Hamburg. Lachen als Medizin: Ein Hamburger Verein bringt Humor zu schwerkranken Menschen und in Hospize. Außerdem unterrichtet er Pflegekräfte.
Zwei Frauen verlassen die Cafeteria im Israelitischen Krankenhaus, nehmen eine Tasche und einen bunt beklebten Koffer in die Hand. Sie sagen, dass sie ein bisschen aufgeregt seien. Beide tragen an diesem warmen Augusttag sommerliche Kleidung, und man kann es sich kaum vorstellen, dass sich Birgit Musolf und Nicole Knapp binnen kurzer Zeit verwandeln werden in die Clowns Jojo und Edwina. Und dass aus diesem Koffer plötzlich eine kleine Eule mit großen Augen entschlüpft.
Klinik-Clowns treten in Hamburg vor Patienten auf, die nicht mehr lange leben
Es ist vieles möglich an diesem Tag bei den Ülenkindern – einer stationären Schulungseinrichtung, bei der Familien schwer oder lebenslimitierend erkrankter Kinder auf die häusliche Pflege vorbereitet werden. Bis zu acht pflegeintensive Kinder oder Jugendliche können für die Dauer der Pflegeschulung ein Familienzimmer beziehen.
Klinik-Clowns treten im Altonaer Kinderkrankenhaus auf
Einige Kinder müssen beatmet werden, und die Eltern lernen den korrekten Einsatz der Geräte, andere werden über eine Sonde künstlich ernährt. Bei Alexander, drei Jahre alt, geht es um die Medikation – mehr soll aus Gründen des Datenschutzes nicht geschrieben werden.
Es ist aber vieles möglich an solchen Tagen, wenn Birgit Musolf und Nicole Knapp sich im UKE, im Altonaer Kinderkrankenhaus und bei den Ülenkindern in Clowns verwandeln. Sie haben ein unschätzbares Gut für die kleinen Patienten in ihrem Gepäck dabei: Augenblicke der Freude und Heiterkeit.
Ülenkinder in Hamburg: Das machen die Clowns
Da stehen sie plötzlich, im Gesicht geschminkt, mit Clownsnase und knallbunter Kleidung, bei den Ülenkindern und vollbringen bei Alexander ein kleines Wunder. Der Junge, der anfangs eher in sich versunken war, dreht sich sitzend im Kreis, klatscht plötzlich laut in die Hände und kreischt vor Freude. Rennt über den Flur. Eine Rakete, die Luft in einen Luftballon übertragen kann, hat es Alexander angetan, genauso wie die kleine, kuschelige Eule, die sich – Achtung: Humor – von Seifenblasen ernährt. Jojos Spielzeugeule schnappt mit dem Schnabel eine Seifenblase – und platsch! – ist sie futsch.
Die beiden Frauen, die regelmäßig in die Rolle eines Clowns schlüpfen, arbeiten mit Begeisterung für den Verein Klinik-Clowns Hamburg e. V. Er versteht sich als Botschafter des Humors und bringt das Lachen in Krankenhäuser, Seniorenheime, Hospize und überall dorthin, wo es so oft verloren gegangen ist.
Verein Klinik-Clowns wurde 2002 gegründet
Klinik-Clowns Hamburg e. V. wurde 2002 gegründet, ist als gemeinnützig anerkannt und seit 2011 Mitglied im Dachverband für Clowns in Medizin und Pflege Deutschland e. V. Insgesamt 19 Honorarkräfte des Hamburger Vereins, zwölf weibliche und sieben männliche ausgebildete Clowns, absolvieren jährlich 1500 Einsätze in rund 25 Einrichtungen. Das Besondere daran: Sie treten meist zu zweit auf und stehen nicht vor einem größeren Publikum, sondern suchen direkt den Kontakt mit einem Patienten bzw. Bewohner.
Seit Kurzem setzt der Verein auch in der Weiterbildung Akzente. „Mit dem Projekt ‚Humor in der Pflege‘ richten wir uns an die Auszubildenden an den Pflegeschulen“, sagt Ulrike Christoforidis, Leiterin der Geschäftsstelle Klinik-Clowns Hamburg e. V. „Und unser ‚team momentum‘ hat mit dem Hamburger Weiterbildungsprogramm für Seniorenclowns ein Angebot für bereits tätige Klinik-Clowns entwickelt, die sich für das Spiel in Senioreneinrichtungen weiterbilden möchten.“
Studien: Humor in der Klinik und in Senioreneinrichtungen
Längst belegen empirische Studien, welche positiven Effekte Einsätze von Clowns in Kliniken und Senioreneinrichtungen haben – und wie bedeutsam es deshalb ist, Experten und Expertinnen auf diesem Gebiet auszubilden. So kommt eine Begleitstudie der Technischen Hochschule Deggendorf (Fakultät Angewandte Gesundheitswissenschaften) zu dem Ergebnis, dass durch individuell und situativ angepasste Angebote der Clowninnen und Clowns „eine Steigerung des Wohlbefindens bei den Bewohnerinnen und Bewohnern erreicht werden kann, das sich insbesondere als emotionale Entlastung äußert“. Das komme nicht nur durch Lachen oder Spaß zustande, sondern durch ein „breites Spektrum emotionalen Erlebens“.
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Auch die Auftritte der Clowns in den Krankenhäusern haben nachweisbar positiven Einflüsse. Eine Pilotstudie der Universität Greifswald belegt, dass nach dem Besuch eines Klinik-Clowns die Konzentration des Kuschelhormons Oxytocin um etwa 30 Prozent ansteigt. Es gilt als Indikator für Wohlbefinden und Vertrauen.
Eckart von Hirschhausen: Humor für Studenten
Mit „Humor als Haltung“ sollen die Belastungen des Pflegealltags besser bewältigt werden, heißt es bei der Krankenkasse AOK. Gerade in Zeiten grassierenden Personalmangels bei den Pflegekräften. Der Mediziner Eckart von Hirschhausen ist von der Heilkraft des Humors überzeugt und sensibilisiert bereits die Medizinstudenten für dieses Thema.
Um einen Beitrag zur Weiterbildung auf diesem Gebiet zu leisten, sind Birgit Musolf, Nicole Knapp und weitere Kolleginnen im Rahmen der Schulungen „Humor in der Pflege“ auch als Dozentinnen tätig und führen bereits regelmäßig an Pflegeschulen in Hamburg und dem Umland Unterrichtseinheiten durch. „Wir vermitteln in Pflegefachschulen Themen wie Humortheorien und Humorarten sowie die Auswirkungen von Humor und Lachen auf den Körper“, sagt Birgit Musolf, die als Logopädin und seit 1998 als Klinik-Clown arbeitet, während ihre Kollegin Knapp außerdem als Trainerin und Coach tätig ist. Der Verein sieht es als großen Gewinn, den Pflegefachkräften von Morgen bereits dieses Werkzeug mitgeben zu können und die gesundheitsfördernde Wirkung von Humor direkt in den Berufsalltag zu integrieren.
Einsätze in der Kinderonkologie und bei betagten Senioren
„Wir begegnen allen Menschen wertschätzend und haben es gelernt, uns auf die unterschiedlichsten Situationen einzustellen, sei es in der Kinderonkologie oder bei hochbetagten Seniorinnen“, sagen die beiden Clowns, die sich regelmäßig weiterbilden. Gerade summen sie vor dem kleinen Alexander die Pippi-Langstrumpf-Melodie, und Edwina setzt sich ihre Ledertasche auf den Kopf. Alexander kreischt vor Lachen.
„Die Einsätze der Clowns kommen sehr gut an. Sie lenken die kleinen Patienten ab von der Krankheit und zaubern ihnen ein Lächeln ins Gesicht“, sagt Elke Meinderink, Leiterin der Einrichtung Ülenkinder. „Wir sind dankbar, dass sie regelmäßig bei uns zu Gast sind.“
Spendenkonto: Empfänger: Klinik-Clowns Hamburg e.V. , IBAN: DE40 2005 0550 1042 1437 41