der Beckenboden gelitten hat. „Und nach wie vor gibt es eine Hemmschwelle, offen darüber zu sprechen“, sagt die Chefärztin. Offenbare eine Frau aber ihre Probleme, dann stimmten in der Regel fast alle Freundinnen zu: „Nee, aufs Trampolin kann ich auch nicht mehr.“ Denn gerade schnelle, ungebremste Bewegungen könnten die leichte Inkontinenz auslösen.

Grundsätzlich sei die Generation der Frauen, die jetzt Mütter werden, besser vorbereitet als viele Generationen zuvor. „Das liegt auch daran, dass Sportarten wie Yoga und Pilates, die dem Beckenboden besonders guttun, sehr verbreitet sind, insbesondere in Großstädten wie Hamburg.“ Aber auch Schwimmen sei eine hervorragende Entlastung und ein gutes Training.

Geburt Hamburg: Rückbildungsgymnastik erzielt oft nicht den gewünschten Effekt

Aber reicht denn die Rückbildungsgymnastik nach der Geburt nicht aus? „Die ist sicherlich nicht schlecht, auch wenn die Daten dazu nicht so richtig überzeugend sind. Denn die Schäden sind durch die Entbindung ja schlichtweg da. Und Muskeln lassen sich eben nicht reparieren“, sagt die Hamburger Expertin.

Gynäkologin Setareh Huschi.
Setareh Huschi ist Chefärztin in der Abteilung für Gynäkologie an der Asklepios Klinik Wandsbek in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Wer nach der Geburt Beschwerden entwickle, könne in Rücksprache mit dem Gynäkologen auf sogenannte Pessare zurückgreifen. „Das sind Würfel, Ringe oder Trapeze aus Silikon, die wie Tampons eingeführt werden und den Beckenboden stützen“, sagt Setareh Huschi. Auch eine medikamentöse Therapie könne eine Option sein.

Beckenboden: Ein operativer Eingriff könnte eine Option sein, sagt die Hamburger Chefärztin

Falls das alles nicht den gewünschten Erfolg bringe, könne man über operative Eingriffe nachdenken: „Früher, als man fälschlicherweise davon ausging, dass die Gebärmutter der Übeltäter sei, wurde diese entfernt. Das ist heutzutage überhaupt nicht mehr so, in 99 Prozent aller Fälle bleibt die Gebärmutter selbstverständlich erhalten.“

Mehr zum Thema Medizin

Ein Eingriff, bei dem der Beckenboden gestützt werde, sei für Frauen jeden Alters denkbar. „Gerade erst habe ich eine 32-Jährige operiert. Ihr war es wichtig, für die Kinder fit zu sein. Genauso hatte ich aber eine Patientin in hohem Alter, deren Lebensqualität durch die Beschwerden ebenfalls massiv eingeschränkt war.“ Die gute Nachricht, sagt die Asklepios-Expertin, sei: „Man kann immer was machen!“