Hamburg. Rauschgiftgeschäfte per Sky ECC: Lange Haftstrafen für drei Männer in Hamburg. Dahinter steht ein mächtiger Drogenboss, der unsichtbar bleibt.

Der mächtige Drogenboss hatte wohl die ganze Zeit die Fäden in der Hand: Mansour Ismail regelte, welche Mengen Rauschgift unter die Leute kamen, bestimmte über Verkäufe und Ankäufe. „Der Anweisende“ nannte man den 29-Jährigen. Doch trotz seiner vermeintlichen Omnipräsenz blieb Ismail für die meisten, die mit ihm zu tun hatten, unsichtbar. Und bis heute wurde er nicht gefasst, sondern gehört zu den meistgesuchten Verbrechern in Europa.

Viele, die für den Drogenboss die Geschäfts abwickelten, sind indes mittlerweile festgenommen worden und von Gerichten verurteilt. Am Mittwoch erhielten drei weitere Männer aus dem Umfeld Ismails im Prozess vor dem Landgericht Hamburg deutliche Freiheitsstrafen, unter anderem wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

Prozess in Hamburg: Drogenhändler kommunizierten über Sky ECC – Fahnder lasen mit

Beim Abwickeln ihrer Geschäfte hatten die Hamburger über den Messengerdienst Sky ECC kommuniziert. Ihre Codenamen lauteten beispielsweise JQ H0 8C oder 7 MOL 2 E. Eine vermeintlich undurchsichtige Mischung aus Buchstaben und Zahlen – doch die Ansprechpartner wussten Bescheid. Hinter den Kodierungen verbarg sich sehr wahrscheinlich jemand, der Interesse an Drogengeschäften hatte – und der auf Geheimhaltung vertraute.

Doch die Chats und damit die Rauschgiftgeschäfte, die über die angeblich sicher verschlüsselten Handys abgewickelt wurden, blieben vor den Ermittlungsbehörden nicht verborgen. Sie konnten teilweise gewissermaßen „live“ mitlesen, wie die Drogendeals angebahnt und über die Bühne gebracht wurden.

Prozess: Diese Urteile verhängt das Landgericht Hamburg gegen angeklagte Drogendealer

Ein 31 Jahre alter Mann, der schließlich der Polizei ins Netz ging, wurde jetzt zu sieben Jahren und elf Monaten Haft verurteilt, ein 26-Jähriger erhielt sieben Jahre und drei Monate Gefängnis. Gegen einen weiteren Angeklagten wurde eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verhängt. Insgesamt ordnete die Kammer eine Einziehung eines Wertersatzes von rund 735.000 Euro an.

Damit blieb das Gericht teilweise knapp unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die für zwei der Angeklagten Freiheitsstrafen von acht Jahren und drei Monaten beziehungsweise sieben Jahre und zehn Monate gefordert hatte, für den dritten der Verdächtigen zweieinhalb Jahre. Die Verteidigung hatte jeweils für etwas mildere Strafen plädiert. Die Angeklagten hatten die ihnen vorgeworfenen Taten im Wesentlichen gestanden.

Prozess Hamburg: Messengerdienst Sky ECC ein Parallelsystem von EncroChat

Die Rauschgiftgeschäfte sollten laut Anklage in Lagerhallen, in der Nähe von Supermärkten oder Tankstellen abgewickelt werden – und vor allem ohne dass die Ermittlungsbehörden davon erfahren. So hatte den Ermittlungen zufolge Mansour Ismail beispielsweise Anweisungen gegeben, die Beteiligten an den Deals sollten zur Tarnung Arbeitskleidung wie „Blaumänner“ tragen. Ferner bestimmte er, es solle eine Lagerhalle angemietet und ein Gabelstapler bereitgestellt werden.

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Um über solche Aufträge zu kommunizieren, sie in die Wege zu leiten und umzusetzen, erschien den Tätern Sky ECC als die für Geheimhaltung richtige Kommunikationsplattform. Dabei handelt es sich quasi um ein Parallelsystem von EncroChat. Und nachdem das Krypto-System EncroChat von französischen Ermittlern geknackt wurde, war wohl auch Sky ECC nicht mehr sicher.

Bei Sky ECC gebe es „Fluch und Segen zugleich“, sagte die Vorsitzende Richterin am Mittwoch in der Urteilsbegründung. Ein „Segen“ für die Ermittlungsbehörden, weil die Täter ihre Drogengeschäfte abgewickelt hatten, ohne die Kommunikation zu verklausulieren. Umgekehrt bedeutete dies für die Täter Nachteile auf ganzer Linie, die schließlich in ihre Festnahmen mündeten. Die Urteile gegen die drei Männer sind noch nicht rechtskräftig.