Hamburg. Erste Gründung wird von Bundespartei nicht anerkannt, die eigenen Landesverband aufstellen will. Ausschluss von Bundestagswahl droht.
Hamburg ist der letzte weiße Fleck für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Im Gegensatz zu den 15 anderen Bundesländern gibt es an Alster und Elbe noch keinen Landesverband. Oder doch? Gegen den Willen der Bundespartei haben sieben Hamburger BSW-Mitglieder in Eigenregie am dritten Adventswochenende einen Landesverband gegründet.
Da die Bundespartei am 21. Dezember ebenfalls einen Hamburger Ableger gründen will, könnte die kuriose Situation entstehen, dass es zwei Hamburger BSW-Landesverbände gibt. Die Folgen für die Bundestagswahl 2025 am 23. Februar und die Bürgerschaftswahl am Sonntag darauf könnten dramatisch sein: Denkbar ist, dass Landeswahlleiter Oliver Rudolf und der Wahlausschuss die beiden konkurrierenden Verbände nicht zulassen wird, sodass das BSW in Hamburg nicht zu den Wahlen antreten kann.
Vor Bürgerschaftswahl 2025: BSW-Neugründung ohne Sahra Wagenknecht im Parteinamen
Der genaue Ablauf der vergangenen Tage und Wochen ist etwas verworren, bietet aber Einblicke in die innere Zerstrittenheit der Parteineugründung der früheren Linken-Politikerin Wagenknecht. Nach Informationen des Abendblatts hatte der BSW-Bundesverband ursprünglich zur Gründungsversammlung des Hamburger Landesverbandes am vergangenen Sonntag eingeladen. Doch dann stand der angemietete Raum plötzlich nicht mehr zur Verfügung, und so wurde die Versammlung auf den kommenden Sonnabend verschoben.
Doch zwei Hamburger BSW-Mitglieder wollten sich damit nicht abfinden, oder, besser gesagt, sie nutzten die Gelegenheit, um selbst aktiv zu werden und Fakten zu schaffen. Dejan Lazic und Norbert Weber gründeten mit fünf weiteren Mitgliedern am vergangenen Wochenende einen BSW-Landesverband. Lazic sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass bei der Zusammenkunft auch beschlossen worden sei, den Namen zu ändern. Der Landesverband heiße nur noch „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit“.
Bürgerschaftswahl und Bundestagswahl 2025: Warum es bei den BSW-Streit überhaupt gibt
Der Name Sahra Wagenknecht taucht nun in der Parteibezeichnung nicht mehr auf. Das liege durchaus in Wagenknechts Sinn, so Lazic, was eine ironische Spitze gegen die alles beherrschende Parteigründerin ist. Als Wagenknecht die Partei ins Leben rief, hatte sie tatsächlich erklärt, ihr Name im Titel sei nur für den Übergang gedacht und die Partei solle später einen von ihr unabhängigen Namen erhalten. Davon ist allerdings seit längerer Zeit nicht mehr die Rede, zumal sich die Bezeichnung BSW bei vielen Wählerinnen und Wählern längst eingeprägt hat.
„In Hamburg hat das BSW neben 28 Mitgliedern etwa 900 Unterstützer, die teilweise schon vor Monaten einen Antrag auf Aufnahme in die Partei gestellt haben und seither in Warteschleifen gehalten werden.“
Doch warum gibt es überhaupt diesen Streit um die Gründung eines Landesverbands? Lazic und Weber kritisieren die restriktive Aufnahme von Parteimitgliedern in das BSW. Die Entscheidung über neue Mitglieder liegt allein beim Bundesverband. „In Hamburg hat das BSW neben 28 Mitgliedern etwa 900 Unterstützer, die teilweise schon vor Monaten einen Antrag auf Aufnahme in die Partei gestellt haben und seither in Warteschleifen gehalten werden“, sagte Weber, auch ein früheres Mitglied der Linken, der dpa. Diese Unterstützer dürften zwar spenden und Wahlplakate kleben, aber sie hätten kein aktives und passives Wahlrecht.
Hamburger BSW-Parteirebellen kritisieren zentrale Steuerung bei Aufnahme neuer Mitglieder
Bereits Anfang Dezember hatten Lazic und Weber das Vorgehen der Parteispitze heftig kritisiert und eigenmächtig einen Bezirksverband „Hamburg-Mitte/-Nord“ gegründet, der auch eigenständig Mitglieder aufnehmen soll. Die beiden Parteirebellen werfen Wagenknecht und der Spitze der Bundespartei vor, nur Mitglieder aufzunehmen, die auf deren Linie seien.
Darunter leide die innerparteiliche Demokratie. Der Bundesverband nutze das Aufnahmeverfahren dafür, um eigene Interessen durchzusetzen wie das Beispiel Thüringen gezeigt habe, sagte Weber. „Solche Sachen gehen in einer demokratischen Partei überhaupt nicht“, so Weber.
BSW: Bundespartei ruft zur Gründungsversammlung am 21. Dezember auf
Die Hamburger Abtrünnigen halten ihr Vorgehen von der Bundessatzung des BSW für gedeckt. Das sieht die Berliner Parteizentrale völlig anders. „Das ist aus unserer Sicht ein nichtiger Vorgang, der mit dem Parteivorstand nicht abgesprochen war und unserer Satzung widerspricht“, teilte der Bundesvorstand auf Anfrage der dpa mit. Nun lädt die Bundespartei für den 21. Dezember zur Gründung „ihres“ Landesverbands in den Bürgersaal Wandsbek ein.
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Dort wird dann voraussichtlich die frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic zur Hamburger BSW-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gekürt. Eine Doppelung auch hier: Die Parteirebellen Weber und Lazic haben auf ihrer Gründungsversammlung ebenfalls einen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt, dessen Namen sie aber noch nicht nennen wollen. Nastic sei es jedoch nicht.
BSW wird wohl zwei Listen zur Bundestagswahl 2025 einreichen – droht der Ausschluss?
Lazic und Weber haben ihren Spitzenkandidaten und weitere Kandidaten bereits Landeswahlleiter Oliver Rudolf gemeldet. Damit dürfte die kuriose Situation entstehen, dass für das BSW in Hamburg zwei unterschiedliche Listen zur Bundestagswahl eingereicht werden. Das Gleiche dürfte auch für die Bürgerschaftswahl zutreffen. Die Gründungsversammlung am Sonnabend soll jedenfalls nach dem Willen der Bundesspitze auch eine Liste für die Bürgerschaftswahl beschließen.
Über die Zulassung von Wahlvorschlägen für die Bürgerschaftswahl entscheidet der Landeswahlausschuss, für die Bundestagswahl der Bundeswahlausschuss. Es gibt einen Präzedenzfall: Zur jüngsten Bürgerschaftswahl in Bremen im Mai 2023 hatten zwei Gruppierungen der AfD zwei konkurrierende Listen eingereicht. Das Ergebnis: Beide Listen wurden nicht anerkannt, die AfD wurde von der Bürgerschaftswahl ausgeschlossen.
Für das BSW könnte ein Ausschluss von der Bundestagswahl in Hamburg dramatische Auswirkungen haben. Die Partei, die in Umfragen bundesweit meist knapp über fünf Prozent liegt, könnten fehlende Stimmen aus Hamburg am Einzug in den Bundestag hindern.