Hamburg. Verfolgungen, Unfälle, Verletzte: Immer wieder sind Minderjährigen oder auch Erwachsenen ohne Führerschein verwickelt. Was Anbieter sagen.
- Carsharingautos an vielen Verfolgungsfahrten in Hamburg.
- Jugendliche erstellen komplette Fake-Accounts mit den Daten Dritter, um an Autos zu kommen.
- Anbieter haben keine Überblick.
Es war eine wilde Verfolgungsjagd, die sich die Polizei Hamburg mit einem 16-Jährigen lieferte. Der Minderjährige war in einem Carsharingauto unterwegs. Es ging über mehrere rote Ampeln und mit hoher Geschwindigkeit quer durch Barmbek bis nach Dulsberg. Schließlich konnten Peterwagen das Fahrzeug in die Zange nehmen und stoppen. Das Ergebnis: die Festnahme der beiden minderjährigen Insassen und drei demolierte Peterwagen.
Die Verfolgungsfahrt mit einem Mietwagen, dieses Mal von Miles, ist kein Einzelfall. Im Juni flüchtete ebenfalls ein Fahrer in einem Carsharingauto in Dulsberg vor der Polizei. Beamte entdeckten den Wagen später demoliert an einem Stromkasten. Dieser Fall ging verhältnismäßig glimpflich aus. Oft gibt es Verletzte oder sogar Tote.
Im Februar rammte ein 19-Jähriger auf der Flucht vor der Polizei an der Wandsbeker Zollstraße einen Porsche. Dessen beide Insassen wurden verletzt. Im April vergangenen Jahres verunglückte ein Carsharingfahrzeug in Allermöhe. Der Fahrer (31) starb. Die Beifahrerin erlitt schwere Verletzungen. 2018 krachte in Harburg ein Fahrzeug in einen Bus. Der Beifahrer starb. Zwei Menschen wurden schwer verletzt.
Polizei Hamburg: Carsharingautos an vielen Verfolgungsfahrten beteiligt
„Mittlerweile findet ein nicht unerheblicher Teil der Verfolgungsfahrten im Zusammenhang mit Carsharingfahrzeugen statt“, berichtet ein Beamter. „Mal sind es Minderjährige, die gar keine Fahrerlaubnis haben. Aber auch Erwachsene, die berauscht sind oder keinen Führerschein besitzen, flüchten, wenn sie angehalten werden sollen.“ Valide Zahlen zu dem Phänomen gibt es nicht. „Wir erfassen statistisch nicht, ob bei einem Verkehrsunfall oder einer Verfolgungsfahrt ein Carsharingfahrzeug beteiligt war“, so Polizeisprecherin Sandra Levgrün.
Auch die Anbieter haben, zumindest für Hamburg, keinen Überblick. „Diese Zahlen erfassen wir nicht gesondert, da eine Vergleichbarkeit mit dem privaten Pkw angesichts der unterschiedlichen Nutzungshäufigkeit kaum möglich ist“, heißt es auf Anfrage von Miles. Das Fahrzeug, das am Wochenende in die Verfolgungsfahrt involviert war, ist eines von 4000 Autos, die das Unternehmen auf Hamburgs Straßen einsetzt.
Unfälle mit Carsharingautos: Welche Verfahren Miles einsetzt
Sicher ist, dass es immer wieder Minderjährigen oder auch Erwachsenen ohne Führerschein gelingt, Carsharingfahrzeuge auszuleihen. „Um sich bei Miles zu registrieren, ist eine Verifizierung mit einem Führerschein, einem Ausweisdokument und einem Live-Selfie notwendig“, heißt es von Miles. Das ist das Standardverfahren.
Zusätzlich habe man weitere Sicherheitsmechanismen, die beispielsweise einen Gerätewechsel oder die Weitergabe von Account-Daten registrieren, um unautorisiertes Fahren zu verhindern. „Zu diesen Mechanismen können wir aber keine näheren Details bekannt geben, um Missbrauch zu verhindern“, teilt das Unternehmen mit.
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Dass es dennoch immer wieder Menschen ohne Führerschein und dazu noch Minderjährigen gelingt, einen Wagen auszuleihen, erklärt ein Beamter so: „Es werden komplette Fake-Accounts mit den Daten Dritter erstellt. Ist man einmal drin, ist man drin.“ In einigen Fällen werden Accounts auch einfach samt Handy überlassen.
Das Verleihsystem wird mit Fake-Accounts und den Daten Dritter ausgehebelt
„Das Phänomen überrascht nicht. Auch bei E-Rollern, bei denen die Verleiher in der Regel ein Mindestalter von 18 Jahren fordern, fahren viele Minderjährige, die die Sicherungsmaßnahmen ausgehebelt haben, mit solchen Gefährten umher“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.
„Bei Unfällen mit Beteiligung von Carsharingfahrzeugen könnte die Polizei natürlich eine Sonderauswertung zur statistischen Erfassung durchführen. Das würde aber erneut für Mehrarbeit sorgen. Hier sind eigentlich die Anbieter gefordert. Ich befürchte aber, dass dort andere Kriterien Priorität haben und solche Dinge eher kaufmännisch nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung beurteilt werden.“
Für Fahrer, die unberechtigt ein Carsharingfahrzeug nutzen, hat so ein Unfall in der Regel finanzielle Folgen. Sie können für die Schäden haftbar und von der Versicherung zivilrechtlich in Regress genommen werden. Dazu kommen strafrechtliche Ermittlungen.