Hamburg. Polizei lobt: Weniger Straftaten insgesamt. Überdurchschnittlich viele Flüchtlinge unter den Verdächtigen. CDU übt Kritik.

Genau 239.230 Straftaten wurden im vergangenen Jahr in der Hansestadt angezeigt. Das entspricht einem Rückgang um 4729 Taten (1,9 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig erhöhte sich die Aufklärungsquote von 43,8 Prozent auf 44,8 Prozent. Er sei „stolz wie Bolle“, sagt Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer über die am Mittwoch vorgelegte Kriminalstatistik 2016 für Hamburg.

Polizeipräsident Ralf Martin Meyer bei der Vorstellung der Kriminalstatistik 2016
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer bei der Vorstellung der Kriminalstatistik 2016 © André Zand-Vakili

Auch bei Wohnungseinbrüchen ging die Zahl der angezeigten Taten von 9006 auf 7510 zurück. Das entspricht einem Rückgang um genau ein Sechstel (16,6 Prozent). Die Aufklärungsquote stieg bei Einbrüchen in Häuser und Wohnungen von 8,7 Prozent auf 11,9 Prozent. Einen großen Anteil daran hat die Soko „Castle“, die gezielt nach Einbrüchen ermittelt, hinter denen Serientäter und Banden vermutet werden. Meyer hatte die Sonderkommission erst 2015 eingerichtet.

Kommentar: Stolz wie Bolle?

Als „historisch“ bezeichnete die Polizei den Rückgang der angezeigten Raube auf 2447 Fälle. Zuletzt waren im Jahr 1981 weniger Raube angezeigt worden (2263). Außerdem ging 2016 die Zahl der Taschendiebstähle zurück – um 8,8 Prozent. Eine deutliche Zunahme gab es im Bereich der Rauschgiftkriminalität – das sind sogenannte „Kon­trolldelikte“. Das heißt, je mehr Drogendelikte die Polizei aktiv aufdeckt, desto mehr Straftaten werden erfasst und fließen in die Statistik ein. 10.484 Fälle wurden 2016 registriert. Das sind 1071 Taten (9,2 Prozent) mehr.

Zugleich stieg der Anteil der Ausländer an den Tatverdächtigen von 45,2 auf 47,4 Prozent. Bereinigt um ausländerrechtliche Delikte, beträgt der Anteil noch 43 Prozent. Überdurchschnittlich sind Flüchtlinge beteiligt: Sie stellen 9,1 Prozent aller Tatverdächtigen in Hamburg. Innensenator Andy Grote (SPD): „Wir haben insgesamt ein erhebliches Problem mit nicht deutschen Tatverdächtigen.“

Elf Menschen starben 2016 bei Gewaltverbrechen

Die aktuelle Kriminalstatistik liest sich dennoch positiv wie lange nicht mehr: Die Zahl der registrierten Straftaten liegt in vielen Bereichen, berücksichtigt man die vergangenen 20 Jahre, unter dem Durchschnitt. Vor allem die Zahl der Delikte, die das Sicherheitsgefühl der Hamburger beeinträchtigen, ging zurück. Auch in vielen herausragenden Deliktfeldern ist die Zahl der Taten unterdurchschnittlich. Bei den Raubüberfällen liegt die Belastung mit 2447 Taten deutlich unter dem Durchschnitt von 3854 Fällen. Nimmt man spezielle Bereiche wie den Handtaschenraub, ist man mit 85 Taten im vergangenen Jahr weit unter dem 20-Jahres-Durchschnitt von 279 Fällen.

Auch um ihr Auto müssen die Hamburger heute deutlich weniger fürchten. 2333 Fahrzeuge wurden im vergangenen Jahr gestohlen – 1142 weniger als im langjährigen Mittel. Die Gewaltkriminalität ist im vergangenen Jahr ebenfalls unterdurchschnittlich hoch gewesen. 8605 Fälle waren es 2016. Der Durchschnitt liegt bei 9091. 2016 hat noch einen weiteren historisch niedrigen Wert: Elf Menschen starben in der Hansestadt im vergangenen Jahr bei Gewaltverbrechen wie Mord und Totschlag. Das ist der niedrigste Wert seit weit über 20 Jahren.

Deutlich mehr Sexualdelikte

Einen klar negativen Trend gibt es bei den Sexualstraftaten. So ist die Zahl der Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen kräftig gestiegen, und zwar von 145 auf 181 (plus 25 Prozent). Eine starke Zunahme registrierte die Polizei auch bei den Beleidigungen auf sexueller Grundlage. Die Zahl der Fälle stieg um 507 auf 1438, also um 54,5 Prozent. Hintergrund seien die Silvesterübergriffe beim Jahreswechsel 2015/2016 und eine erhöhte Anzeigebereitschaft der Opfer, auch aufgrund der Medienberichterstattung über die massenhaften Übergriffe auf junge Frauen, sagte der Leiter des Landeskriminalamts, Frank-Martin Heise. In der Tat gibt es bei Sexualstraftaten eine hohe Dunkelziffer. Viele Frauen zeigen solche Delikte gar nicht erst an, auch weil die Beweislage oft schwierig ist und die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung gering.

Beim Wohnungseinbruch sieht es ebenfalls trotz der jüngsten Erfolge nicht so gut aus. 6976 Einbrüche gab es durchschnittlich in den vergangenen 20 Jahren. Im vergangenen Jahr wurden 7510 Taten gezählt. Ein Trostpflaster ist, dass es in 43,3 Prozent der Fälle den Tätern nicht gelang, in eine Wohnung oder ein Haus einzusteigen.

CDU kritisiert rot-grünen Senat

„Ich denke, wenn man die Zahlen in der Gesamtheit auf sich wirken lässt, kann man sehen, dass es eine sehr erfolgreiche Bilanz für 2016 ist“, resümiert Innensenator Andy Grote (SPD). „Es ist eine der besten Bilanzen auf ein Jahr in der überschaubaren Vergangenheit.“ Man habe nicht nur einen Rückgang der Kriminalität verzeichnet, sondern auch „Erfolge in vielen wichtigen einzelnen Deliktsfeldern erzielt“.

CDU-Politiker Dennis Gladiator sieht das naturgemäß anders. „Rot-Grün kommt bei der Bekämpfung der Kriminalität allenfalls im Schneckentempo voran. Der leichte Rückgang bei den Straftaten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Hamburg bei der Kriminalitätsbelastung weiterhin auf einem Zehnjahreshoch befindet und die Aufklärungsquote trotz marginaler Verbesserung weiterhin erschreckend gering ist.“ Anlass zur Sorge müsse der massive Anstieg bei den Sexualdelikten um fast 25 Prozent und der erhebliche Zuwachs bei den Rauschgiftdelikten geben, sagt der Innenpolitische Sprecher der CDU.

Jan Reinecke, Landesvorsitzender vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, moniert Organisationsschwächen bei der Polizei. „Beispielgebend hierfür sind die Vorgangshalden in der zentralen Betrugssachbearbeitung und der Geldwäschebekämpfung.“ Lob kommt von Polizeigewerkschafter Joachim Lenders für Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. „Er hat sich mit seinem Weg durchgesetzt“, sagt Lenders in Hinblick auf die Bildung der Soko „Castle“. „Es war mutig und richtig. Man kann nur hoffen, dass er den Weg weiterbeschreitet.“ „Besorgniserregend“ nennt Lenders hingegen die hohe Zahl ausländischer Straftäter. „Vor allem, wenn man sie in den Kontext zu ihrem Anteil an der Bevölkerung setzt, sieht man, wie überproportional er ist.“