Hamburg. Es soll das modernste Jugendgefängnis Deutschlands werden. Jetzt steht fest: Die Anstalt wird um 21 Millionen Euro teurer. Woran das liegt.
- Die Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand ist mittlerweile in die Jahre gekommen.
- Deshalb wird auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Billwerder eine neue Jugendanstalt errichtet.
- Die Kosten dafür sind deutlich gestiegen. Das wird auch die Stadt Hamburg zu spüren bekommen.
Die Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand ist ein Unikum: Das Gefängnis für jugendliche Straftäter auf der abgelegenen Elbinsel gehört zivilrechtlich zu Hamburg, liegt aber auf niedersächsischem Hoheitsgebiet im Landkreis Stade. Bei ihrer Gründung vor gut 100 Jahren galt die Anstalt mit ihrem reformpädagogischen Ansatz als modern.
Doch inzwischen sind die Bauten in die Jahre gekommen und marode. Die Bürgerschaft beschloss daher vor fünf Jahren im Rahmen des fraktionsübergreifenden Justizfriedens den Jugendvollzug in eine neu zu errichtende Jugendanstalt auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Billwerder zu verlagern. Es soll das modernste Jugendgefängnis Deutschlands werden.
Die zwölf Gebäude in Hamburg-Billwerder sollen deutlich weniger Energie verbrauchen
Die Bauarbeiten im Südosten Hamburgs sind in vollem Gang, und das erste Hafthaus steht bereits. Insgesamt soll das Gefängnis 218 Haftplätze des geschlossenen und offenen Vollzugs umfassen, davon 18 Plätze für die sozialtherapeutische Abteilung des Jugendvollzugs. Das sind 42 Plätze mehr als auf Hahnöfersand.
Die zwölf Gebäude sollen in Sachen Nachhaltigkeit ein Zeichen setzen, den Energieeffizienzstandard KfW 55 erreichen und damit lediglich 55 Prozent der Energie eines herkömmlichen Neubaus verbrauchen. Die Dächer werden zu 50 Prozent begrünt und zum Teil mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet werden.
Justiz Hamburg: Teurer Bau liegt auch an den Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine
Mehrfach hatte es Hinweise darauf gegeben, dass die ursprünglich errechneten Gesamtkosten in Höhe von 164,39 Millionen Euro nicht eingehalten werden könnten. Jetzt hat der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker erstmals eine konkrete Zahl genannt.
„Die Kostensteigerung wird zurzeit auf 21,34 Millionen Euro kalkuliert“, heißt es in der Senatsantwort. Das bedeutet ein Plus um knapp 13 Prozent. „Die konkrete Höhe der Steigerung wird erst nach der Schlussrechnung vorliegen“, ergänzt der Senat, was danach klingt, dass die 21,34 Millionen Euro eventuell nicht ausreichen könnten.
„Die Baukosten sowie die Finanzierungskosten sind aufgrund der aktuellen Entwicklung im Bausektor und der Zinsentwicklung gestiegen. Die Ursachen dafür liegen in globalen Ereignissen begründet, insbesondere der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine“, heißt es in der Senatsantwort. Doch wer zahlt die Mehrkosten? Laut Vertrag zwischen der Stadt und dem Bauträger und späteren Vermieter, der städtischen Sprinkenhof GmbH, sind „etwaige über den garantierten Maximalpreis (164,39 Millionen Euro, die Red.) hinausgehende Mehrkosten von der Sprinkenhof GmbH zu tragen“. Doch das gilt nun offensichtlich nicht mehr.
Obwohl das Gefängnis noch nicht fertiggestellt ist, wird die künftige Miete um 36 Prozent erhöht
„Aufgrund der Tatsache, dass keine der Vertragsparteien für die Kostenentwicklung verantwortlich ist und die wirtschaftlichen Folgen bei jeder Lösung letztendlich die Freie und Hansestadt Hamburg treffen, haben die Vertragsparteien sich grundsätzlich auf eine hälftige Kostenteilung verständigt“, schreibt der Senat in seiner Antwort auf die Seelmaecker-Anfrage. Die Sprinkenhof GmbH wird die Jugendanstalt nach dem Mieter-Vermieter-Modell der Stadt zur Nutzung überlassen und dafür Miete einnehmen.
Obwohl das Gefängnis noch nicht fertiggestellt ist, haben sich die von der Stadt künftig zu zahlenden Mietkosten ebenfalls schon deutlich erhöht. Laut der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft zu Bau und Betrieb der Jugendanstalt Billwerder vom Juli 2019 wurde im Hinblick auf den garantierten Maximalpreis eine Gesamtjahresmiete in Höhe von 8,633 Millionen Euro festgelegt. Das entspricht einem Quadratmeterpreis von 31,16 Euro pro Monat. Doch laut einer Stellungnahme der Justizbehörde im Justizausschuss der Bürgerschaft wurde die Gesamtmiete inzwischen auf 11,738 Millionen Euro erhöht (42,37 Euro pro Quadratmeter und Monat). Das entspricht einer Mieterhöhung um knapp 36 Prozent – bevor das Mietverhältnis überhaupt begonnen hat. Sechs Jahre nach der Übergabe des Gefängnisses an die Stadt soll die Miete noch einmal ansteigen: auf 12,356 Millionen Euro.
Aus Sicht des CDU-Justizpolitikers Seelmaecker sind die Kosten „völlig aus dem Ruder gelaufen“
„Nachdem die Justizsenatorin (Anna Gallina, Grüne, die Red.) bereits über zehn Millionen Euro an Steuergeldern wegen absoluter Fehlplanungen für Doppelmieten bei der Staatsanwaltschaft zum Fenster hinausgeworfen hat, kommt hier der nächste Hammer auf uns Hamburger zu“, empört sich der CDU-Justizpolitiker Seelmaecker.
„Ohne vertraglich verpflichtet zu sein, hat Frau Gallina der Sprinkenhof eine Kostenteilung für die völlig aus dem Ruder laufenden Baukosten der Jugendanstalt Billwerder zugesagt – und das, obwohl die Miete, die die Sprinkenhof ab 2026 erhält, bereits jetzt exorbitant steigt“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete. „Diese Fehlplanungen sind inakzeptabel und gefährden den Justizvollzugsfrieden massiv, den wir in der vergangenen Legislaturperiode auf der Basis der damaligen Versprechen des Senats geschlossen haben.“
Die gute Nachricht ist, dass der aktuelle Fertigstellungstermin des Billwerder Neubaus nach jetzigem Stand eingehalten werden kann. Die zunächst kalkulierte Bauzeit war um elf Monate verlängert worden, sodass sich die Übergabe des Gefängnisses an die Stadt von Anfang 2026 voraussichtlich auf Anfang 2027 verschieben wird. „Die Baumaßnahmen liegen im bereits bekannten aktualisierten Zeitplan“, schreibt der Senat in seiner Antwort auf die aktuelle Seelmaecker-Anfrage.
Justiz Hamburg: Mobiliar der Haftzellen soll in hauseigener Tischlerei hergestellt werden
Als problematisch könnte sich dagegen die rechtzeitige Fertigstellung der Ausstattung der Hafträume entpuppen, die laut Senat „Bett, Spind, Wandregal, Pinnwand, Garderobe, Schreibtisch, Unterschrank, Wandbrett TV-Erhöhung, Stuhl und Spiegel“ umfasst – für 200 Haftplätze. „Die Möbel sollen in der Tischlerei (der benachbarten Justizvollzugsanstalt Billwerder, die Red.) gefertigt werden“, teilt der Senat in der CDU-Anfrage mit. Derzeit arbeiten zwölf Gefangene in der Tischlerei. Auf die Seelmaecker-Frage, ob mit dem Bau bereits begonnen worden sei, antwortete der Senat mit „Nein“ und fügt hinzu: „Die Lieferung der Haftraummöbel muss spätestens bis zur Inbetriebnahme der Jugendanstalt Hamburg Ende des ersten Quartals 2027 erfolgt sein.“
Was passiert auf Hahnöfersand, wenn der letzte Gefangene die dortige JVA verlassen hat?
Und was passiert auf Hahnöfersand, wenn der letzte Gefangene die dortige Justizvollzugsanstalt verlassen hat? Der Senat will die Gebäude abreißen lassen und das 1,6 Quadratkilometer große Areal als Ausgleich für die Flächen, die in Billwerder und Oberbillwerder bebaut werden, für den Naturschutz nutzen. Ein Teil der Insel ist schon jetzt Naturschutzgebiet. Doch dagegen gibt es Protest von Politikern und Bewohnern aus dem Alten Land. Der Deichverband der 2. Meile Alten Landes hat gegen die Pläne Hamburgs im Frühjahr 2023 Klage beim Oberverwaltungsgericht eingereicht. Der Verband sieht es als erforderlich an, die Deiche der Elbinsel aufgrund des Klimawandels zu erhöhen. Im Kern geht es um die Frage, ob der Naturschutz die Deicherhöhung behindert.
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Nach Angaben der zuständigen Stadtentwicklungsbehörde ist die Klage seit Juni 2023 einvernehmlich „ruhend“ gestellt. „Seitdem befindet sich die Freie und Hansestadt Hamburg mit dem Landkreis Stade, der Gemeinde Jork und dem Deichverband der 2. Meile Alten Landes in guten Verhandlungen zu einer einvernehmlichen Lösung, die insbesondere die Belange der Deichsicherheit berücksichtigen wird“, sagte eine Sprecherin der Stadtentwicklungsbehörde.