Volksdorf . Im Museumsdorf Volksdorf lernen Schüler zu schmieden, zu backen und zu drechseln, mit dem Handwerkszeug von damals.

Wenn die vielen bunten Rucksäcke und Funktions­jacken nicht wären, die unter den Bäumen liegen, dann könnte man ganz schnell vergessen, dass wir uns im Jahr 2015 befinden. Denn das beschauliche Museumsdorf Volksdorf mit den reetgedeckten Häusern und Scheunen hat sein historisches Antlitz bewahrt. Und nicht nur das – hier bekommen die Besucher eine Vorstellung davon, wie das Leben auf dem Land vor 100 Jahren aussah.

Und genau darum geht es bei der Projektwoche der August-Hermann-Francke-Schule Farmsen. „Wir haben jedes Jahr ein Jahresthema“, sagt Schulleiter Joel Gottschalk, „dieses Mal ist es ,Leben vor 100 Jahren’“.

Und damit sich das Gefühl schnell einstellt, haben sich viele Kinder ein wenig altmodisch angezogen, die Mädchen mit Kleidern oder Schürzen und Kopftüchern. Die Jungs taten sich offensichtlich etwas schwerer – manche kamen im Ritterkostüm, andere mit einem Fellbolero. Aber für historische Genauigkeit sorgen die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter des Museums, die mit den Kindern arbeiten – Wolle spinnen, Quirl schnitzen, drechseln, nach einer Exkursion im hofeigenen Garten Kräuterquark zubereiten, Wäsche auf dem Waschbrett waschen oder Buchweizenpfannkuchen über dem offenen Feuer backen. Vier Tage lang sind die 121 Schüler von der Vorschule bis zur 4. Klasse in dieser Woche im Museumsdorf und versuchen sich nacheinander in den unterschiedlichen Tätigkeiten – mit den Arbeitsgeräten und Hilfsmitteln von früher.

Museumschef Egbert Läufer hat in der Schmiede Feuer gemacht und will mit den Schülern Nägel schmieden. Die Kinder sollen nicht nur zuschauen, sondern selbst anpacken. Also bindet die zierliche Drittklässlerin Lisa sich eine Lederschürze um und nimmt den schweren Schmiedehammer in die Hand.

Wer ein Instrument spielt, ist beim Schmieden geschickter

Im Wechsel mit Egbert Läufer schlägt sie auf das glühende Metallstück, das sich zu verformen beginnt. Zwischendurch legt Läufer, der Agraringenieur ist, aber auch einen Gesellenbrief als Landmaschinenschlosser und Schmied hat, das Metall zurück ins Feuer und spritzt mit dem Löschwedel Wasser auf die glühende Steinkohle. „Dadurch bildet sich eine Kruste, und die Hitze kann nicht entweichen“, erklärt er den Kindern. Ob sie denn ein Instrument spiele, fragt er Lisa, die tatsächlich Klavier spielt. „Schmieden hat was mit Melodie und Rhythmus zu tun“, erklärt Läufer. Reihum legen sich die Schüler die Lederschürzen um und formen mit unzähligen Hammerschlägen den einen Nagel.

136 Schulklassen mit mehr als 4000 Schülern haben das Museumsdorf im vergangenen Jahr besucht, insgesamt waren es knapp 50.000 Besucher, sagt der Museumsleiter, der das Privatmuseum mit einem festangestellten landwirtschaftlichen Mitarbeiter und 206 Ehrenamtlichen am Laufen hält. Ohne sie ginge es nicht.

Angelika Bednarzek beispielsweise ist eine dieser Mitarbeiterinnen, die einen Teil ihrer Freizeit der Museumsarbeit widmet. Mit einer weißen Mütze auf dem Kopf, einer Schürze und einer weißen Bluse steht sie am Feuer und lässt Speck aus, den eine Gruppe von Schülern klein geschnitten hat. Nachdem sie vorher Buchweizen gemahlen haben, löffeln sie nun den Teig für die Pfannkuchen portionsweise in das heiße Fett. Bednarzek war früher Lehrerin am Walddörfer-Gymnasium. Seit sie vor drei Jahren in Pension ging, engagiert sich die Biologin in der Museumsarbeit. „Die Kinder machen gut mit“, sagt sie, und „die meisten mögen das Essen, es bleibt selten was übrig.“ Dabei ist der Geschmack ungewöhnlich, wird doch heute nur mehr wenig mit Schmalz gebacken.

Die Kinder bekommen Einblicke, wie mühsam das Leben früher war

Recht beschaulich geht es in der Gruppe von Margrit Glogau-Urban zu. Die ehemalige Jugendrichterin arbeitet seit zehn Jahren ehrenamtlich mit und kann hier ihr Hobby, das Gärtnern, ausleben. Sie hegt den Kräutergarten, hat aber doch ein paar Töpfe mit Schnittlauch und Petersilie gekauft, denn Kräuter für so eine große Gruppe gibt der Garten um diese Jahreszeit noch nicht her.

Die sechs Jahre alten Vorschüler Benjamin und Nikita schneiden andächtig Schnittlauch und Petersilie klein und vermengen es mit Quark. Vorher haben sie gelernt, dass sie von der Petersilie die Blätter benutzen sollen, nicht die Stängel. Mit Vollkornbrot und frisch gebrühtem Minztee, der mit dem hofeigenen Honig gesüßt wird, eine leckere kleine Mahlzeit.

Amelie, 8, aus der 2b, isst vorher noch einen selbst gebackenen Buchweizenpfannkuchen. Wie die meisten ihrer Mitschüler ist sie begeistert von dem Ausflug in die Vergangenheit. Aber, sagt sie: „Ich glaube, es war ein anstrengendes Leben früher.“