Kein Einzelfall: Die Eilbeker Grundschule Richardstraße soll ihre Wiese für das Wohnungsbauprogramm des Hamburger Senats opfern. Jetzt gibt es heftige Proteste von Eltern, CDU, Grünen und Linkspartei.
Eilbek. Die Grundschule Richardstraße wird abgerissen und neu gebaut. 2015 soll es losgehen, die Schule soll dann drei statt bisher zwei Klassen pro Jahrgang haben und eine neue Kita mit 70 Plätzen auf dem Gelände aufnehmen. Doch mitten in die Planungen platzte jetzt eine Elternvertreterin mit dem Wohnungsbauprogramm des Senats für 2014 in der Hand: Auf Seite 119 steht die Wiese des Schulhofs. 30 Wohneinheiten könnten dort entstehen, heißt es in der Broschüre, möglicher Baubeginn: 2015.
„Wir empfinden es als höchst merkwürdig, dass wir zufällig im Wohnungsbauprogramm unsere Schule entdecken, obwohl wir seit einem Jahr mit Behördenvertretern über der Neubauplanung gesessen haben. Da war von Wohnungsbau nie die Rede“, sagt die Elternratsvorsitzende Annette Schultes. „Wir fühlen uns verschaukelt.“ Von Schulleitung, Schulbehörde und der Finanzbehörde, die den Schulbau leitet und Eigentümer der Flächen ist, waren keine Stellungnahmen zu erhalten.
Eilbek ist kein Einzelfall. Die Finanzbehörde möchte mit Wohnungsbau und Grundstücksverkäufen ihr Sanierungs- und Neubauprogramm für die oft schon recht maroden Schulen zumindest teilweise refinanzieren. Mit dem „Musterflächenprogramm“ von 2011 hat außerdem die Schulbehörde festgelegt, wie viel Fläche die Schulen pro Schüler vorhalten sollen, und demnach sind viele Schulen rechnerisch zu groß. Die schulpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Karin Prien, kritisierte „willkürliche Festlegungen“ in einem treffender „Schulflächeneinsparprogramm“ zu nennenden Papier. Die Grünen geißelten „technokratische Planerfüllung“ für die Wohnungsbauzahlen.
Die Altonaer Stadtteilschule Am Hafen an der Königstraße etwa soll verkleinert werden, um Platz für bis zu 400 neue Wohnungen zu gewinnen. Auch die Carsten-Rehder-Schule in Altona und die Geschwister-Scholl-Schule in Osdorf sind laut Wohnungsbauprogramm als potenzielle Verkaufsflächen ausgemacht worden. Die heutige Kurt-Tucholsky-Schule soll nach derzeitigem Stand von der Kieler Straße in das Neubaugebiet der Neuen Mitte Altona verlagert werden, um auf das dann frei werdende Areal bis zu 1000 Wohnungen bauen zu können. In Steilshoop sollen mit dem Neubau des dann verkleinerten Bildungszentrums in der Stadtteilmitte zwei Grundstücke für Wohnungsbau abgezweigt werden.
Die Eilbeker Eltern wehren sich. Nach der zum Schuljahresbeginn 2017 geplanten Fertigstellung des Schulneubaus werden statt bisher 200 dann 300 Schüler und 70 Kinder aus der neuen Kita das Gelände nutzen. „Warum den Schulhof verkleinern, wenn die Schule wächst? Wir brauchen den Hof und die Wiese“, sagt Schultes.
Wohnungsbau auf der Spielwiese würde der Schule auch jede Möglichkeit für eine spätere Erweiterung nehmen. Schon in diesem Jahr mussten 33 Schüler, die sich für die ersten Klassen angemeldet hatten, abgewiesen werden. Wäre die Schule schon dreizügig, ergäbe sich immer noch ein Überhang von zehn Schülern. Und das Quartier wächst und verjüngt sich.
Eilbek ist einer der am dichtesten besiedelten Stadtteile in Hamburg. Da ist jede Grünfläche kostbar. Deshalb auch ist der Schulhof nachmittags für die Kinder im Stadtteil geöffnet. Er ist wegen der Umzäunung der einzige sichere Spielplatz im Quartier. Im Sommer sitzen da auch Oma und Opa, dann ist die Wiese rappelvoll. Schon an der benachbarten Hasselbrookstraße sollen, ebenfalls gegen erbitterten Protest aus dem Stadtteil, 60 Wohnungen und eine Kita auf einer 4000 Quadratmeter großen Grünfläche entstehen.
Aus dem Umfeld der Schule Richardstraße hieß es, Finanz- und Schulbehörde hätten auf jüngste Nachfragen beschwichtigend reagiert und erklärt, für die Schulwiese gebe es derzeit keine Anfragen von Investoren. Dass die Wiese Teil des Schulhofs bleibt, haben die Behörden demnach nicht zugesichert. „Vielleicht können wir nicht viel verhindern“, sagt Christian Richter vom Elternrat. „Aber wir haben das Protestrecht, und davon werden wir exzessiv Gebrauch machen.“
Scharfe Kritik an Bauplänen zu Lasten von Schulflächen kommt auch von der Linken. „Die öffentlichen Flächen sind dann unwiederbringlich weg“, sagt der Altonaer Bezirksfraktionschef Robert Jarowoy. „Schon jetzt werden Schulhöfe mit Containern zugepflastert oder es werden Schulen, wie in der Neuen Mitte geplant, aus Platznot als regelrechte Hochhäuser gebaut.“ CDU-Frau Prien: „Wir wehren uns mit Händen und Füßen gegen den Wohnungsbau auf Kosten der Schüler.“
Der Fall Richardstraße sei „besonders tragisch“, weil die Schule laut aktuellem Schulentwicklungsplan von 2012 nicht vergrößert werden sollte. Erst auf Grund der vielen Anmeldungen habe die Behörde umdisponiert. Grünen-Stadtplaner Olaf Duge: „Der Wohnungsbau muss hier zurückstehen.“