Hamburg. Am Morgen kleben sich junge Menschen auf der Fahrbahn fest. Am Nachmittag springt ein Schwimmer in die Elbe. Die Kritik ist scharf.
Die nächsten Verkehrsblockaden im Namen des Klimas im Hamburger Hafen: Aktivisten vom „Aufstand der letzten Generation“ haben sich zunächst am Montagmorgen auf Höhe des Eurogate-Terminals vor der Köhlbrandbrücke mit Sekundenkleber und Bauschaum auf der Straße festgeklebt. Laut Polizei Hamburg blockierten sie die Straße dort von 7.19 Uhr an. Die Köhlbrandbrücke war mehrere Stunden gesperrt.
Gegen 10 Uhr haben Polizisten damit begonnen, die Aktivisten von der Fahrbahn zu lösen. „Die Brücke bleibt jedoch bis zum Ende der Fahrbahnreinigung der verschütteten Flüssigkeit gesperrt“, teilte die Polizei eine halbe Stunde später mit. Denn offenbar hatten die Aktivisten neben Kleber noch Rapsöl auf der Fahrbahn verteilt. Die Stadtreinigung musste anrücken, sodass die Köhlbrandbrücke um kurz vor 11 Uhr zumindest in Richtung A7 wieder freigegeben werden konnte.
Stau Hamburg: Aktivisten blockieren Köhlbrandbrücke
Die Aktion sorgte im Berufsverkehr für Stau auf der A7 in Richtung Norden. Ab Marmstorf standen vor allem Lkw, die den Hafen ansteuern wollten, auf vier Kilometern. Ab Heimfeld mussten auch die Autofahrer mehrere Kilometer lang auf die Weiterfahrt warten. Ebenfalls auf der A7, aber nördlich von Hamburg, hat es außerdem wegen extremer Glätte mehrere Unfälle gegeben.
„Die massiven Störungen im Hafen sind nichts im Vergleich zu Störungen durch Fluten, Dürren, Essensknappheit. Es ist unsere Pflicht, gegen eine todbringende Politik Widerstand zu leisten“, twitterten die Aktivisten dazu. In einem Video, das sie selbst ins Netz gestellt haben, ist zu sehen, wie sie den Verkehr ausbremsen und sich mit ihren Bannern vor die Lkw stellen. „Essen retten, Leben retten“ steht darauf. Die Gruppe fordert ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung und eine Agrarwende, um Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft zu senken.
CDU und FDP kritisieren Blockadeprotest der Aktivisten
Die Hamburger FDP-Europaabgeordnete und Handelsexpertin Svenja Hahn verurteilt die Art und Weise des Protests. „Politik muss immer durch Dialog und Kompromiss gestaltet werden. Durch Erpressung und Blockade kann keine gemeinsame Lösung zustande kommen“, teilte Hahn mit, die nach eigenem Bekunden zwar das Ziel der Gruppe, Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen, teile. „Um Menschheitsaufgaben, wie den Klimawandel, zu bewältigen, braucht es aber einen demokratischen Diskurs und Zusammenarbeit mit internationalen Partnern“, so Hahn.
Der Hamburger CDU-Fraktionschef Dennis Thering verurteilt die Aktion mit deutlich schärferen Worten: „Bereits seit einigen Wochen blockieren Chaoten immer wieder wichtige Verkehrsachsen der Stadt und verursachen dadurch ein Verkehrschaos zum Nachteil der gesamten Stadt und hohe wirtschaftliche Schäden“, sagt Thering, der die Form des Protests für „inakzeptabel und unzulässig“ hält. Für Pendler seien die Blockaden ein Ärgernis, für Wirtschaftsunternehmen stellten sie einen „enormen finanziellen Schaden“ dar.
„Und falls Rettungskräfte nicht rechtzeitig zum Einsatzort gelangen, eine äußerst gefährliche, gegebenenfalls auch lebensbedrohliche, Situation“, sagt Thering, der für eine „konsequente Null-Toleranz-Strategie“ plädiert. „Die Stadt darf sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen. SPD und Grüne im Senat müssen endlich aufwachen und handeln.“
„Hamburg ist Schauplatz der Zerstörung“
Die Aktivisten hatten sich den Hamburger Hafen gezielt für ihren nächsten Protest ausgesucht. „Hamburg ist Schauplatz der Zerstörung. Sein Hafen zeigt das todbringende industrielle Weiter-So, während die Auswirkungen der Klimakrise hier bald nicht mehr zu übersehen sein werden“, teilten die Aktivisten am Morgen mit. Ein Leben wie heute werde es Ende dieses Jahrhunderts in der Hansestadt nicht mehr geben. „Stürme und Hochwasser zeigen uns heute, wie zunehmende Extremwetterereignisse unsere Stadt zerstören werden“, sagte Aktivistin Carla Hinrichs.
Diese Aussage kritisiert FDP-Politikerin Hahn scharf. „Der Hamburger Hafen ist das Tor zur Welt und somit das Symbol für Kooperation und Weltoffenheit.“ Er sei ein Schauplatz der internationalen Zusammenarbeit und kein „Schauplatz der Zerstörung“.
„Essensretter“ steigt in Hamburger Hafenbecken, um Schiffsverkehr zu stören
Dennoch ließ die „Letzte Generation“ am Montagnachmittag die nächste Aktion folgen: Gegen 14 Uhr stieg ein selbst ernannter „Essensretter“ in ein Hafenbecken, um den Schiffsverkehr zu stören. „Meine Moral und meine Menschlichkeit verlangen es von mir, nicht tatenlos zuzusehen, während Olaf Scholz meine Mitmenschen in Hungersnöte führt“, wurde der Aktivist Kevin Hecht von der Gruppe in einer Mitteilung zitiert. „Wir wollen Sicherheit statt einem todbringenden Weiter-So. Wir wollen Bürgerrat statt Hunger, Hochwasser und Sturm“.
Der Mann hatte die Aktion zuvor der Wasserschutzpolizei angekündigt, wie Polizeisprecher Thilo Marxsen dem Abendblatt sagte. Die habe ihn dann im Bereich Parkhafen/Waltershofer Hafen nahe dem Container-Terminal Burchardkai aus dem Wasser gezogen und Kollegen an Land übergeben. Es sei ein Platzverweis erteilt worden.
Um auf ihre Ziele aufmerksam zu machen, hat die Gruppe seit Ende Januar immer wieder Autobahnen blockiert, vor allem in Berlin, aber auch in Hamburg, München und anderen Städten. In der Hansestadt haben die Aktivisten zuletzt die Billhorner Brückenstraße in Rothenburgsort und den Horner Kreisel blockiert, was zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen geführt hatte.
Blockiert die Gruppe bald auch den Flughafen Hamburg?
Nach Aktionen auf Autobahnen hatte die Gruppe am Sonntag eine Ausweitung ihres Protests auf Häfen und Flughäfen angekündigt, falls es bis zum Abend keine konkrete Zusagen der Bundesregierung zur Umsetzung eines Lebensmittelrettungsgesetzes geben sollte.
Nach ihren Angaben gab es bundesweit bislang 60 Aktionen, 210-mal seien Aktivisten in Gewahrsam genommen worden. Für ihr Vorgehen erntet die Gruppe scharfe Kritik nicht nur von Autofahrern, sondern auch aus der Politik, weil Verkehr und Menschen gefährdet werden könnten. Keine politische Forderung rechtfertige es, rechtsstaatliche Grenzen zu brechen, hieß es. Die Polizei stellte Dutzende Strafanzeigen.
Im Namen des Klimas wichtige Straßen blockieren
Ihre Aktionen ähneln denen der Klimaaktivisten von Extinction Rebellion. Immer wieder kleben sich einzelne Anhänger der Gruppe auf der Fahrbahnoberfläche fest. Extinction Rebellion konzentriert sich bei den Aktionen auf Hauptverkehrsstraßen, um auf den „drohenden Kontrollverlust durch die Klimakrise“ aufmerksam zu machen. Sie fordern den Senat auf, eine „Bürger:innenversammlung“ einzuberufen, die verbindliche Maßnahmen zum Erreichen der Klimaneutralität beschließen kann.