Hamburg. Doch Willkommenskultur der Anwohner ist umstritten. Unklar ist, ob 500 oder 1000 Menschen untergebracht werden.

Das CDU-Flugblatt brachte das Dorf in Wallung. „Bis zu 1000 Flüchtlinge“ kämen nach Poppenbüttel, in eine „Massenunterkunft“, die „im Geheimen vorbereitet“ worden sei, auf einer denkmalschutzwürdigen Fläche. Die Spekulationen der örtlichen CDU-Abgeordneten Dennis Thering und Sören Niehaus trafen ins Mark jener Alstertaler, die um den Wert ihrer Grundstücke und die gemütliche Nachbarschaft fürchten und die Integrationsfähigkeit ihres Stadtteils überfordert sehen. Aber das Flugblatt weckte auch andere Instinkte.

Es forderte diejenigen Poppenbütteler heraus, denen Hilfsbereitschaft und Weltoffenheit wichtig ist. Sie riefen die Initiative „Poppenbüttel hilft“ ins Leben. „Wir haben eine gute Tradition mit Flüchtlingshilfe im Stadtteil“, sagt Mitinitiator Thomas Littmann, der 300 Meter entfernt von der geplanten Unterkunft am Poppenbütteler Berg/ Ecke Ohlendieck wohnt. „Wir haben in den 1990er Jahren Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien betreut und wollen nicht, dass Poppenbüttel so in die Schlagzeilen gerät.“

Strittig ist, wie viele Flüchtlinge tatsächlich nach Poppenbüttel kommen. Nur 500 Menschen, sagt die SPD und beruft sich auf die zuständige Sozialbehörde. Die rot-grüne Koalition in Wandsbek wirft der CDU vor, Stimmung zu machen und Angst zu erzeugen. Die CDU hält dagegen und beharrt auf ihren Erkenntnissen. Demnach gehe aus diversen Senatsantworten auf Kleine Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten Thering hervor, dass „170 Wohneinheiten in Festbauweise“ geplant seien, was „nach der üblichen Belegungspraxis (ca. 6 Bewohner pro Wohnung) rund 1000 Bewohnern“ entspreche. Die rot-grüne Informationspolitik habe versagt, Bürger und Union seien mit ihrem Informationsbedürfnis auf eine „Mauer des Schweigens“ gestoßen und es sei „absurd, wenn die SPD jetzt die Zahl der Bewohner herunterrechnet“.

Für die Initiative „Poppenbüttel hilft“ hingegen ist eher der Streit um die Zahlen absurd. „Wie viele auch kommen – sie werden Hilfe brauchen“, sagt Littmann. Er will abwarten, was die Sozialbehörde und die Bezirksverwaltung den Bürgern am heutigen Mittwoch um 18.30 Uhr im Heinrich-Heine-Gymnasium (Harksheider Str. 70) verkünden.

Als in Poppenbüttel die ersten Bedenken auftauchten, fanden sich die Nachbarn aus der Jahrzehnte alten Baugemeinschaft Maike-Harder-Weg zusammen. „Wir überlegten, was zu tun sei“, sagt Littmann. Positive Stimmung erzeugen, Hilfsbereitschaft und Offenheit wecken, ein eigenes Flugblatt formulieren. „Nicht als anonyme Gruppe, sondern als identifizierbare Nachbarn“, sagt Littmann. „Wir treten alle mit Namen und Berufsbezeichnung auf und wollen das als persönliche Standortbestimmung verstanden wissen. In einem familiären Dorf wie Poppenbüttel macht das Sinn.“

72 Unterzeichner hat das Flugblatt. 2000 Stück wurden gedruckt. Abends, auf längeren Spaziergängen, verteilten sie es in die Briefkästen. Für Littmann und seine Mitstreiter klingen die Argumente der Kritiker wie Vorwände.

CDU-Mann Thering will davon nichts wissen. Seit Oktober 2014 hat er in insgesamt fünf Kleinen Anfragen an den Senat versucht herauszubekommen, wie viele Flüchtlinge wo im Alstertal untergebracht werden sollen. Der Senat hat stets so sparsam wie möglich und bisweilen am Sinn der Frage vorbei geantwortet. In der letzten Anfrage vom 12. Juni sprach Thering offen von „Täuschung“.

Kleine Anfragen sind ein übliches parlamentarisches Mittel, um an mutmaßlich unter dem Deckel gehaltene Informationen zu kommen, weil die Verwaltung wahrheitsgemäß Auskunft geben muss. Die aber antwortet traditionell ausweichend und nimmt dabei Missverständnisse bis hin zur Desinformation billigend in Kauf. Auf Therings letzte Anfrage nach dem Stand der Planung für den Poppenbütteler Berg bestätigte ihm die Verwaltung am 12. Juni das Vorliegen einer „Machbarkeitsstudie“, die in mehreren Varianten „mehrgeschossige Festbauten mit jeweils rund 170 Wohnungen beinhaltet“.

Flüchtlingsunterkünfte sollen nur drei bis fünf Jahre auf dem Gelände stehen

Nach neueren, ergänzenden Abendblatt-Informationen bezog sich diese Machbarkeitsstudie aber auf den für das Gelände vorgesehenen neuen Bebauungsplan Poppenbüttel 43. Er wird den bestehenden Landschaftsschutz aufheben und Baurecht für 170 Sozialwohnungen schaffen, nicht aber für das Flüchtlingsdorf. Am Dienstag soll in Wandsbek der Aufstellungsbeschluss ergehen.

Die zweigeschossigen Flüchtlingsunterkünfte sollen demnach als „Zwischennutzung“ für 500 Bewohner drei bis fünf Jahre auf dem Grundstück stehen. Noch in diesem Jahr sollen sie bezogen werden.