Hamburg. Müllfahrzeug blockiert die Straße, da rastet Hamburger offenbar aus. Aggression gegen Müllwerker häufig: „Das erleben wir mehrmals täglich.“
- Autofahrer soll Müllmann im Bezirk Altona beleidigt, bespuckt und sogar verletzt haben
- Angeklagter Autofahrer muss warten, das bringt ihn total auf die Palme – und schließlich vor Gericht
- Müllwerker war vier Wochen krankgeschrieben. Agressionen gegen sie sind keine Seltenheit.
Ruhe bewahren. Zurückhaltend auftreten. Wenn Müllwerker Andreas T. (alle Namen geändert) über seine Arbeit spricht und den Umgang mit anderen Menschen, scheint dies seine Maxime zu sein – und auch die seines früheren Arbeitgebers, ein Entsorgungsunternehmen. Ruhe bewahren trifft aber offenbar überhaupt nicht auf jenen Mann zu, mit dem der 38-Jährige während seiner Arbeit in Konflikt geraten sein soll. Am Ende soll der Müllwerker von einem Autofahrer beleidigt und bespuckt worden sein. Demnach wurde er von einem ungeduldigen Verkehrsteilnehmer sogar mit dessen Wagen touchiert und landete verletzt auf der Straße.
Gefährliche Körperverletzung und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr werden dem Angeklagten Mehmet R. nun unter anderem in einem Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg wegen der mutmaßlichen Geschehnisse bei einem Zusammentreffen vom 5. Januar vergangenen Jahres vorgeworfen. Dabei soll der 38-Jährige in einer Anliegerstraße im Bezirk Altona, während zwei Müllfahrzeuge dort Abfall einsammelten und ein Vorbeikommen an den viele Tonnen schweren Fahrzeugen nicht möglich war, aggressiv geworden sein.
Autofahrer vor Gericht: Er soll Müllwerker angefahren und verletzt haben
Zunächst habe der BMW-Fahrer aufgebracht gehupt, heißt es in der Anklage. Dann soll Mehmet R die Müllwerker beleidigt und auf einen von ihnen so dicht aufgefahren sein, dass der Wagen die Knie des Entsorgers berührte. Schließlich, so die Vorwürfe weiter, habe Mehmet R. den Müllwerker angespuckt und sei mit dem Wagen erneut gegen den Mann gefahren. Dadurch sei Andreas T. auf die Motorhaube des BMW gestoßen worden und von dort unsanft auf die der Straße gerutscht, wo er sich am Arm verletzte.
Der Angeklagte ist ein Mann, der aussieht, als verbringe er viele Stunden beim Gewichtestemmen im Fitnessstudio. Zu den Vorwürfen wolle sich sein Mandant zunächst nicht äußern, erklärt der Verteidiger von Mehmet R vor Gericht. Umso ausführlicher schildert der ehemalige Müllwerker Andreas T., wie sich das Zusammentreffen zwischen ihm und dem Angeklagten an jenem Januartag 2023 ereignet habe.
Er habe damals für ein Entsorgungsunternehmen gearbeitet, das für die Entleerung der gelben Tonnen und das Entsorgen der gelben Säcke zuständig war, erinnert sich der 38-Jährige. In einer Anwohnerstraße sei zur selben ein Müllfahrzeug der Stadtreinigung unterwegs gewesen. Bei der Einfahrt zu einem Schulgelände sei es eng geworden – wohl auch zu eng, als dass Pkw-Fahrer noch hätten passieren können.
Müll-Entsorgung in Hamburg: Sicherungsposten soll verhindern, dass es gefährlich wird
Der Müllwagen der Stadtreinigung musste aus der Zufahrt zur Schule raus, das Fahrzeug des Entsorgungsunternehmens in dieselbe Zuwegung rein. Während das 26 Tonnen schwere Fahrzeug rangiert, sei es Vorschrift, dass jemand hinter dem Wagen als Sicherungsposten steht, erzählt der Zeuge. Das sei an jenem Tag seine Aufgabe gewesen. Doch offenbar habe der BMW-Fahrer dafür wenig Verständnis gehabt. „Der Herr hier hat erst gehupt“, erzählt der Zeuge mit Blick auf den Angeklagten.
Dann seien er und seine Kollegen als „Idioten“ beschimpft worden, und der BMW sei so dicht an ihn herangefahren, dass das Autokennzeichen seine Knie berührt habe. „Das war kein langsames Vortasten“, beschreibt der Zeuge den Fahrstil des Mannes am Steuer des BMW.
Zeuge spricht bei Prozess in Hamburg: Er wurde an Schulter und Ellenbogen verletzt
Doch seinen Standpunkt als Sicherungsposten habe er nicht verlassen, erzählt Andreas T. weiter. Auch als der Mann ihm ins Gesicht gespuckt und im Bereich der Augen getroffen habe, habe er sich nicht auf einen Streit eingelassen, getreu dem Motto „Ruhe bewahren“. Allerdings habe er sich weggedreht, so Andreas T. „Das nächste, was ich weiß, ist, dass ich auf der Straße lag.“ Seine Schulter und sein Ellenbogen seien dabei verletzt worden. „Der Schock war groß.“
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Und ein Weiterarbeiten war offenbar unmöglich. Er habe sich von seiner Frau abholen und ins Krankenhaus fahren lassen, wo Prellungen festgestellt wurden. „Ich war vier Wochen krankgeschrieben.“ Dass andere Verkehrsteilnehmer gegen Müllwerker aggressiv vorgehen, komme „leider häufig vor“, erzählt der 38-Jährige über seine frühere Arbeit.
Auch hätten er und seine Kollegen immer wieder erlebt, wie wichtig es sei, dass Sicherungsposten zur Stelle sind. Dies sei nicht nur hinter dem Müllfahrzeug wichtig, sondern auch davor. Denn sonst würden Autofahrer, um schneller voranzukommen und das Müllfahrzeug zu passieren, auch schon mal über den Fußweg ausweichen. „Das erleben wir mehrmals täglich.“ Der Prozess wird fortgesetzt.