Jahrelang stand sie leer. Denkmalgeschützt und kaum nutzbar. Jetzt hat eine junge Familie die Mini-Burg an der Schleuse gekauft. Sie will Kultur, Feste und Workshops in die alten Mauern bringen

Poppenbüttel Dornröschen ist aus Stein und steht in Poppenbüttel. Noch immer ziemlich zugewachsen thront sie auf dem Henneberg, mit neuem Holzofen im Rittersaal und freigelegten Zinnen rund um den eher niedlichen Wehrgang. Miriam und Jan Helge Hager haben sie frei geschnitten und wachgeküsst, die kleine, 1887 erbaute Ritterburg an der Poppenbütteler Schleuse.

Zwei Konzerte am Wochenende (25. und 26. September) markierten den Start ins neue Leben. Die neuen Burgherren begrüßten ihre Gäste mit Sekt, Plaudereien und Knabberzeug im Freien und ließen sie im wohlig durchwärmten Rittersaal argentinische Kammermusik und Tango von Tamara Moser (Klavier) und Paula Gasparini (Querflöte) genießen. In intimer Atmosphäre, denn der „Saal“ ist mit seinen knapp 30 Quadratmetern eigentlich ein Wohnzimmer. Auch der Turm ist so eng, dass seinerzeit selbst schlanke Recken die Treppe nur hochgekommen sein dürften, wenn sie ihre Ritterrüstung vorher abgelegt hatten. Das sollte aber auch so sein: Die Burg ist ein Miniaturnachbau des aus dem 11. Jahrhundert stammenden thüringischen Familienstammsitzes der Hennebergs im Maßstab 1:4.

Der Alstertaler Zweig um Clanchef Albrecht Henneberg, der sich um 1850 im großen Stil Ländereien zum „Marienhof“ zusammengekauft hatte, brauchte ein Highlight für seinen englischen Garten. Am Alsterlauf ließ er den Hügel Henneberg aufschütten und das steinerne Kleinod bauen, im Original eine der umfangreichsten Wehranlagen Thüringens. Mit vielen Terrassen und der doch recht länglichen Freitreppe, die sich dezent um die Burg windet und im Alstertal ob ihrer sanften Steigung anstrengungsfreie Aufstiege bei entspannten Plaudereien ermöglicht.

Doch die Attraktion der gutsherrlichen Gartenfeste geriet aus der Mode und musste bald das eher staubige Familienarchiv der Hennebergs schlucken. Schon um 1910 war es mit der Landwirtschaft im Alstertal vorbei. Die Hennebergs selbst beteiligten sich an der 1912 gegründeten „Alstertal-Terrain Aktiengesellschaft (Atag), deren Zweck die Parzellierung landwirtschaftlicher Flächen für den Siedlungsbau war. Die Burg fiel in Tiefschlaf.

„Wir haben sie auf Wohnungssuche Anfang 2013 entdeckt. Von da an waren wir am Haken“, sagt Miriam Hager. Etwa ein Jahr lang haben sie und ihr Mann Helge das Gemäuer in Eigenarbeit auf Vordermann gebracht. Immer gut beraten vom Denkmalschutzamt. Etwa 20 Bäume haben sie gefällt und unzählige Lagen Gestrüpp weggeschnitten. „Jetzt können wir die Alster schon wieder sehen!“

Die Treppen sind wieder intakt, das Dach gedichtet, der Garten hat Struktur. Auch die Töchter ziehen mit. „Malena (12) ist voll dabei, Fabiana (14) manchmal nur unter Protest. Aber sie wissen, dass wir verrückt sind, und sehen uns das nach“, sagt Miriam Hager. Malena steht am Parkeingang und begrüßt – ganz in weiß – die Gäste fürs Fest. Wer will, gibt eine Spende, wer nicht will, genießt bargeldlos. Eintritt erwünscht, aber Eintritt verboten: Wer kommt, darf dafür nicht zahlen müssen.

Jede gewerbliche Nutzung der Burg ist verboten, dauerhaftes Wohnen auch. Sie steht unter Denkmalschutz, der Garten ist Landschaftsschutzgebiet. „Wir wissen selbst noch nicht so genau, was kommen soll“, sagen die Hagers. Als private Wochenendwohnung kommt die Burg eher nicht in Frage. Das Vermögen der neuen Burgherren ist übersichtlicher als das der Hennebergs. Zunächst haben die Hagers eine gemeinnützige Stiftung zum Erhalt der Burg gegründet. „So können wir Veranstaltungen organisieren und auf Spendenbasis etwas Geld einnehmen.“

Die Zukunft der Burg ist noch längst nicht gewonnen. Seit 2011 war sie zu haben, aber keiner wusste etwas mit ihr anzufangen. Es fehlte an Ideen, Mut und vor allem an Idealismus.

Viel Platz für Lesungen, Schulungen, Feste, Konzerte, Yoga-Treatments, Kindergeburtstage oder Präsentationen ist nur im gut 3000 Quadratmeter großen Garten. Die Burg selbst ist eine Einzimmerwohnung mit luxuriösem Marmorbad. Aber der eine Raum hat Atmosphäre, eine Galerie und den Holzofen. Vor der Tür liegt der Steg unter Bäumen, zwei kleine Nebengebäude können als Bootshaus oder Gartenpavillon Equipment, Gartenmöbel oder kalte Getränke vorhalten.

Ihre erste Erweckung erlebte die Burg an der Poppenbütteler Schleuse 1991, als sie renoviert und mit Zustimmung der Denkmalschützer ein Glasdach über dem „Rittersaal“ bekam. Auch eine Pantry wurde eingebaut mit der Idee, die Burg behaglich bewohnen zu können. Gelegentlich wurde sie an Hochzeitspaare „gegeben“, doch durchschlagende Erfolge zur Finanzierung ihres Erhalts blieben aus. Vermietung fiel schon damals unter die lange Liste der Verbote, mit der die Burgeigner belegt sind. Auch Kooperationen mit Gastronomen scheiterten.

585.000 Euro sollte die Burg 2011 kosten. Ein halbes Jahr später waren es nur noch 498.000. Das haben die Hagers jetzt auch in etwa investiert – inklusive Renovierung und Nebenkosten. Die Pantry haben sie wieder rausgeworfen, der eine große Raum soll Geschichte atmen und keine Versorgungsfragen klären. Die dumpfen Farben haben die neuen Burgherren durch lichtes Weiß ersetzt und das schwülstige rote Ledersofa, das im Kaufpreis inbegriffen war, wurde fachgerecht entsorgt.

Die Denkmalschützer gehen pragmatisch mit den Vorschriften um. Sie fördern, was dem Erhalt dient, also auch die Stiftung und ihre Aktivitäten. Die Poppenbütteler freut das neue Leben an der Schleuse. Die Konzertabende waren mit zwei mal 40 Gästen sehr gut besucht.

Gut 150 Alstertaler haben sich schon auf der Liste der Interessenten für künftige Veranstaltungen registrieren lassen. Viele haben das sagenumwobene Gemäuer noch nie von innen gesehen und würden gern mal gucken kommen. Oder wenigstens einmal hoch oben von den Zinnen aus dem imaginären Volk zuwinken.

Näheres zur „Stiftung Burg Henneberg“ demnächst unter www.burg-henneberg.de und schon jetzt unter der Telefonnummer 0170 / 999 54 32