Hamburg. Experten geben bei Veranstaltung Tipps für den Umgang mit Cybermobbing. Auch Schulen sind gefordert. Konkrete Empfehlungen für Eltern.
- „Tu bitte allen einen Gefallen und komm nie wieder“: Wie Hass-Postings Kinder leiden lassen
- Experte: Wichtig ist es, abwertende Postings als Gewalt zu erkennen
- Kinderpsychiaterin: Bei Handy-Apps sollten sich Eltern an offiziellen Altersbeschränkungen orientieren
„Anna spielt noch mit Barbies“, heißt es in einer Nachricht. „Du bist so dumm. Du gehörst wieder in die Grundschule“, steht in einer anderen. „Tu bitte allen einen Gefallen und komm nie wieder.“ Solche Nachrichten, schnell aufgeschrieben und im Internet verbreitet, können schwerste Folgen haben: Kinder, die sich nicht mehr aus dem Haus trauen, die Angst haben, am nächsten Tag in die Schule zu gehen. Die sich verachtet fühlen. Fachleute nennen solche Erfahrungen, die Kinder mit Postings im Internet machen, auch „digitale Gewalt“.
„Wichtig ist, dass Kinder zu starken Persönlichkeiten heranwachsen“, sagt Monika Schorn, Hamburg-Vorsitzende der Opferschutzorganisation Weisser Ring, der zu einer Veranstaltung über Cybermobbing eingeladen hatte. „Cybermobbing ist ein Thema, das uns alle angeht.“ Die Opferschutzorganisation Weisser Ring widmet sich seit Längerem dem Thema digitale Gewalt. Weil digitale Medien im Alltag von Kindern eine immer größere Rolle spielten, sei es „umso wichtiger, dass wir uns mit den verschiedenen Formen digitaler Gewalt und den damit verbundenen Risiken auseinandersetzen“, so der Weisse Ring.
Cybermobbing auch in Hamburg: „Ein Thema, das uns alle angeht“
Wichtig sei es, abwertende Postings als Gewalt zu erkennen – „und Hilfe anzubieten“, betont Kaj Buchhofer von der Stelle „Gewaltprävention“ an der Behörde für Schule und Berufsbildung bei der Veranstaltung, die jetzt insbesondere für Eltern und Lehrer von Kindern der fünften und sechsten Klassen im Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer in Hamburg stattfand.
Was diese Art von Mobbing besonders problematisch für die Betroffenen mache: „Die Inhalte verbreiten sich extrem schnell, und das Internet vergisst nichts“, warnt Schulexperte Buchhofer. Zudem gebe es eine unüberschaubare Menge von Menschen, die solche Postings wahrnähmen. „Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens“, ergänzt Buchhofers Kollege Christian Böhm. So sei es auch bedeutsam, wie die Schulen als Institutionen reagierten und dann bei einem Fehlverhalten Grenzen zögen.
Experte: Auch Schulen müssen reagieren und Grenzen ziehen
Holger Stahn, Jugendbeauftragter der Polizei Hamburg in Eimsbüttel, möchte, dass sich die Betroffenen klarmachten, dass nicht diejenigen, die Fehler machen, die Hetze im Netz erfahren. „Der Sender macht den Fehler. Das ist der Idiot“, erklärt Stahn.
Digitale Gewalt gefährde die Gesundheit der betroffenen Kinder und Jugendlichen, warnt Dr. Kerstin Stellermann-Strehlow, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Cybermobbing bedeute jedenfalls Stress für die Opfer, und teilweise hätten die Betroffenen das Gefühl, sie müssten mit Flucht oder Kampf reagieren. Die psychische Gesundheit sei gefährdet. „Gesund sind wir, wenn wir uns wohlfühlen und unsere Fähigkeiten ausleben können.“ Dazu gehöre auch, dass Grundbedürfnisse wie Kontrolle und Orientierung, Bindung und soziale Verbundenheit, Selbstwert und Lustgewinn befriedigt werden.
„Stopp heißt Stopp“: Das sollte Kindern von klein auf beigebracht werden
Digitale Gewalt löse auch Selbstkritik aus, sagt Stellermann-Strehlow. Wer auf Bilder oder Videos von sich negative, zum Teil sogar verletzende Rückmeldungen bekomme, frage sich, warum er solche Bilder überhaupt ins Netz gestellt oder versandt habe. „Die Kontrolle ist aus der Hand.“ So könne es im Extremfall zu Isolation kommen.
„Neben Spaß und Freude lauern auch Gefahren von Gewalt im Netz“, fasst die Expertin zusammen. Prävention beginne aber zu Hause. Es sei wichtig, dass Kinder lernten, dass sie digitale Rechte haben und Kontaktanfragen ablehnen könnten. Man könne Kindern von klein auf beibringen: „Stopp heißt Stopp.“ Sie empfehle außerdem, dass Eltern sich zeigen ließen, wie Kinder beispielsweise mit ihren Handys im Internet unterwegs seien – um gemeinsam aus Fehlern zu lernen.
Altersbeschränkungen beachten, Eltern-App installieren
Für die Benutzung von Smartphones rät die Jugendpsychiaterin, sich an den Altersbeschränkungen zu orientieren, die es für die meisten Apps gebe. „Das, was für das Alter nicht zugelassen ist, sollte auch nicht auf dem Handy sein“, so Stellermann-Strehlow. Zugleich empfiehlt die Expertin, eine Eltern-App zu installieren, mit der man den Zugang der Kinder kontrollieren und gegebenenfalls einschränken könne. Auch sei es ratsam, immer mal wieder gemeinsam in den Klassenchat reinzuschauen. Zwar sei WhatsApp offiziell erst ab einem Alter von 14 empfohlen, gleichwohl würden viele es schon früher nutzen. „Auch Kinder müssen lernen, mit Handys umzugehen, sich im sozialen digitalen Raum sicher zurechtzufinden.“
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Schulexperte Buchhofer appelliert, dass es bei der Handynutzung Regeln geben müsse. Auch die Schule müsse einbezogen werden, dort könne man sich Hilfe holen. „Die Schule hat einen Handlungsspielraum.“ Zudem müsse jedem klar sein beziehungsweise klargemacht werden: „Cybermobbing ist nicht in Ordnung. Jeder, der wegguckt, ist ein Möglichmacher.“ Zudem sei es kein Petzen, wenn sich jemand Hilfe hole, sondern „ein Dienst an der Gerechtigkeit“.
Tipps für den Umgang bieten unter anderem die Internetseiten innocenceindanger.de sowie Klicksafe.de, eine EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz.