Hamburg. Polizeipräsident Falk Schnabel ist ein Jahr in Hamburg. Organisierte Kriminalität und Kleinkriminalität sind Probleme. So geht er sie an.
Ein Jahr ist der gebürtige Baden-Württemberger und Jurist Falk Schnabel Polizeipräsident in Hamburg. Er sei, wie er sagt, „angekommen“. Mittlerweile fühle sich Köln „ganz weit weg an“, wo er zuvor Polizeipräsident war. In Hamburg schätzt er die kurzen Wege zwischen den Behörden und deren guten Zusammenarbeit. Darüber, was die Polizeiarbeit erleichtern und die Sicherheit verbessern könnte, hat er klare, wenn auch nicht einfach umsetzbare Vorstellungen. So stehen Erleichterungen beim Datenschutz im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität und die Überführung von Massendelikten in den Bereich der Ordnungswidrigkeiten auf seiner Agenda. Ein klarer Schwerpunkt der Polizeiarbeit werden laut Schnabel auch weiter die Stadtteile St. Georg und St. Pauli sein.
Bessere Rahmenbedingungen sind für Schnabel Voraussetzung für eine effektive Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, die in Hamburg stark durch Drogenkriminalität geprägt ist. „Früher mussten sich die Beteiligten treffen“, sagt Schnabel. „Da konnten wir versuchen, dranzubleiben. Heute funktioniert das nicht mehr. Kriminelle nutzen elektronische Kommunikation, die verschlüsselt ist. Dazu müssen sie, das zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, nicht einmal in Hamburg sein, um ihre Geschäfte hier zu lenken. Wir als Ermittlungsbehörden müssen die technischen Möglichkeiten nutzen dürfen. Nur so kann man mit dem polizeilichen Gegenüber auf Augenhöhe bleiben.“
Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel will „Knöllchen“ für Kleinkriminelle
Schnabel denkt dabei an Gesichtserkennung, automatische Datenauswertung und Vorratsdatenspeicherung. Auch bei Einsätzen mit psychisch Kranken wünscht sich Schnabel, der im Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen arbeitete und auf diesem Gebiet Erfahrung hat, mehr Informationen für die Polizei. „Dabei geht es nicht darum, die Leute wegzusperren, sondern die Möglichkeit, besser auf sie zuzugehen“, sagt der Polizeipräsident.
Das zweite Problem, das Schnabel sieht, liegt am anderen Ende der „Kriminalitätsskala“ – die Massenkriminalität. „Ich stelle fest, dass ein Drittel der Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft ohne Sanktionen eingestellt wird. Dabei geht es nicht um Verfahren, bei denen man keinen Täter ermittelt hat oder man die Tat nicht nachweisen kann“, sagt Schnabel.
Polizeipräsident: Massenkriminalität wird in vielen Fällen nicht mehr sanktioniert
„Es sind Verfahren, bei denen der Täter bekannt und eine Sanktion möglich gewesen wäre.“ Dass solche Verfahren eingestellt werden können, sieht das Gesetz vor. „Es macht auch in vielen Fällen durchaus Sinn“, sagt Schnabel. „Es soll die Justiz entlasten, weil sie es schlicht und ergreifend sonst nicht schaffen würde.“
„Jetzt ist es so, dass ich falsch parke, in einen Supermarkt gehe und dort etwas stehle. Dann wird der Diebstahl möglicherweise eingestellt, aber das Bußgeld für das falsche Parken muss ich zahlen“, sagt Schnabel. Kleinkriminalität wäre besser als Ordnungswidrigkeit sanktioniert. Dann würde für eine solche Tat eben ein Bußgeld verhängt. „Darüber sollte man mal nachdenken, auch wenn es die Gesetzeslage bislang nicht hergibt.“
In Ermittlungen nach Schusswaffeneinsätzen steckt die Polizei viel Personal und Energie
Dass es in der letzten Zeit einige Auseinandersetzungen im kriminellen Milieu mit Schusswaffen gab, besorgt Schnabel. „Immer wenn Schusswaffen zum Einsatz kommen, müssen wir auf der Hut sein“, sagt Hamburgs Polizeipräsident. Auch weil immer dem Verdacht nachgegangen werden müsse, ob es eine Auseinandersetzung im organisierten kriminellen Milieu war.
„Wir stecken deshalb in solche Fälle immer sehr viel Ermittlungsarbeit rein“, sagt Schnabel. Das bedeute auch, dass das LKA 6, zuständig für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, gut ausgestattet sei.
Polizeipräsident Falk Schnabel: St. Georg und der Kiez bleiben Schwerpunkte für die Polizei
St. Georg bleibe neben der Reeperbahn und dem restlichen Kiez ein Bereich, auf den man einen „ganz besonderen polizeilichen Fokus“ habe. „Es ist ein Umfeld, das durch problematische Szenen geprägt ist“, so Schnabel. „Laut Statistik gibt es dort eine signifikante Häufung von Straftaten. Wir versuchen durch Präsenz, solche Taten zu verhindern und das Sicherheitsgefühl der Menschen positiv zu beeinflussen“, sagt Schnabel. „Wir haben in Bereichen Alkoholkonsumverbot, Videoüberwachung, Gefahrengebiete oder Waffenverbotszonen. Wir holen am Bahnhof und in St. Georg das raus, was rechtlich möglich ist.“
„ Ich habe diese Vorteile der kurzen Wege in einem Stadtstaat zu schätzen gelernt.“
Bislang führt die erhöhte Präsenz allerdings dazu, dass mehr Fälle bekannt werden, da sie „von Amts wegen“ eingeleitet wurden. So steigt die Zahl der erfassten Raubdelikte vor allem im Bezirk Hamburg-Mitte, während sie in fast allen anderen Bezirken sinkt. In St. Georg waren es bis einschließlich September 267 Fälle und auf St. Pauli 186 Fälle im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr. Ganz ähnlich stellt sich die Verteilung bei den schweren und gefährlichen Körperverletzungen dar, die in St. Georg um 101 Fälle und auf St. Pauli um 99 Fälle stieg.
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Was Schnabel positiv sieht: Die Zusammenarbeit mit anderen Behörden läuft besser als in einem Flächenland. „Hier hat man einen direkten Draht zu anderen Behörden, insbesondere der Sozialbehörde. Das ist wichtig bei den Themen, wo es Überschneidungen gibt. Ich habe diese Vorteile der kurzen Wege in einem Stadtstaat zu schätzen gelernt. In Hamburg ist man auch viel näher an der Politik dran. Das hat den Vorteil, dass Dinge auf dem kurzen Weg besprochen werden können und man in einem viel engeren Austausch ist.“