Hamburg. Rebellen fechten Beschlüsse an. Gegenseite droht mit Enthüllungen. Ob BSW zu Bürgerschaftswahl antreten kann, entscheidet sich kommenden Montag.
Von wegen Friedensfest: Beim Hamburger Ableger des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) geht es dieser Tage alles andere als harmonisch zu. Noch am Heiligabend, kurz vor Fristende, will der am Sonnabend gegründete Hamburger Landesverband seine Landesliste für die Bürgerschaftswahl beim Landeswahlleiter einreichen.
Schon am Sonntagabend aber hatte der Parteirebell Dejan Lazic per Mail an den Landeswahlleiter nach Abendblatt-Informationen beanstandet, dass bei der Aufstellung der Liste gegen rechtliche Vorgaben verstoßen worden sei. So seien etwa Fristen nicht eingehalten, Hausverbote erteilt und gegen Vorgaben der Satzung verstoßen worden.
AfD-Vorwürfe, Drohungen, Klagen: Showdown beim BSW in Hamburg
Der Landeswahlleiter wird nach Weihnachten sowohl die vom offiziellen neuen Hamburger BSW eingereichte Landesliste als auch die Einwendungen von Lazic prüfen und seine Bewertung dazu vornehmen.
Ob das offizielle BSW mit der eingereichten Liste an der Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 teilnehmen kann, entscheidet dann der Landeswahlausschuss am kommenden Montag. Als Spitzenkandidat nominiert hatte das BSW den Psychiater Jochen Brack. Auf den ersten sieben Plätzen der BSW-Landesliste stehen ausschließlich Männer.
BSW Hamburg: Transgender-Provokateur erhielt zunächst Hausverbot
Die Lage beim Hamburger BSW ist derzeit so unübersichtlich, weil die beiden Parteirebellen Dejan Lazic und Norbert Weber am dritten Adventwochenende bereits einen Landesverband gegründet hatten – also eine Woche vor der offiziellen Gründung am Wochenende des vierten Advents.
Sie reichten auch eine Landesliste beim Landeswahlleiter ein, allerdings für die Bundestagswahl. Einziger Kandidat darauf: der stadtbekannte deutsch-iranische Provokateur Bijan Tavassoli, der immer wieder als angeblich lesbische Trans-Muslima mit Kopftuch und Vollbart von sich reden gemacht hatte.
So hatte er in dieser Rolle etwa 2022 bei den Linken für einen Frauenplatz kandidiert. Dem Abendblatt sagte Tavassoli, er wolle jetzt für den Bundestag kandidieren, da er „einfach gerne mal auf der Damentoilette im Reichstag masturbieren möchte“.
Lazic und Weber begründeten ihre Aktionen mit ihrer Kritik an der angeblich autoritär-zentralistischen Führung der Partei und der sehr restriktiven Aufnahmepolitik des BSW, das zuletzt weniger als 30 Mitglieder in Hamburg hatte. Beim Gründungs- und Aufstellungsparteitag am vergangenen Sonnabend war es zum Eklat gekommen. So hatte die BSW-Führung Tavassoli zunächst Hausverbot erteilt und dies mithilfe der Polizei zeitweilig durchgesetzt.
BSW Hamburg: Europaabgeordneter drohte einem der Parteirebellen
Während man Lazic nach Berichten von Teilnehmern nach einer nur einminütigen Rede das Mikro abdrehte, warf der BSW-Europaabgeordnete und Wagenknecht-Vertraute Fabio de Masi den Rebellen vor, sie wollten mit „Klamauk“ die neue Partei „zerstören“. Dejan Lazic drohte de Masi sogar damit, sich die Firma „genau anzusehen“, bei der dieser arbeitet.
Hintergrund: Lazic ist Geschäftsführer einer Beratungsfirma mit Sitz im schweizerischen Zürich. Diese habe „mehrfach Namen und Geschäftszweck geändert“ und sei „von einem Anwalt aufgesetzt worden, der in den Paradise-Papers auftaucht“, sagte de Masi dem Abendblatt. Zudem diene die Firma „einem AfD-Influencer und Rechtsanwalt als Firmenanschrift“.
Dabei bezieht er sich auf die Internetseite „haintz.media – Dein Recht auf Meinungsfreiheit“ des Kölner Rechtsanwalts Markus Haintz, in deren Impressum zumindest bis zum Montag vor Weihnachten die Firmenadresse in der Schweiz als Sitz genannt wurde. Er wolle wissen, „in wessen Auftrag“ Lazic versuche, „das BSW in Hamburg zu sabotieren“, so de Masi.
BSW Hamburg: „Die AfD-Spitzel sitzen im Bundesvorstand“
Lazic weist die impliziten Vorwürfe zurück. „Der Cum-Ex-Jäger Fabio de Masi jagt nun unliebsame Basismitglieder, die seiner Karriere im Wege stehen“, sagte Lazic dem Abendblatt. Markus Haintz habe er bei seinem Engagement als Anwalt gegen die „repressiven Corona-Maßnahmen“ kennengelernt, gegen die Lazic damals auch Demonstrationen in Hamburg angemeldet hatte.
Der von de Masi als „AfD-Influencer“ bezeichnete Anwalt und Seitenbetreiber Haintz, der während Corona für die Querdenker-Bewegung aktiv war, sagte dem Abendblatt: „Herrn de Masi scheint entgangen zu sein, dass haintz.media natürlich auch regelmäßig die AfD kritisiert, wie beispielsweise jüngst bezüglich der Aufstellung der Landeslisten zur Bundestagswahl.“
Auch eine ihm implizit unterstellte AfD-Nähe wies Lazic im Gespräch mit dem Abendblatt empört zurück. Vielmehr sei es der Bundesvorstand, der mit seiner Kampagne für mehr Sicherheit und gegen Migration „uns Migranten den Bürgerkrieg erklärt und für weitere gesellschaftliche Spaltung sorgt“, sagte Lazic. „Die AfD-Keule sollten die mal lieber stecken lassen. Bei der Migrationspolitik sitzen die AfD-Spitzel wohl eher im BSW-Bundesvorstand.“
Bürgerschaftswahl Hamburg: Rebellen wollen gegen die Satzung des BSW klagen
Unabhängig davon geht es Lazic und Weber offenbar auch weiterhin um die Sache. Sie halten die sehr zentralistische „Top-Down-Struktur“ des BSW für nicht nur problematisch, sondern auch für möglicherweise rechtswidrig. „Deswegen werden wir vor dem Landgericht Berlin gegen die Satzung der Bundespartei und vor dem Landgericht Hamburg gegen die Landessatzung klagen“, sagte Lazic dem Abendblatt. „Wir lassen uns auch nicht durch Schmutzkampagnen mundtot machen. Ich habe mich schon immer für Recht und Gesetz und Minderheitenrechte eingesetzt. Das werde ich auch weiter tun.“
Der am Sonnabend frisch gekürte Hamburger BSW-Vorsitzende Konstantin Graf zu Eulenburg kritisierte Lazic und Weber dagegen deutlich. „Die beiden hätten für den Vorstand oder die Liste zur Hamburgischen Bürgerschaft kandidieren können – das haben sie jedoch nicht getan. Stattdessen schicken sie zwei bekannte Störer, um uns vorzuführen“, sagte Eulenburg dem Abendblatt.
BSW Hamburg: Neuer Parteichef weist die Kritik der Rebellen zurück
„Aus meiner Sicht ist es unerträglich, dass jemand, der nun offenbar sogar als Spitzenkandidat zur Bundestagswahl aufgestellt wurde, öffentlich als sein Motivationsziel ‚Masturbieren im Bundestag‘ nennt. Das empfinde ich als Verhöhnung der Demokratie und des Deutschen Bundestags.“
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Man müsse nicht einer Meinung sein, aber er halte „einen respektvollen Umgang für dringend notwendig“. Es habe immer wieder Versuche gegeben, die Konflikte mit Lazic und Weber zu lösen. „Vor nicht einmal einem Jahr sind sie der Partei beigetreten – einer Partei mit der gleichen Satzung, die sie heute aufs Schärfste bekämpfen. Sie wussten, dass sie einer Partei beitreten, die sich in der ersten Phase bewusst nur sehr vorsichtig öffnet.“