Hamburg. Falscher Kommissar bringt einen Rentner dazu, 33.000 Euro von seinem Konto abzuheben. Ein Haspa-Mitarbeiter ruft die Polizei.
Günther Wewer strahlt. Trickbetrüger ausgetrickst, Geld gerettet. Da darf man sich mal freuen. Wewer hatte Glück, und so richtig kann es der 83-Jährige noch nicht fassen, dass sein Sparkonto weiterhin gut gefüllt ist. Eine Betrügerbande, die ihn mit der miesen Masche „falscher Polizeibeamter“ hereinlegen und um viel Geld bringen wollte, scheiterte nur, weil ein Kundenberater der Hamburger Sparkasse geistesgegenwärtig die Polizei einschaltete. Hätte Wewer wie geplant im Alleingang gehandelt – seine Ersparnisse in Höhe von rund 33.000 Euro wären wohl weg.
Jetzt nutzt der 83-Jährige die Chance, sich in der Haspa am Finkenwerder Norderdeich persönlich bei seinem „Retter“ zu bedanken. Auch das Abendblatt ist dabei, als der joviale Rentner von den Geschehnissen berichtet. Am 22. Januar, so Wewer, habe er einen Anruf erhalten, am Apparat ein Mann, der sich als Ermittler des Hamburger Raubdezernats ausgab, ein gewisser „Kommissar Schwarz“. Man habe zwei Einbrecher gefasst, die in Neuenfelde, wo Günther Wewer wohnt, ihr Unwesen trieben, erzählt „Kommissar Schwarz“.
Perfide Masche der Trickbetrüger
Seine Kollegen hätten in einer Sporttasche der Männer einen Zettel gefunden, auf dem stehe auch Wewers Name. Man müsse davon ausgehen, dass Kriminelle es auf ihn abgesehen hätten. Ob er Goldbarren besitze? Oder 50.000 Euro auf seinem Konto lägen? Vielleicht ein Schließfach? Wewer solle bloß aufpassen, denn man habe ermittelt, dass die Bande einen noch unbekannten Komplizen bei der Bank eingeschleust habe. Wewers Geld, lautet die „Warnung“, sei in höchster Gefahr: „Sie sollten es in Sicherheit bringen.“
Als Wewer leicht misstrauisch fragt, wo er ihn telefonisch erreichen könne, bietet ihm der falsche Polizist an, er könne ihn doch unter der 110 zurückrufen. Wewer müsse nur kurz am Apparat bleiben. Dann hört der Rentner ein Geräusch, das klingt wie ein Freizeichen – in Wirklichkeit gaukeln die Kriminellen ihm die Unterbrechung der Verbindung nur vor. Wewer wählt 110 und spricht tatsächlich mit einem Komplizen des Anrufers, der sich als Kollege des angeblichen Kripobeamten ausgibt – ob er ihn mal durchstellen solle? Die echte Polizei würde indes nie von der 110 aus anrufen. Wewer, in großer Sorge um sein Erspartes, grübelt, bis um 4 Uhr liegt er wach. Dann trifft er eine Entscheidung.
Haspa ist strategischer Partner der Polizei
Am Morgen geht er zur Haspa auf Finkenwerder, um 33.000 Euro in bar abzuholen und dann im Safe seines Nachbarn zu deponieren. Für den Fall, dass die Angestellten ihn fragen, wofür er so viel Geld auf einmal braucht, hat er sich eine „Notlüge“ zurechtgelegt: Seine Tochter benötige dringend Geld zur Überbrückung eines Hauskredits. Doch der Bankangestellte wird stutzig und hält Rücksprache mit der Tochter. Sie bestätigt Wewers Legende – der Rentner hatte sie zuvor eingeweiht. Zur Sicherheit gibt die Bank Wewer das Geld aber nicht in bar, sondern überweist es auf das Konto einer Fremdbank.
Die Haspa ist bei der Bekämpfung von Trickbetrügereien seit Jahren strategischer Partner der Polizei. Dutzendfach hat sie geholfen, Hamburger Rentner vor einem finanziellen Fiasko zu bewahren. Obgleich bei dem Geldtransfer scheinbar alles mit rechten Dingen zugeht, bleibt Matthias Grumt, stellvertretender Leiter der Haspa-Filiale, misstrauisch und verständigt die Polizei. Kurz darauf kommen zwei Beamte. Die Polizisten hätten ein „energisches Wort“ mit ihm gesprochen, sagt Wewer. „Sie fragten, ob ich denn geglaubt habe, mit dem Bargeld auch nur 200 Meter weit zu kommen.“ Da ahnt der Rentner: Er ist nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt.
Viele neue Varianten der Methode
„Die Betrüger haben die Rechnung ohne den Kundenberater gemacht. Weil er den richtigen Riecher hatte, blieb das gesamte Ersparte unangetastet“, sagt Uwe Rehmke, Leiter der Polizeiwache Neugraben, zu der auch der Bereich Finkenwerder gehört. Was Wewer widerfuhr, hat sich so oder so ähnlich Hunderte Male in Hamburg abgespielt. Mit dem Enkeltrickbetrug fing es Ende der 1990er-Jahre an.
Diese Masche ist die Ur-DNA des Trickbetrugs zulasten alter Menschen, aus ihr haben sich viele neue Varianten entwickelt. Da sind die Schockanrufer, die ihre betagten Opfer glauben lassen, dass ein Verwandter einen Autounfall erlitten habe und nun dringend Geld für die medizinische Behandlung benötigten. Da sind die falschen Handwerker, die darauf lauern, in einem unbeobachteten Moment die Wohnung ihrer Opfer leer zu räumen.
Im vorigen Jahr blieben zwar mindestens 3622 Trickanrufe bei Hamburgern erfolglos. Doch jene 52 Hamburger, die den Kriminellen auf den Leim gingen, verloren insgesamt rund zwei Millionen Euro. Bundesweit liegt der durch falsche Polizisten angerichtete Schaden bei mehr als 100 Millionen Euro.
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Wenn die Täter Erfolg haben, dann richtig. „Sie erbeuten häufig höhere, teils sogar fünfstellige Summen“, sagt Polizeisprecher Florian Abbenseth. Dabei sei das miese Spiel eigentlich leicht zu durchschauen – so würden echte Polizisten beispielsweise am Telefon nie nach finanziellen Verhältnissen fragen. Wer angerufen wird und ein unangenehmes Gefühl hat, für den hat Abbenseth einen einfachen Rat: „Legen Sie auf, nur so werden Sie den Betrüger los“, so der Hauptkommissar. „Aufzulegen ist in solchen Fällen nicht unhöflich, sondern wichtig!“
Zu Dutzenden sitzen die Täter irgendwo im Ausland, in sogenannten Callcentern, und durchforsten die (öffentlichen) Telefonverzeichnisse nach Namen, die altmodisch klingen. Allein 2020 hat die Polizei bis Mitte Januar schon rund 400 weitere Fälle erfasst. Sechs von ihnen waren erfolgreich. Die Beute: 80.000 Euro. Das Problem sei „aktueller denn je“, sagt Lutz Jaffé vom Weißen Ring. „Die Opfer sind traumatisiert, fassungslos und schämen sich, fragen sich immer wieder: Wieso bin ich darauf reingefallen?“ So wie zunächst Günther Wewer. Für ihn kam die Rettung in letzter Sekunde – und das lässt den Rentner noch immer vor Glück strahlen.