Hamburg. Bijan Tavassoli sprengte schon Linken-Parteitage. Bundes-BSW hält Aufstellung für rechtswidrig und gründet neu – mit diesen Spitzenkandidaten.

Die Lage beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Hamburg ist derzeit, vorsichtig gesagt, etwas unübersichtlich. Wie berichtet, hatten Hamburger Mitglieder um den Ex-Linken Norbert Weber und Dejan Lazic kürzlich bereits ohne Zustimmung des Bundesverbandes einen Hamburger BSW-Landesverband gegründet. Sie haben laut Weber nun auch schon einen Hamburger Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl nominiert und einen Vorschlag für eine Landesliste mit nur dieser einen Person beim Landeswahlleiter eingereicht.

Es handelt sich laut Weber bei dem Spitzenkandidaten der Hamburger BSW-Rebellen, der auch im Wahlkreis Eimsbüttel kandidieren soll, um den früheren Linken-Politiker Bijan Tavassoli, eine der zuletzt schillerndsten Figuren der Hamburger Politik. Zur Erinnerung: Im Jahr 2022 definierte sich der iranischstämmige Altonaer selbst zu einer „lesbischen Trans-Muslima“ um und trat beim Linken-Parteitag für den Frauenposten im Landesvorstand an. Da er an „Corona und wahrscheinlich Affenpocken“ erkrankt sei, war er allerdings nicht selbst beim Parteitag anwesend, stattdessen wurde angeblich in seinem Namen von einer vermummten Person eine in Teilen beleidigende Rede gehalten, von der sich Tavassoli dann wieder distanzierte. Tavassoli selbst sagte dem Abendblatt, er wisse nichts von einer Landesliste, er sei lediglich in Eimsbüttel als Direktkandidat nominiert worden.

BSW-Rebellen machen Transgender-Provokateur zum Spitzenkandidaten

Tavassoli sieht sich offenbar als eine Art Aktionskünstler, der der Gesellschaft und den Parteien immer wieder den Spiegel vorhält, was er kürzlich auch in einem längeren Youtube-Interview darlegte. Dass er seinem Ruf als Enfant terrible treu bleiben will, machte er auch mit der jetzigen Kandidatur klar. „Ich kandidiere für den Wahlkreis 20, weil ich mich für Eimsbüttel und für den Frieden in Europa stark machen will“, schrieb er dem Abendblatt. Und dann wörtlich: „Aber wenn ich ehrlich bin, ist es fast genauso wichtig, dass ich einfach gerne mal auf der Damentoilette im Reichstag masturbieren möchte.“ Auch die Abgeordneten des Bundestages sollten schließlich selbst die Folgen ihrer beschlossenen Gesetze zu spüren bekommen – und nicht nur die allein erziehenden Mütter im Frauenhaus.

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass der 33-jährige Jurist und Geschäftsführer einer IT-Firma mit derlei methodischem Wahnwitz Erfolg hat. Denn die vorgezogene Gründung eines BSW-Landesverbandes durch Parteirebellen dürfte vermutlich rechtlich keinen Bestand haben und damit wäre auch seine Kandidatur hinfällig. Das hat vor allem drei Gründe, wie es aus dem Landeswahlamt heißt.

BSW Hamburg: Offizielle Gründung am Sonnabend ab 8.30 Uhr im Bürgersaal Wandsbek

Erstens haben die Rebellen den Landesverband unter einem anderen Namen angemeldet, indem sie den der Gründerin Sahra Wagenknecht daraus tilgten. Laut Bundessatzung der Partei müssen die Landesverbände aber denselben Namen wie die Bundespartei tragen. Zudem muss die Bundespartei zur Gründung des Landesverbandes einladen, was hier nicht der Fall war. Und drittens müssen laut Parteiengesetz die Bundesparteien ihre Landesverbände bei der Bundeswahlleiterin anmelden. Und den der Rebellen werden Wagenknecht und Co sicher nicht anmelden.

Stattdessen will das offizielle BSW nun am Sonnabendmorgen ab 8.30 Uhr im Bürgersaal Wandsbek seinen Hamburger Landesverband gründen. Die Gründung der Dissidenten sei nicht satzungsgemäß gewesen und nicht ernst zu nehmen, sagte die Hamburger BSW-Bundestagsabgeordnete und Landesbeauftragte Żaklin Nastić dem Abendblatt. Nun werde man am Sonnabend zunächst den Landesverband gründen und am Nachmittag die Landesliste für die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 aufstellen.

Bürgerschaftswahl Hamburg: BSW will am Sonnabend seine Landesliste aufstellen

Erwartet werden zu der Gründungsversammlung u. a. die Co-Bundesvorsitzende Amira Mohamed Ali und der BSW-Europaabgeordnete Fabio de Masi. Nach dem Auftakt der Veranstaltung sollen Öffentlichkeit und Medien allerdings zunächst ausgesperrt werden, wie dies bei allen BSW-Landesverbandsgründungen gewesen sei. Das wollen die Hamburger BSW-Rebellen um Norbert Weber aber nach Abendblatt-Informationen gleich zu Beginn der Veranstaltung mit einem Antrag verhindern. Sie fordern eine durchweg öffentliche Veranstaltung. Zudem haben sie Dutzende Änderungsanträge zur Satzung gestellt.

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Unter den Rebellen seien mehrere Juristen, er gehe davon aus, dass die vorgezogene Gründung des Landesverbandes rechtmäßig gewesen sei, sagte Weber dem Abendblatt. Die Motivation der Dissidenten macht Weber sehr deutlich: Sie wollten verhindern, dass das BSW autoritär von der Bundesspitze in einem Top-down-Prinzip geführt wird.

BSW Hamburg: Spitzenkandidat wird ein forensischer Psychiater

Das offizielle BSW um Żaklin Nastić fürchtet nun zwar massive Störungen bei der Gründungsveranstaltung, will sich aber nicht beirren lassen – und am Sonnabendnachmittag ab 14 Uhr bereits die Landesliste für die Bürgerschaftswahl aufstellen. Als Spitzenkandidat soll dabei laut Nastić in Hamburg Dr. Jochen Brack nominiert werden. Er ist forensischer Psychiater und hatte laut Medienberichten auch im Jahr 2022 den späteren Mörder von Brokstedt Ibrahim A. in der Hamburger U-Haft psychiatrisch untersucht. Auf Platz zwei will der BSW den früheren Linken und Betriebsrat Peter Wils aus Hamburg-Nord aufstellen. Die Liste für die Bundestagswahl soll erst im Januar beschlossen werden. An deren Spitze will die bisherige Bundestagsabgeordnete Nastić selbst antreten.

Zunächst aber schauen alle gespannt auf die Gründungsveranstaltung am Sonnabendmorgen. Mit allerlei Aufregung ist dort wohl zu rechnen. Denn die Rebellen haben bereits ihr zahlreiches Erscheinen angekündigt.