Hamburg. Stalking-Vorwürfe und mehr: Schwelender Streit eskaliert – bis der Vorgesetzte blutüberströmt zu Boden sinkt. Fall nun vor Gericht.
Für ihn fühlte es sich so an, als habe man mit Fäusten auf ihn eingeschlagen. Erst als Jochen T. (alle Namen geändert) sich nach dem Angriff vom Boden aufrappelte und in den Spiegel sah, bemerkte er, „wie das Blut an mir runterlief“. Tatsächlich war der 42-Jährige erheblich verletzt worden, von mehreren Stichen mit einem Cuttermesser.
Der Angreifer: ein Mitarbeiter in der Filiale eines Schnellrestaurants in Hamburg. Das Opfer: dessen Chef. Die Auseinandersetzung fand im Büro statt, nur wenige Meter vom öffentlichen Restaurantbereich entfernt. Seit Mittwoch muss sich nun wegen des Vorfalls vom 13. Februar dieses Jahres Mohammed R. wegen gefährlicher Körperverletzung im Prozess vor dem Amtsgericht verantworten. Laut Anklage fügte der 37-Jährige seinem Chef mit einem Teppichmessermehrere Stichverletzungen zu. Beim Verlassen des Lokals soll der Mitarbeiter seinem Vorgesetzten angekündigt haben, ihn beim nächsten Mal umbringen zu wollen.
Prozess Hamburg: Mitarbeiter wollte Chef „nur Angst machen“
Der 37-Jährige räumt ein, seinen damaligen Boss angegriffen zu haben. Er sagt aber auch: „Ich wollte ihn nicht verletzen.“ Er habe seinem Chef „nur Angst machen wollen“.
Aus Sicht des Angeklagten ist die körperliche Auseinandersetzung der Tiefpunkt eines länger schwelendenden Streits. Er habe zu dem Zeitpunkt seit drei Jahren in der Filiale des Schnellrestaurants gearbeitet, lange sei er mit seinem Vorgesetzten Jochen T. gut ausgekommen, lässt der Angeklagte, ein schmaler Mann mit verhuschtem Blick, über seine Verteidigerin erklären. Aber nachdem Mohammed R. ein Verhältnis mit einer Kollegin angefangen habe, habe sein Chef immer häufiger gegen ihn gestichelt, auch vor anderen Mitarbeitern.
Ex-Freundin zeigte Angeklagten als Stalker an
Richtig massiv seien die boshaften Bemerkungen geworden, nachdem die Kollegin und der 37-Jährige sich wieder getrennt hatten und sie ihren Ex-Freund wenig später bei der Polizei anzeigte. Ihr Vorwurf: Mohammed R. sei ein Stalker. Das hat sich offenbar am Arbeitsplatz herumgesprochen. Jedenfalls habe sein Chef immer weiter behauptet, dass er Frauen stalke, heißt es in der Erklärung des Angeklagten. Später habe der Vorgesetzte sogar eine andere Kollegin gewarnt, man müsse sich vor Mohammed R. in Acht nehmen.
Schließlich habe er beschlossen, so der Angeklagte, dass er die herablassende Art seines Chefs und dessen Sticheleien nicht mehr hinnehmen wolle. Deshalb habe er das Gespräch gesucht und den Vorgesetzten in dessen Büro konfrontiert. „Ich sagte ihm, dass ich sofort kündige, wenn er weiter schlecht über mich spricht.“ Doch sein Chef habe so getan, als wisse er nicht, worum es geht.
„Ich schlug mit Fäusten, habe ans Messer in der Hand nciht mehr gedacht!
„Ich hatte noch von der Arbeit ein Cuttermesser in der Tasche. Ich dachte, dass ich dem Boss damit Angst machen könnte, damit er merkt, dass man so nicht mit mir umgehen kann“, so der Angeklagte. Doch als sein Vorgesetzter vom Stuhl aufgestanden sei, habe er befürchtet, dass er angegriffen werden solle. „Ich schlug ihm mit Fäusten gegen die Brust. An das Messer in meiner Hand habe ich gar nicht mehr gedacht. Er fiel zu Boden. Dass er verletzt war, habe ich nicht gesehen.“
Zumindest kurze Zeit nach dem Angriff, als Mohammed R. bereits das Büro verlassen hatte, waren mehrere Bereiche des T-Shirts von Jochen T. bereits von Blut durchtränkt. Kollegen alarmierten Rettungskräfte, der 42-Jährige kam ins Krankenhaus und wurde professionell versorgt.
Prozess Hamburg: Opfer behält Narben zurück – auch seelische
Er sei sechs Wochen krankgeschrieben gewesen und habe vier Narben von den Stichverletzungen zurückbehalten, erzählt der Zeuge vor Gericht. Noch schlimmer seien aber die psychischen Folgen des damaligen Angriffs. Er sei in psychologischer Behandlung, könne schlechter schlafen. „Und ich gucke mich öfter um als vorher.“
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Auch das Opfer der Messerstiche berichtet, dass es vor dem Angriff durch Mohammed R. Missstimmungen zwischen ihnen gegeben habe. „Es wurde behauptet, dass er eine Frau stalkt. Deshalb hatte ich eine Mitarbeiterin darauf hingewiesen, dass sie vorsichtig sein solle.“ Mohammed R. habe ihn später darauf angesprochen, „warum ich das erzähle. Wir haben das geklärt.“
Zumindest das allergrößte Zerwürfnis zwischen ihnen möchte der Angeklagte Mohammed R. offenbar ausräumen. Kleinlaut wendet sich der 37-Jährige, der mittlerweile nicht mehr in dem Schnellrestaurant arbeitet, an seinen Ex-Chef. „Ich wollte dich nicht verletzen. Das tut mir außerordentlich leid.“ Der Prozess wird fortgesetzt.