Hamburg. 26-Jährige durfte nicht behandeln, deshalb steht sie vor Gericht. Welche Komplikationen ihre Kundinnen erlitten und wie es jetzt weitergeht.
Sie wollten vollere Lippen, eine schönere Nase oder ein anders geformtes Kinn, von dem sie meinten, sie sähen damit hübscher aus. Deshalb ließen sich etliche Frauen in Hamburg Hyaluronsäure ins Gesicht spritzen und bezahlten gutes Geld dafür. Allein: Die Frau, der sich die Kundinnen anvertrauten, hätte solche Behandlungen wohl überhaupt nicht vornehmen dürfen. Zudem sollen mehrere der Frauen nach der Prozedur unschöne Schwellungen und Schmerzen gehabt haben.
Deshalb steht jetzt eine 26-Jährige vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau aus Hamburg einen Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz, gefährliche Körperverletzung sowie gewerbsmäßigen Betrug vor. Schon einmal wurden die entsprechenden Vorwürfe verhandelt, die junge Mutter schließlich in dem Prozess vom Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt. Weil sowohl die Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung Berufung einlegten, kam es am Mittwoch vor dem Landgericht zu einer neuen Verhandlung. Doch der Prozess war schon zu Ende, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte.
Prozess Hamburg: Kundinnen Lippen unterspritzt, ohne dass sie die Qualifikation hatte?
Die Staatsanwaltschaft wirft Elif B. (Name geändert) vor, als Betreiberin eines Beautysalons bei 39 Kundinnen gegen Barzahlung in ihrem Salon in Ottensen sowie in ihrer Wohnung in Osdorf Unterspritzungen mit Hyaluronsäure im Gesichtsbereich vorgenommen zu haben. Dies habe sie getan, ohne über eine entsprechende Zulassung zu verfügen – und obwohl sie gewusst habe, dass gesundheitliche Risiken für die Kundinnen bestehen. Zwischen 2020 und Februar 2023, so die Anklage, habe die 26-Jährige auf Instagram für die Behandlungen geworben und durch die Eingriffe insgesamt rund 10.000 Euro eingenommen. Hätten die Kundinnen gewusst, dass Elif B. für solche Unterspritzungen nicht qualifiziert ist, hätten die Frauen sich nicht bei der jungen Frau in Behandlung begeben, heißt es weiter.
Im ersten Prozess vor dem Amtsgericht hatte Elif B. zwar eingeräumt, die Behandlungen vorgenommen zu haben. Sie habe jedoch angenommen, dass ihre Kundinnen wüssten, dass sie keine Ausbildung zur Heilpraktikerin abgeschlossen habe, sondern Kosmetikerin sei. Zudem habe sie aus finanzieller Not die Behandlungen vorgenommen, so die Angeklagte damals. Schließlich habe sie als alleinerziehende Mutter eines kleinen Kindes Geld für ihren Sohn, für sich selbst sowie für ihre kranke Mutter verdienen müssen. „Das hat mich so überfordert, dass ich einfach weitergemacht habe“, hatte sie gesagt.
Das Zertifikat kam per Mail, das Türschild warb für „Beautysalon“
Die Behandlungen hatte sie vorgenommen, nachdem sie ein „Zertifikat“ erworben hatte. Dieses kam per Mail, nachdem Elif B. im Internet einige Demonstrationsvideos geordert hatte. Im Anschluss, so hatte sie es in dem ersten Prozess eingeräumt, hatte die 26-Jährige sich eine Ausstattung mit Behandlungsstuhl, Spritzen und anderem Zubehör besorgt und an der Tür zu ihrer Wohnung ein extra nach ihren Vorstellungen gestaltetes Schild für einen „Beautysalon“ angebracht.
Nachdem sie auf Instagram für ihre Dienste als „Lip Specialist“ geworben hatte, kamen die ersten Kundinnen. Manche waren offenbar nach den Behandlungen zufrieden, etliche weitere allerdings überhaupt nicht. Mindestens eine Frau soll schließlich zu einem Spezialisten gegangen sein, damit die nach der Unterspritzung unschön geschwollenen Lippen wieder natürlicher aussehen und nicht mehr schmerzen.
Bewährung oder Gefängnis? Vorstellungen gehen weit auseinander
In der Berufungsverhandlung macht der Verteidiger von Elif B. deutlich, dass ein milderes Urteil als die vom Amtsgericht verhängte Strafe angestrebt werde – auf jeden Fall aber eine Bewährungsstrafe. Der Verteidiger argumentiert, dass möglicherweise kein Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz vorgelegen habe. Zudem seien die Unterspritzungen, die die Kundinnen freiwillig in Anspruch genommen hätten, keine gefährliche Körperverletzung in dem Maße, wie man sie sich üblicherweise vorstellt.
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Die Staatsanwaltschaft, die im ersten Verfahren auf eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren plädiert hatte, möchte in dieser zweiten Instanz eine höhere Strafe als zwei Jahre mit Bewährung erreichen, jedenfalls eine Strafe, bei der Elif B. eine Zeit im Gefängnis zu verbüßen hätte. Die Vorstellungen von Verteidigung und Anklagebehörde gehen also so weit auseinander, dass ein Prozess ohne aufwendige Beweisaufnahme nicht möglich erscheint. Nun soll die Verhandlung zu einem späteren Termin erneut beginnen – dann mit der Aussage von mehreren Frauen, die sich von Elif B. behandeln ließen.