Alexander S. soll mehrfach epileptische Anfälle zwischen 2008 und 2011 gehabt haben. Ärzte sollen ihm vom Autofahren abgeraten haben.
Hamburg. Vier Menschen starben , als der Immobilienkaufmann Alexander S. im März dieses Jahres die Kontrolle über seinen Fiat an der Eppendorfer Landstraße verlor. Seitdem wird gegen ihn ermittelt, eine Anklage, womöglich wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung, steht kurz bevor. Sein Anwalt Henry Schulitz will jedoch auf Schuldunfähigkeit plädieren, verweist auf das Epilepsieleiden seines Mandanten, der vor dem Unfall einen Anfall erlitten haben soll.
Warum Alexander S. trotz seiner Krankheit noch Auto fahren durfte, ist eine der Kernfragen der Ermittlungen. Wie das Magazin "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, soll S. zwischen 2008 und 2011 mehrfach von epileptischen Anfällen heimgesucht worden sein und sich entgegen dem Rat seiner Ärzte ans Steuer gesetzt haben. Bereits im Juli 2005 hätten Ärzte des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) eine "generalisierte idiopathische Epilepsie" bei ihm diagnostiziert.
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Zu diesem Zeitpunkt hatte Alexander S. bereits zwei schwere Unfälle verursacht: Am 5. Juli 2004 fuhr er auf der Bundesstraße 5 Richtung Pinneberg auf die Gegenfahrbahn, prallte mit zwei Autos zusammen. Ein halbes Jahr später wurde er lebensgefährlich verletzt, als er auf einer Landstraße bei Elmshorn einen vor ihm fahrenden Wagen mehrfach mit dem Audi seiner Mutter rammte, in einer Linkskurve von der Fahrbahn abkam, gegen eine Lärmschutzwand stieß. Nach beiden Unfällen soll S. jede Erinnerung gefehlt haben, so der "Spiegel". Beide Male wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt, gegen Zahlung von Geldbußen. Dass S. trotz Untersuchung am UKE im folgenden Jahr seinen Führerschein behalten durfte, habe er dem ungenauen Attest einer Nervenärztin zu verdanken. Das Autofahren hätte ihm laut den Bestimmungen für Epileptiker erst gestattet werden dürfen, wenn er ein Jahr anfallsfrei war. Zum Zeitpunkt des Attests seien aber erst neuneinhalb Monate verstrichen gewesen.
Kritisch sieht das Magazin die Rolle von Anwalt Schulitz, der Alexander S. schon 2008 betreute - nach dessen dritten schweren Unfall: Am 28. November fuhr er auf der Autobahn 7 an der Ausfahrt Kaltenkirchen zunächst in die Mittelleitplanke, schleuderte in die Außenleitplanke. Das Auto drehte sich um die eigene Achse, blieb auf der Überholspur stehen.
Auch wenn Alexander S. am Unfallort auf seine Epilepsie und einen Blackout verwiesen habe, soll Schulitz später einen solchen Anfall als abwegig bestritten und den Unfall unter anderem auf einen technischen Defekt am Fahrzeug zurückgeführt haben. Dass Alexander S. seinen Führerschein zurückerhielt, soll er jedoch nicht seinem Anwalt zu verdanken haben, sondern dem Gericht: S. hätte den Anfall nicht voraussehen können, so die Richter. Dass Anwalt Schulitz im jetzt laufenden Verfahren wieder auf Epilepsie setzt, erklärt der "Spiegel" so: 2008 sei es zum Erhalt des Führerscheins wichtig gewesen, Epilepsie infrage zu stellen. Angesichts der jüngsten Verkehrstoten aber könnte der Nachweis eines Krampfes Straffreiheit bedeuten.