Hamburg. Bescherung hinter Stacheldraht: In Santa Fu feiern Gefangene mit ihren Familien Weihnachten. Wer in die Rolle des Weihnachtsmannes schlüpft.

  • 32 Familien feiern mit Angehörigen Weihnachten im Knast.
  • 90 Minuten Auszeit vom Alltag im geschlossenen Vollzug.
  • Wie oft die Gefangenen Besuch von ihren Familien bekommen dürfen.

Rote Backsteinmauern, hohe Zäune mit Stacheldraht und unzählige Kameras: Die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, bekannt als Santa Fu, gleicht einer Festung mitten in Hamburg. Vor dem Eingang hat sich eine lange Schlange gebildet. Frauen und Kinder warten vor der Sicherheitsschleuse. Es geht nur langsam voran. Personalausweise müssen an der Pforte als Pfand hinterlegt, Handys in kleinen Schließfächern verstaut werden.

Ein Scanner und eine körperliche Visitation sind die letzten Hürden, bevor ein besonderer Ort sichtbar wird: die Kirche des geschlossenen Vollzugs mit rund 370 Haftplätzen. Dort findet einige Tage vor Heiligabend eine ungewöhnliche Weihnachtsfeier statt.

Besonderes Weihnachten: Bei Papa im Gefängnis – wie feiern Häftlinge mit ihren Kindern?

32 Familien haben sich dafür angemeldet. „Alle, die wollten, können teilnehmen, wir mussten niemanden abweisen“, sagt Anstaltsleiterin Karen Knaack. In der Kirche herrscht eine besondere Atmosphäre. An den Wänden hängen Girlanden aus Tannenzweigen, eine leuchtende Tanne strahlt von einer Anhöhe, ein geschmückter Weihnachtsbaum steht in einer Ecke.

Für wenige Augenblicke gerät das Gefühl des Gefangenenseins in Vergessenheit: Die Fenster sind nicht vergittert, sondern mit den für Kirchen typisch bunten Scheiben versehen. In der JVA Fuhlsbüttel sitzen Männer ab einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren ein. Harte Jungs, möchte man meinen.

An der Decke hängt eine Kamera, Justizvollzugsbeamte befinden sich in der Halle, in der viele kleine Tische mit Stühlen stehen. Auch diese sind weihnachtlich geschmückt – mit roten Servietten und Papptellern, auf denen sich Lebkuchen und Plätzchen tummeln. Es gibt eine Kinderspielecke, eine Getränke- und eine Bastelstation.

Weihnachtsfest in Santa Fu: Kinder der Gefangenen können in Kirche basteln und spielen

Kinder mit glitzernden Augen stehen erwartungsvoll vor der Tür, durch die die Gefangenen nach und nach eingelassen werden. Sie rufen „Papa, Papa“ und springen ihren Vätern in die Arme. Für 90 Minuten ist die Enge des Gefängnisalltags vergessen. Kinder halten die Hände ihrer Väter, spielen Karten und zeigen stolz, was sie können: Radschlag, Brücke, Handstand.

An der Bastelstation, die von Ehrenamtlichen betreut wird, entstehen Weihnachtssterne aus Butterbrottüten. Eine Mutter fragt: „Für zu Hause oder für Papas Zimmer?“ – „Für Papas Zimmer“, entscheidet ihr Sohn sofort.

Die Menschen vor Ort zeigen zum Teil Besinnlichkeit, einige tragen Weihnachtspullis, eine Frau schmückt sich mit Christbaumkugel-Ohrringen, ein Junge trägt ein rotes Hemd mit Tannenbaum und Weihnachtsmann darauf. Eine JVA-Beamtin fotografiert die Familien vor dem Baum. Die Fotos werden später ausgedruckt – Erinnerungen an ein seltenes Zusammensein.

Weihnachtsfest in Hamburger JVA Santa Fu: „Die Kinder sollen nicht spüren, wo sie hier sind“

Für viele Familien ist diese Zeit besonders wertvoll. Ein Gefangener erzählt: „Frau Knaack hat für mich alles besser gemacht. Alles hat jetzt Hand und Fuß.“ Seine drei Töchter sind heute bei ihm. „Die Kinder sollen nicht spüren, wo sie hier sind“, erklärt der Mann, der eine 14-jährige Haftstrafe absitzen muss.

„Es liegt mir besonders am Herzen, den Familien Zeit zu schenken“, sagt Karen Knaack, die seit 14 Monaten für Santa Fu verantwortlich ist. Für die Juristin steht aber auch fest: „Es wird viel zu wenig beachtet, was Frauen von Gefangenen alles leisten.“ Unter ihrer Leitung hat sich viel verändert: Eine Vater-Kind-Gruppe wurde ins Leben gerufen, in der gemeinsam gebastelt, Fußball, Tischtennis und Federball gespielt wird.

Auch Sonderbesuche sind möglich, die Weihnachtsfeier ist ein besonderes Highlight des Jahres, an dem Gefangene und Familien in so einem großen Rahmen zusammenkommen. Sonst wird in Santa Fu so groß nur noch das Zucker- und das Opferfest gefeiert.

Pastor in Santa Fu plädiert für Ehrlichkeit bei Kindern von Inhaftierten

Friedrich Kleine, der Pastor und Seelsorger in Santa Fu, bestätigt die Einschätzung der Gefangenen, dass sich durch Knaack viel verbessert habe. Er leitet gemeinsam mit einer JVA-Beamtin die Vater-Kind-Gruppe. Die Weihnachtsfeier begleitet er mit seiner Ukulele. Gemeinsam mit den Kindern und Vätern singt er Rolf Zuckowskis Klassiker: „In der Weihnachtsbäckerei“.

„Auch kleine Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt. Sie sollte man nicht belügen.“

Friedrich Kleine
Pastor und Seelsorger in Santa Fu

Kleine weiß um die Herausforderungen der Inhaftierten und ihrer Familien. „Im familienorientierten Vollzug nehmen wir die Kinderperspektive ein. Sie leiden oft am meisten unter der Trennung vom Vater“, sagt er. Sein Credo: Ehrlichkeit. „Auch kleine Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt. Sie sollte man nicht belügen.“

Weihnachtsfeier im Knast
Ein als Weihnachtsmann verkleideter Strafgefangener verteilt in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel in Hamburg Geschenke an die Kinder von anderen Inhaftierten. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Auf einer Weihnachtsfeier darf natürlich auch ein Weihnachtsmann nicht fehlen: Ein Gefangener schlüpft an diesem Tag in die Rolle des großen Schenkers und verteilt Schokonikoläuse an die Kinder. Er trägt ein rotes Kostüm, einen weißen Rauschebart und wird von Kindern umringt. Vor dem Weihnachtsbaum ist der Andrang so groß, dass man ihn selbst gar nicht mehr sieht. Kinder sitzen auf den Schultern ihrer Väter, um einen Blick erhaschen zu können.

Santa Fu Hamburg: Wie verbringen Gefangene Heiligabend?

An Heiligabend selbst bleibt Santa Fu für Besucher geschlossen. Stattdessen gibt es ein Festessen und einen Gottesdienst mit dem Männerchor der JVA. „So entsteht kein Loyalitätskonflikt für die Kinder“, erklärt Kleine. Diese sollten Heiligabend zu Hause und nicht in einem Gefängnis feiern, so der Pastor. An den Weihnachtsfeiertagen können Gefangene dann wieder Besuch empfangen.

Die Zeit von inhaftierten Vätern und Kindern ist rar. Rund viermal im Monat gibt es Besuchszeiten für Familien. Doch auch dieses Privileg könne man sich selbst verwirken, so Knaack. „Wer unzuverlässig ist, erhält weniger Besuch.“ Als unzuverlässig gilt derjenige, der andere bedroht, beleidigt oder Gewalt anwendet.

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Die Weihnachtsfeier in Santa Fu ist mehr als ein Fest. Sie schenkt für die Kinder ein Stück Normalität, für die Väter ein Lichtblick hinter den Mauern. „Alles, was wir tun, hat das Ziel, Beziehungen zu stärken“, betont Knaack.

In Santa Fu zeigt sich: Selbst hinter Stacheldraht können Weihnachtswunder geschehen – wenn auch nur über einen kurzen Zeitraum.