Fuhlenhagen. Menschen mit Behinderung helfen auf dem Buschberghof vor den Toren Hamburgs mit. Die Verbraucher erhalten Produkte in Demeter-Qualität.
Der Tag von Margarete Weber, 59, beginnt um 6.40 Uhr. Sie steht gerne so früh auf, bereitet das Frühstück vor, holt frische Milch aus der benachbarten Meierei und speist mit anderen Bewohnern des Buschberghofs in Fuhlenhagen (Kreis Herzogtum Lauenburg). Danach werden Arbeiten erledigt, die gerade auf dem Hof anfallen: Möhren ernten, Hühner füttern, abwaschen, Butter in Papier verpacken. Margarete braucht für 80 Stück nur eine halbe Stunde. Die Milch dafür liefert die „Butterkuh“, das Angler Rotvieh alter Zuchtrichtung.
Buschberghof: Zusammenleben und Therapie
Margarete, die seit 40 Jahren mit ihrer Behinderung auf dem Buschberghof lebt, strahlt, wenn sie von den sozialtherapeutischen Angeboten erzählt, von heiteren Spieleabenden bei „Mensch ärgere dich nicht“ und Kniffel, vom gemeinsamen Malen, Trommeln und den Festen. Der Hof mit seinen Menschen, Tieren und Pflanzen ist längst ihr Zuhause geworden. Sie stapft in ihren Gummistiefeln zum Ernteeinsatz auf das schier endlos lange Möhrenfeld. „Seht, da blüht noch immer Calendula, die Ringelblume.“ Plötzlich läuft schnüffelnd ein Nutria durch die abgeernteten Blumenkohl-Pflanzen.
Möhrenernte als sozialtherapeutisches Angebot
Anja Deppisch, ebenfalls eine betreute Bewohnerin in der sozialtherapeutischen Einrichtung des Buschberghofs, kniet bereits auf dem fruchtbaren Feld und zieht kolossal gewachsene Möhren aus der Erde. Sie würden jede Norm der Supermärkte sprengen. Gärtnerin Ellen Nienstedt und Annina Ziehe, eine Praktikantin, helfen ebenfalls mit.
Buschberghof hat zwei Standorte - im Dorf und auf dem Berg
Der Lauf der Jahreszeiten prägt das Leben auf dem Buschberghof. Jetzt steht die Möhren- und Kohlernte an, später werden Lämmer geschlachtet, und im Frühjahr sprießt in Gewächshäusern der erste grüne Salat. Der Buschberghof mit seinen beiden Standorten in Fuhlenhagen (im Dorf, auf dem Berg) ist ein ganz besonderer Betrieb. Sozialtherapie, biologisch-dynamische Landwirtschaft, Gemüseanbau, Meierei und Bäckerei gehen hier Hand in Hand.
Solidarische Landwirtschaft mit rund 100 Haushalten
Die Basis des Erfolgs ist das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft. Die Lebensmittel werden nicht über den freien Markt vertrieben, sondern fließen in einen eigenen, durchschaubaren Wirtschaftskreislauf, der von Verbrauchern mit organisiert und finanziert wird. Es ist eine Symbiose, von der alle profitieren: Die 300 Mitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft in ca. 100 Haushalten rund um Fuhlenhagen zahlen monatlich einen Orientierungssatz, der den Etat des Hofes deckt, und erhalten dafür Produkte in Demeter-Qualität.
Und die 14 betreuten Mitarbeiter, die in dem gelben, großzügig gestalteten Haus auf dem Berg leben, sind mit ihrer geistigen Behinderung, ihrer psychischen Erkrankung und den Lernschwierigkeiten nicht allein. Und schließlich gibt es auch noch die fachlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier in Lohn und Brot stehen.
Demeter-Qualität: Immer dienstags werden Lebensmittel abgeholt
Es ist Dienstag. Margarete und die anderen betreuten Menschen sind schon seit der Früh auf den Beinen. Einige haben bereits Brot (Bauernbrot, Gewürz- und Rosinenbrot zum Beispiel) gebacken, Käse verpackt, einen großen Bottich mit Quark gefüllt, Gemüsekisten mit Blumenkohl, Zucchini, Mangold und Kürbis geschleppt und für die einzelnen Verbraucher-Standorte in Hamburg, Mölln und rund um Fuhlenhagen gefüllt. Jetzt ist alles bereit zum Abholen.
Das sagen die Mitglieder der Solidarischen Landwirtschaft
Und tatsächlich treffen um 16 Uhr die ersten Mitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft ein, um die frischen Produkte für ihre jeweiligen Standorte abzuholen. Dazu gehört auch Annette Bopp aus Hamburg-Tonndorf, die seit 23 Jahren begeistert dabei ist. „Die Produkte schmecken wirklich nach dem, was sie sind und nicht nach Wasser oder gar nix“, sagt sie. „Und es entsteht kein Verpackungsmüll. Wir nutzen, was der Hof hergibt – und das saisonal und regional.“
Der Buschberghof und sein soziales Netzwerk
„Weil ich hier schon so lange lebe und arbeite, kenne ich viele Mitglieder“, sagt Margarete Weber. Sie hat Kinder aufwachsen sehen, die nun selbst bei der Wirtschaftsgemeinschaft mitmachen, und pflegt Brieffreundschaften mit ihnen. Sie hat mit den Familien Erntedank- und Maifeste gefeiert. Und sie hat, wie andere betreute Menschen, auch selbst Hilfe von ihnen erfahren, wenn es zum Beispiel darum ging, Behördengänge vorzubereiten oder zu erledigen. Man hält eben solidarisch zusammen.
Wurzeln des Hofes liegen in der Anthroposophie
Patricia Riederer, die Leiterin der Sozialtherapie, und Johanna Hildebrandt, die Bäuerin, sitzen in einem gemütlich eingerichteten, hellen Wohnzimmer der Einrichtung und berichten von den Anfängen des Buschberghofs im Jahr 1968. Wie Mitbegründer Carl-August Loss von den Schriften des Anthroposophen Rudolf Steiner und dessen Konzept einer biologisch-dynamischen Landwirtschaft begeistert war. Wie diese Prinzipien noch heute in der Solidarischen Landwirtschaft (Community Supported Agriculture) angewandt werden, zu deren Vordenkern Trauger Groh (1932-2016) gehörte. Es ist der Vater von Patricia Riederer und hat als Landwirt nie einen eigenen Quadratmeter Boden besessen.
Bauernhof in Fuhlenhagen mitten in ländlicher Idylle
Und wie 1988 die Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde. „Wir denken Wirtschaft nicht für den Markt, sondern für die Menschen“, sagt Patricia Riederer. Das anthroposophische Menschenbild präge auch das sozialtherapeutische Handeln. „Wir sehen im Menschen nicht vorrangig die Behinderung und die Defizite, sondern schauen auf die positiven Fähigkeiten und fördern sie.“ Der Hof sei ein Ort, an dem die Bewohner mit ihren Stärken ebenso wie mit ihren Einschränkungen leben könnten. „Und weil wir eng zusammenleben, können wir beginnende Krisen frühzeitig erkennen.“
Der Buschberghof verfügt über 116 Hektar Land
Wer hier lebt und arbeitet, müsse das Landleben mögen und nicht das Bedürfnis haben, jeden Tag gern zu einem Kiosk zu gehen, fügt Patricia Riederer schmunzelnd hinzu. Denn die nächste Einkaufsmöglichkeit sei weit weg. Dafür erlebt man hier ländliche Idylle abseits der Großstadt mit zahlreichen Betätigungsfeldern.
Wie Bäuerin Johanna Hildebrandt sagt, gehören zum Hof 116 Hektar Land, 30 Milchkühe (Angler Rotvieh) mit Jungtieren und Bullen, Angler Sattelschweine, eine alte schleswig-holsteinische Haustierrasse, zudem Schafe, Hühner, Enten und Gänse, eine Gärtnerei, Meierei sowie eine Bäckerei, die wöchentlich rund 300 Brote bäckt. Überall werden helfende Hände gebraucht. Gern können auch die Mitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft mit zupacken.
Rundmail an die Mitglieder: „Wir freuen uns auf Hilfe“
So schrieb Patrica Riederer vor kurzem in einer Rundmail an sie: „Der Brückentag und der Feiertag könnten doch ideale Tage sein, um auf den Hof zu kommen und Kohl zu ernten. Die Möhren sind drin, aber Rotkohl und Weißkohl müssen dringend unter Dach! Wir freuen uns auf Hilfe.“
Während in der Sozialtherapie derzeit alle Plätze belegt sind und neue Anfragen nicht bearbeitet werden können, gibt es in der Wirtschaftsgemeinschaft noch freie Kapazitäten. Wer sich also gesund, regional und saisonal ernähren und landwirtschaftliches Leben aus nächster Nähe kennenlernen will, ist hier genau an der richtigen Stelle.
Zudem sucht der anerkannte Demeter-Betrieb regelmäßig neue Fachkräfte, denn es ist nicht immer leicht, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, die beispielsweise das Handwerk des Käsens beherrschen oder eine Rinderherde betreuen können.