Hamburg. Falsche Polizisten spielen Spionage-Software auf Computer – und den Opfern wird ein Rückruf bei der Polizei vorgegaukelt.

„Mein Engel“, sagt Armgard von Heppen und umarmt Barbara von Meer. Es ist eine herzliche Begrüßung. Nicht gespielt. Armgard von Heppen hat der Mitarbeiterin der Hamburger Sparkasse viel zu verdanken. Man kann es auf Euro und Cent berechnen – denn 14.000 Euro hätte sie beinahe an Betrüger überwiesen. Sie ist auf eine Masche hereingefallen, die neu ist. Es ist eine Mischung aus klassischem Trickbetrug und Cybercrime. Die Täter hatten sie in einem drei Stunden langen Gespräch überreden können, eine Spionage-Software auf ihrem Laptop zu installieren, mit der ihr Computer „ferngesteuert“ wurde, und ihr Passwort für ihre Bankgeschäfte zu verraten. Barbara von Meer verhinderte, dass tatsächlich Geld ins Ausland transferiert wurde.

Armgard von Heppen ist nicht das Opfer, wie man es sich vorstellt. Die 84-Jährige gehört nicht zu denen, die man vermeintlich leicht über den Tisch ziehen kann. Bis vor zehn Jahren arbeitete die Rechtsanwältin noch bei der öffentlichen Rechtsauskunft. Ihr Auftreten ist elegant. Ihre Worte gut gewählt. Sie steht, wie man so sagt, mitten im Leben. Und sie ist natürlich auch online. Dazu hat sie einen Laptop, über den sie auch ihre Bankgeschäfte abwickelt.

„Mein Verstand war schon ausgeschaltet“

Über die drei Stunden, die die Täter sie an der „Strippe“ hatten, sie mit einer ausgeklügelten Gesprächsführung vereinnahmten, sagt sie jedoch: „Mein Verstand war schon ausgeschaltet.“ Sie habe alles gemacht, was die gesagt hätten.

„Ich war an dem Tag ohnehin in schlechter Verfassung“, sagt die 84-Jährige. Gerade hatte sie erfahren, dass ihr Schwager erkrankt ist. Eine halbe Stunde später klingelte das Telefon. Angeblich war ein Polizist namens „Neumann“ am Apparat. Es war eine fast „klassische“ Betrugsgeschichte, die der Anrufer erzählte. Es ging um einen versuchten Einbruch, um die Sparkasse, bei der sie ist. Und um einen „Maulwurf“ in dem Geldinstitut, der Kundendaten und Passwörter verraten habe.

Armgard von Heppen war deshalb misstrauisch. „Ich wollte die Polizei anrufen“, sagt sie. Über die 110. So wie es immer geraten wird. „Kein Problem“, sagte der Anrufer. „Warten Sie auf das Freizeichen. Dann können Sie die 110 wählen.“ „Das habe ich getan“, sagt die Frau.

84-Jährige wählte die Notrufnummer

Was die 84-Jährige nicht merkte: Sie war immer noch in der Leitung. „Ich hatte die Notrufnummer gewählt. Dann meldete sich ein weiterer angeblicher Polizist“, erzählt sie. Umständlich wurde sie verbunden. Es dauerte, bis sich wieder der „Beamte Neumann“ meldete. Damit war der „Sack zu“. Armgard von Heppen war sich sicher, mit der Polizei zu sprechen.

Der Anrufer überredete die 84-Jährige dazu, einen „Teamviewer“, eine Software, runterzuladen, die eigentlich für Service- und Wartungszwecke gedacht ist. Mit ihr kann man von jedem beliebigen Platz aus über einen Computer auf den Rechner zugreifen, auf dem das Programm installiert worden ist.

„Ich konnte das eigentlich gar nicht“, sagt von Heppen. „Ich war auch ziemlich aufgeregt.“ Der Anrufer aber behielt die Ruhe, Schritt für Schritt erklärte er ihr die Installation. Nicht nur das. Der Täter hatte keine Eile. Er forderte die Frau sogar auf, sich in Ruhe erst einmal einen Kaffee zu machen. „Man hatte das Gefühl, dass man sehr liebevoll umsorgt wird“, sagt von Heppen.

Haspa fiel ungewöhnliche Auslandsüberweisung auf

Dann entlockte der Täter ihr auch das Passwort für ihr Konto. Angeblich aus Sicherheitsgründen. „Sie bekommen morgen von der Staatsanwaltschaft ein neues Passwort“, log der Betrüger. Dann forderte er die 84-Jährige auf, bei der Has­pa anzurufen, um das Limit für Auslandsüberweisungen zu erhöhen. Alle Bedenken wischte der Täter weg. „Sie müssen uns helfen, um an die Hintermänner zu kommen. Das ist nur eine fiktive Überweisung“, sagt der Mann. Morgen, so log er, habe sie ihr Geld zurück.

Bei der Haspa fiel die ungewöhnliche Auslandsüberweisung auf. Barbara von Meer rief die Kundin an. „Das war nicht die Frau von Hoppe, die ich kenne“, sagt die Sparkassenmitarbeiterin. Das Gespräch sei „merkwürdig“ gewesen. Schließlich kam heraus, dass hier ein Betrug läuft. „Ich habe dann die 110 gewählt“, sagt von Meer. Drei Minuten später stand die echte Polizei bei der 84-Jährigen vor der Tür. Eine Auslandsüberweisung über 10.000 Euro in die Türkei wurde gestoppt. Eine zweite Überweisung über 4000 Euro im Inland konnte zurückgeholt werden.

Masche ist bekannt

„Dass ältere Menschen von angeblichen Polizeibeamten angerufen werden, ist nicht so neu“, sagt der amtierende LKA-Chef Mirko Streiber. Diese „miese Masche“ ist bekannt. Viele Angerufene seinen skeptisch. Deshalb wurde die Gesprächsführung offenbar angepasst. Vor allem der vermeintliche Rückruf bei der Polizei unter 110 würde Zweifel wegwischen. Dass sie tatsächlich in derselben Leitung bleiben, fällt den Opfern meist nicht auf. Neu ist laut Streiber vor allem, dass in dieser Kombination ein „Teamviewer“ installiert wird. „Man hat hier zwei Maschen – die Anrufe vom Polizisten und eine Variante des Cybercrimes – zusammengelegt“, sagt er.

Bislang waren es immer angebliche Microsoft-Mitarbeiter gewesen, die ihre Opfer zur Installation der Spionage-Softwaren gebracht haben. Dabei ging es um das Ausspähen von Daten, um Identitäten stehlen zu können oder an Kreditkartendaten zu kommen.

Dahinter stecken vermutlich dieselben gut organisierten kriminellen Gruppen aus der Türkei, die von professionellen Callcentern aus ihre Opfer anrufen lassen. Selbst in der Polizeieinsatzzen­trale rief ein angeblicher Microsoft-Mitarbeiter an – als er merkte, wo er gelandet war, legte er einfach auf.