Wandsbek. 38 neue Überlastungsanzeigen im Bezirk Wandsbek, zwei Kundenzentren schließen wegen Personalmangels – Bürgerverein sieht Vertragsbruch
CDU und Linke in Wandsbek haben die Personalprobleme im Bezirksamt als Zeichen zunehmender Bürgerferne gegeißelt und die Aushöhlung der Verwaltung vor Ort kritisiert. „Das Amt ist vielfach nicht mehr in der Lage, seinen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen“, sagte CDU-Fraktionschef Eckard Graage.
Anlass der Empörung sind die vorübergehenden Schließungen der Kundenzentren Volksdorf (22. Juni bis 21. August) und Bramfeld (13. Juli bis 7. August, wir berichteten) sowie die Überlastungsanzeigen, mit denen Mitarbeiter beziehungsweise ganze Teams des Amtes ihren Vorgesetzten melden, dass sie ihre Arbeit nicht mehr bewältigen.
Neun Überlastungsanzeigen im ersten Quartal 2015
29 Überlastungsanzeigen wurden im Jahr 2014 eingereicht, im ersten Quartal 2015 kamen weitere neun dazu. Das ergab die amtliche Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion. Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche Überlastungsanzeigen aus früheren Jahren fortbestehen und im Fachamt Jugend-und Familienhilfe die Anzeigen überwiegend kollektiv, das heißt von Teams oder Arbeitsgruppen, eingereicht wurden.
Grundsätzlich wird nach einer Verfügung des Senats seit Jahren jede frei werdende Stelle im Amt nicht neu besetzt. Wegen der immer engmaschigeren Vorschriften und Gesetze nehmen die Aufgaben jedoch stetig zu. Die vom Personalrat lange eingeforderte Aufgabenkritik hat nicht stattgefunden.
Hinzu kommen ein alter Konflikt und ein Versprechen an die Walddörfer Bürger. Als Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff (SPD) 2013 das Kundenzentrum in Volksdorf schließen wollte, gab es einen Sturm der Entrüstung. Innerhalb von drei Wochen kamen 6300 Protest-Unterschriften zustande, und ein Bürgerbegehren wurde angemeldet. Das konnte die Verwaltung unter Mithilfe des SPD-Fraktionschefs in der Bürgerschaft, Andreas Dressel, noch weg verhandeln. Aber nur um den Preis des Versprechens, das Kundenzentrum zunächst bis 2018 offen zu halten und bei Personalengpässen allenfalls „im Einzelfall die Öffnungszeiten einzuschränken“.
Hoppermann: "Versprechen ist klar gebrochen worden"
„Dieses Versprechen ist klar gebrochen worden“, sagte CDU-Fraktionsvize Franziska Hoppermann, „neun Wochen Schließung im kommenden Sommer haben mit ‘im Einzelfall’ nichts mehr zu tun.“ Ähnlich äußerte sich Manfred Heinz vom Bürgerverein Walddörfer. „Die Abmachung ist nicht korrekt ausgelegt worden. Da wird etwas eingeübt, und das können wir nicht hinnehmen.“ Der Linken-Abgeordnete Rainer Behrens sprach von einer „miesen Masche“.
Bezirksamtsleiter Ritzenhoff verteidigte die Schließung. Mit den bisherigen Öffnungszeiten habe er die Vereinbarung mit dem Bürgerverein „übererfüllt“. Er legte nahe, diese Mehrleistung jetzt zu verrechnen und verwahrte sich gegen „Rosinenpickerei“. Auch bringe die Schließung durch die damit einher gehenden Synergie-Effekte 3500 zusätzliche Beratungstermine, was den Service am Bürger weiter verbessere.
Auch die Abgeordneten der Koalition priesen einen Zugewinn an Bürgernähe und verwiesen auf Prüfungen des Rechnungshofes zur Kostenstruktur der Kundenzentren.
Hoppermann dagegen beharrte darauf, dass „die Ressourcen den Aufgaben folgen müssen. Entweder der Senat stellt genügend Personal zur Verfügung oder er sagt, welche Arbeiten entfallen können.“ Da der Bezirk kraft Gesetz nur ausführendes Organ sei, müssten die Vorgaben von oben kommen. Stattdessen werde auf dem Rücken der Bezirke gespart, während die Landesebene für den Koalitionsfrieden eine elfte Behörde schaffe.
Graage präsentierte die Handy-Aufzeichnung einer Telefonansage aus dem Wandsbeker Jugendamt. Sie bittet den Anrufer unter Hinweis auf die Personalsituation um Verständnis für nur noch unregelmäßige Sprechzeiten und dauerbesetzte Leitungen infolge der oft langen Telefonate. Der Kunde könne gerne eine Mail schicken. Diese aber werde nicht zeitnah bearbeitet.