Hamburg. Im Carsharing-Auto soll 19-Jähriger auf Beamten zugefahren sein. Wie er den Mietwagen bekam und was er vor Gericht aussagt.
- Junger Mann ohne Führerschein soll in Hamburg absichtlich Polizisten angefahren haben
- Vorher hatte er einen Joint geraucht – und sich illegal einen Mietwagen besorgt
- Verteidiger: „Ich sehe den versuchten Mord auf keinen Fall“
Stoßstange an Stoßstange, so bewegten sich die Fahrzeuge an jenem Abend in Hamburg fort. Was zur Rushhour nicht selten zum Alltag der Autofahrer gehört, eskalierte an diesem Abend zu einer wohl höchst gefährlichen Situation: Von den Polizeibeamten, die nach einem Unfall den Verkehr regelten, geriet einer auf die Motorhaube eines Audi und wurde dabei schwer verletzt. Hat Mehmet B. (Name geändert), der am Steuer des Wagens saß, diesen Polizisten absichtlich angefahren – und bei dem Manöver billigend in Kauf genommen, dass sich der Beamte tödliche Verletzungen zuzieht?
Diesen Vorwurf erhebt zumindest die Staatsanwaltschaft, die den 19 Jahre alten Autofahrer unter anderem wegen versuchten Mordes angeklagt hat. Mehmet B. habe mit dem riskanten Fahrmanöver verhindern wollen, dass auffliegt, dass er keinen Führerschein hatte, so die Anklage in dem Prozess vor dem Landgericht. Ferner ist der Hamburger wegen der Geschehnisse vom 15. September vergangenen Jahres unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie weiterer Delikte angeklagt.
Prozess Hamburg: Junger Autofahrer soll Cannabis konsumiert und dann Auto gefahren sein
So hat sich die Tat laut Ermittlungen abgespielt: Ohne gültigen Führerschein und unter dem Einfluss von Marihuana befuhr der Angeklagte mit einem Carsharing-Fahrzeug die Max-Brauer-Allee. Wegen eines Unfalls regelten Polizeibeamte den Verkehr. Obwohl die Beamten ihn aufforderten, anzuhalten, soll Mehmet B. die deutlichen Zeichen eines Polizisten ignoriert und mit Tempo 66 bis 76 km/h auf ihn zugefahren sein. Der 27 Jahre alte Beamte sei frontal von dem Fahrzeug erfasst worden, erlitt dabei unter anderem eine Unterarmfraktur sowie Prellungen, heißt es weiter. Danach habe der junge Autofahrer eine Unfallflucht begangen.
Der Angeklagte räumt die Vorwürfe über seinen Verteidiger im Wesentlichen ein. Mit einer Einschränkung: Sein Mandant habe den Polizisten nicht gesehen, bis dieser auf die Motorhaube gesprungen sei, sagt Verteidiger Kemal Su. „Ich sehe den versuchten Mord auf keinen Fall“, betont der Anwalt.
Verteidiger: Versuchter Mord sei es „auf keinen Fall“
Die anderen Vorwürfe träfen so zu, bekennt der Angeklagte. Er ist ein zierlicher junger Mann, der mit leiser Stimme spricht. Ja, er sei der Fahrer des Mietautos gewesen. Üblicherweise lassen sich Anbieter von Carsharing-Wagen nachweisen, dass der Mieter eines Fahrzeugs im Besitz eines gültigen Führerscheins ist. Doch offenbar gibt es Tricks, diese Hürde zu umgehen – und Mehmet B. wusste wohl, wie das funktionieren kann.
Den Audi habe er mithilfe des Messengerdiensts Telegram besorgt, sagt der Angeklagte. Dort gebe es Leute, die ihre Accounts bei Mietwagenanbietern zur Verfügung stellen. Bezahlt habe er diese Kontaktperson per PayPal. Alle drei Kumpel, die mit im Auto saßen, hätten gewusst, dass er keinen Führerschein hat, gibt der 19-Jährige weiter an. Und ja, er habe einige Stunden bevor er sich ans Steuer setzte, Cannabis konsumiert.
Angeklagter mietete den Wagen über einen fremden Account an
Warum er die Tat begangen hat? Er habe Angst gehabt, dass es auffliegt, dass er ohne Führerschein fährt, gibt der Angeklagte zu verstehen. Was er getan habe, bereue er. Den Polizisten habe er erst im letzten Moment gesehen und dann wahrgenommen, wie dieser erst auf die Motorhaube seines Mietautos gesprungen und kurze Zeit später runtergefallen sei. „Ich bin dann weggefahren.“ Er kam nur ein kurzes Stück weit, bis er aufgrund der Verkehrsverhältnisse erneut anhalten musste. Hier stieg der damals 18-Jährige aus dem Mietauto aus, flüchtete zunächst ein Stück zu Fuß und tauchte später an der Adresse seiner Eltern in Wilhelmsburg auf.
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Nach der Festnahme eines jugendlichen Mitfahrers stellte sich Mehmet B. bei der Polizei. Zunächst kam er in Untersuchungshaft, aber nach rund drei Wochen wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. In der kommenden Woche sollen diverse Zeugen gehört werden, unter anderem der Polizist, der damals verletzt wurde. Nach bisheriger Planung könnte im Januar ein Urteil in dem Prozess verkündet werden.