Hamburg. Rot-Grün reagiert auf die prekäre Lage in Haftanstalten: Bestimmte Verurteilte profitieren von der Entlastungslösung. Die CDU übt Kritik.

  • JVAs in Hamburg sind stark ausgelastet – Justizbehörde will gegensteuern
  • Ersatzfreiheitsstrafen werden vorübergehend ausgesetzt: 30 Häftlinge kommen frei, neue Verurteilte werden nicht mehr inhaftiert
  • Strafen werden nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben

Die Hamburger Gefängnisse stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen: Zum Stichtag 30. September waren 95,8 Prozent der verfügbaren Haftplätze belegt, wie das Abendblatt berichtete. Von insgesamt 2206 Plätzen waren 2113 mit Insassen besetzt. Die Justizbehörde spricht von einer „stark angespannten“ Belegungssituation – ähnlich zu anderen Bundesländern. Auf dieses Problem reagiere die Hamburger Behörde mit mittel- und langfristigen Maßnahmen, wie der Erweiterungen der Kapazitäten im Justizvollzug, sagt Pressesprecher Dennis Sulzmann.

Kurzfristig hat sich die Hamburger Behörde aber nun für einen deutlich schnelleren Weg entschieden: Ersatzfreiheitsstrafen werden zum Teil aufgeschoben und unterbrochen. Das heißt: Verurteilte, die eine Ersatzfreiheitsstrafe erhalten haben, werden entweder entlassen oder müssen die Haft nicht antreten – vorübergehend zumindest. Das habe sich schon während Corona und der Fußball-EM bewährt, so Sulzmann. Die Hamburger CDU ist davon alles andere als begeistert.

Justiz Hamburg: 30 Häftlinge werden vorübergehend aus JVA entlassen

Durch diese außergewöhnliche Maßnahme der Justizbehörde sollen Aufnahmestopps und Leistungseinschränkungen innerhalb der Anstalten vermieden werden. Die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen werde vorübergehend ausgesetzt. Konkret bedeutet das, dass rund 30 Personen, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßten, aus dem Vollzug entlassen werden, so Sulzmann. Gleichzeitig werden vorerst keine neuen Personen mit Ersatzfreiheitsstrafen inhaftiert. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung berichtet.

Anna Gallina (Grüne) ist seit mehr als vier Jahren Justizsenatorin in Hamburg (Archivbild).
Anna Gallina (Grüne) ist seit mehr als vier Jahren Justizsenatorin in Hamburg (Archivbild). © MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Diese Regelung bedeutet allerdings keine Aufhebung der Strafen. Die Ersatzfreiheitsstrafen bleiben bestehen und sollen zu einem späteren Zeitpunkt vollstreckt werden. Die Maßnahme ist zunächst auf einen Zeitraum von sechs Monaten begrenzt.

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Ersatzfreiheitsstrafen werden in Hamburg teilweise unterbrochen – manches spricht dagegen

Die Justizbehörde betont: Die Ersatzfreiheitsstrafe sei keine Strafe für eine Tat, sondern die Strafe dafür, das man eine Geldstrafe nicht zahle. Die Männer, die nun vorübergehend freigelassen werden, wurden also nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, sondern wegen einer nicht gezahlten Geldstrafe ersatzweise inhaftiert. Darunter fallen beispielsweise Menschen, die mehrmals in Bus und Bahn ohne Ticket erwischt wurden und die Strafe dafür nicht gezahlt haben.

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Die Aussetzung der Vollstreckung ist in spezifischen Fällen jedoch nicht möglich. Dazu gehören Situationen, in denen „spezialpräventive Gründe“ eine Ausnahme rechtfertigen, wie etwa eine geplante Anschlusshaft oder ein unmittelbar bevorstehendes Haftende, so Sulzmann. Ebenso können humanitäre Aspekte eine Rolle spielen: Beispielsweise werde eine Freilassung ausgeschlossen, wenn dies für Menschen ohne festen Wohnsitz eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Hamburger CDU schießt gegen SPD und Grüne: „Misslungene Sicherheitspolitik“

„Dass Hamburg 30 verurteile Straftäter nun auf freien Fuß lassen muss, ist die Folge einer misslungenen Sicherheitspolitik von SPD und Grünen in Hamburg“, sagt Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Fraktion. So steige die Gefangenenzahl seit Längerem kontinuierlich, der Senat unter Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) habe darauf nicht reagiert.

Die Prüfung baulicher Erweiterungsmöglichkeiten in den Justizvollzugsanstalten hätte laut Thering schon längst begonnen werden müssen. „Es ist untragbar, dass Vollstreckungen aufgeschoben oder unterbrochen werden müssen, weil es keine freien Plätze mehr in Hamburgs Gefängnissen gibt.“

Die Hamburger Christdemokraten haben für die kommende Bürgerschaftssitzung (27. November) einen Antrag gestellt, in dem Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Strafvollzug unterbreitet werden. Eine „Eskalation der Situation“ solle so verhindert werden.