Harvestehude. OVG-Entscheidung: Einrichtung mit 220 Plätzen an Sophienterrasse darf nicht betrieben werden. Doch Stadt hält am Ziel fest und will Bebauungsplan ändern
Es bleibt beim Baustopp für die geplante Flüchtlingsunterkunft an der Sophienterrasse – auch in zweiter Instanz: Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat jetzt die Beschwerde des Bezirksamtes Eimsbüttel gegen eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Damit kann das Vorhaben, hier 220 Menschen unterzubringen, einstweilen nicht verwirklicht werden. Gegen diese Entscheidung können im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keine weiteren Rechtsmittel eingelegt werden.
Zuvor waren Bemühungen des Oberverwaltungsgerichts, eine Einigung auf dem Vergleichswege zu erreichen, gescheitert.
Zur Begründung für die Entscheidung sagte Andreas Lambiris, Sprecher des Oberverwaltungsgerichts dem Abendblatt: „Die geplante Unterkunft soll in einem Gebiet entstehen, das der geltende Bebauungsplan als besonders geschütztes Wohngebiet ausweist. Mit der Beschwerde des Bezirksamtes ist nicht dargelegt worden, dass diese planerische Festsetzung ganz oder teilweise funktionslos geworden ist.“ Bei der Unterbringung von Flüchtlingen handele es sicht nicht um eine Nutzung im Sinne des Baurechts, denn es fehle an der Eigengestaltung und an der Freiwilligkeit des Aufenthalts, so der Gerichtssprecher weiter.
Wie berichtet, hatte das Verwaltungsgericht Hamburg im Januar einen vorläufigen Baustopp für die geplante Flüchtlingsunterkunft verhängt. Das Gericht gab einem Eilantrag von drei Anwohnern statt, die sich gegen eine Baugenehmigung für die Einrichtung im ehemaligen Kreiswehrersatzamt gewendet hatten. Diese Nachbarn werden von Rechtsanwalt Gero Tuttlewski aus der Kanzlei Klemm&Partner vertreten. Tuttlewski sagte dem Abendblatt: „Meine Mandanten waren nie gegen eine Flüchtlingsunterbringung. Auch die Bewohner des Quartiers wollen ihren Beitrag leisten.“ Bei rund 250 Anwohnern im gesamten Quartier seien jedoch 220 unterzubringende Personen in einem Gebäude unverhältnismäßig viel, so Tuttlewski weiter.
Kritik kommt von Karin Prien, flüchtlingspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion: „Die heutige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist eine richtige Klatsche für Rot-Grün. Die CDU hatte schon lange gewarnt, dass das Projekt in dieser Form gegen die Wand fahren wird. Genauso ist es jetzt gekommen.“ Es sei richtig, dass die Flüchtlingsunterkünfte gerecht über die ganze Stadt verteilt werden sollen. Symbolpolitik, die das geltende Baurecht verletzt, helfe aber niemandem, so Prien weiter. Die sozial- und integrationspolitische Sprecherin der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Jennyfer Dutschke, sagte: „Die SPD-Flüchtlingspolitik leidet weiter unter unprofessionellem Vorgehen. Erst wird die Schaffung neuer Unterkünfte jahrelang verschlafen, dann werden hektisch Standorte ausgesucht, ohne die bau- und verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen sorgfältig genug zu prüfen.“
Trotz des Richterspruches will die Stadt ihre Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft an der Sophienterrasse nicht aufgeben: Damit doch noch 220 Flüchtlinge einziehen können, will das Bezirksamt Eimsbüttel (wir berichteten) den alten Bebauungsplan ändern.
Jetzt will der Senat kräftig Gas geben: Bereits am 11. Juni steht das Thema in der Senatskommission auf der Tagesordnung. Die Kommission wird dann das Bezirksamt Eimsbüttel offiziell anweisen, „das Bebauungsplanverfahren Harvestehude 15 für den Bereich Sophienterrasse 1 a mit dem Ziel der Ausweisung einer Gemeinbedarfsfläche für die Unterbringung von Flüchtlingen zügig und mit Priorität durchzuführen und unter Beachtung des Abwägungsgebots festzustellen.“ Das geht aus einer Drucksache hervor, die dem Abendblatt vorliegt. Für Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) steht fest: „Wir werden hier modernes Planrecht schaffen und sind fest entschlossen so die dauerhafte Unterbringung von 220 Flüchtlingen an der Sophienterrasse zu ermöglichen.“
SPD-Vizefraktionschefin Ksenija Bekeris kündigte an: „Wir werden weiter alles Notwendige tun, damit die Unterbringung von Flüchtlingen am Standort Sophienterrasse dennoch möglich werden kann.“ Die SPD-Politikerin betonte: „Auch vermeintlich besser gestellte Stadtteile können und dürfen sich der Verantwortung nicht entziehen. Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eine Aufgabe der ganzen Stadt.“ Auch Mareike Engels, sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, gibt die Hoffnung nicht auf: „Wir setzen uns dafür ein, dass innerhalb des Bezirks der Bebauungsplan so geändert wird, dass das Wohngebiet nicht mehr besonders schützenswert ist und dort auch soziale Einrichtungen entstehen können.“
Für die Stadt geht es auch um viel Geld: Denn f&w fördern und wohnen – das städtische Unternehmen soll die Einrichtung betreiben – hatte bereits vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Januar mit dem Umbau des Gebäudes begonnen.
Schon seit dem 1. Juli 2014 muss f&w an die Stadt 55.000 Euro Miete pro Monat bezahlen – obgleich die Immobilie nicht genutzt wird.