Hamburg. Das Jewish Chamber Orchestra Hamburg lädt am Sonnabend zu einer Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht 1938 ein. Warum Flüchtlinge helfen wollen.

  • Am 9. November lädt das Jewish Chamber Orchestra Hamburg zu einem Gedenkkonzert an die Novemberpogrome von 1938 ein.
  • Die Veranstalter haben muslimische Geflüchtete als ehrenamtliche Helfer organsiert.
  • Ein junger Afghane erzählt, warum er helfen möchte.

Es geht um Mitmenschlichkeit, um Liebe, um Hoffnung. Latif lebt seit zwei Jahren in Hamburg und will helfen. Er will sich einbringen und zeigen, dass wir alle einfach Menschen sind. Und er interessiert sich für Kultur, möchte neue Menschen kennenlernen und mehr über die Geschichte Deutschlands erfahren. Deswegen freut er sich, beim zweiten Gedenkkonzert des Jewish Chamber Orchestras Hamburg auszuhelfen.

Am 9. November lädt das Orchester zum zweiten Mal zu der musikalisch-literarischen Gedenkveranstaltung an die Novemberpogrome 1938 ein. Dort trifft am Sonnabendabend die Musik des Orchesters auf Literatur über die Vernichtung der jüdischen Kultur. Die Schauspielerin Gesine Cukrowski liest zwischen den Musikstücken verschiedene Texte sowie Tagebucheinträge der Komponisten und Zeitzeugen und -zeuginnen vor. Filmausschnitte ergänzen die Veranstaltung.

Gedenken Pogromnacht: Konzert ein Zeichen für Akzeptanz und Zusammenhalt

Bei dieser kulturellen Veranstaltung unterstützt Latif zusammen mit sieben weiteren geflüchteten Muslimen die Veranstalter des JCO Hamburg. Axel Limberg ist seit zehn Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv und stellte den Kontakt zu Latif und den anderen Männern her. Gemeinsam mit dem JCO Hamburg wolle er ein Zeichen für Verständigung, Akzeptanz und gesellschaftlichen Zusammenhalt setzen. „Gerade vor dem Hintergrund der pogrom-ähnlichen Ausschreitungen in Amsterdam, sind wir dankbar und bewegt, dass gleich neun muslimische Helfer mit ihrem ehrenamtlichen Engagement ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus und Extremismus setzen wollen“, so Emanuel Meshvinski, Mitgründer des JCO Hamburg und Künstlerischer Leiter.

„In diesem Fall haben wir tatsächlich nur Männer gefragt. Wir wollen damit auch dem Bild von muslimischen Männern in der Öffentlichkeit etwas dagegenhalten. Von zehn Männern, die ich gefragt habe, haben acht zugesagt. Eigentlich hätten wir nur zwei oder drei Personen gebraucht“, erzählt Limberg. Frauen habe er gar nicht erst gefragt, bei ihnen, davon geht er fest aus, wäre das Interesse viel zu groß gewesen. Latif ist einer der Männer, die zugesagt haben. Am Sonnabendabend wird er bei der Einlasskontrolle helfen und betagte Gäste an ihre Plätze bringen.

Afghane Latif lebt seit zwei Jahren in Hamburg – ein Sprachtalent

Latif freut sich schon sehr auf das Konzert. Der 22-Jährige kam vor zwei Jahren aus einem kleinen afghanischen Städtchen in die große Hansestadt. Denn hier lebt sein Bruder bereits seit mehreren Jahren, bei ihm fand Latif Unterschlupf. Der Rest seiner Familie konnte ihm nicht folgen. Seit zwei Jahren hat Latif seine Geschwister, Eltern, Großeltern und Verwandten nicht mehr gesehen.

Sprachtalent: In Deutschland angekommen hat der junge Afghane seine Sprachkenntnisse ausgebaut und innerhalb von zwei Jahren fast fließend Deutsch sprechen gelernt. Daneben spricht er noch fünf weitere Sprachen, darunter Englisch und Paschto – eine der vielen Sprachen, die in Afghanistan gesprochen werden.

Latif: „Als Mensch will ich helfen“

Aber auch von der Kultur und Geschichte Deutschlands will Latif mehr erfahren. In dem Gedenkkonzert sieht er eine Chance dafür. „Wir müssen alles dafür tun, dass so etwas Schreckliches nicht wieder passiert“, betont Latif. Seine Motivation, als Ehrenamtlicher bei der Veranstaltung zu helfen? „Es soll eine Botschaft der Hoffnung sein. Ich helfe gerne, weil ich ein Mensch bin.“ Als Mensch sei es für ihn selbstverständlich, helfen zu wollen, Liebe und Respekt zu zeigen. „Kriege in der Welt sind furchtbar. Darum ist es mir wichtig, Mitmenschlichkeit zu zeigen.“

Beim Gedenkkonzert des jüdischen Kammerorchesters Hamburg wird er seinen Tatendrang einbringen können. Denn am 9. November jährt sich zum 86. Mal die Pogromnacht von 1938, in der 1400 Synagogen sowie wichtige jüdische Orte, Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe gestürmt, zerstört und geschändet wurden. Es folgten Verschleppungen von Juden in Konzentrationslager. Dieser Nazi-Terror führte zur Shoa und der Ermordung von sechs Millionen Juden.

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Die Veranstaltung findet auch dieses Jahr wieder im Rolf-Liebermann-Studio des NDR statt. Bei dem Studio handelt es sich um eine ehemalige Synagoge, die bei den Novemberpogromen 1938 verwüstet und dann geschlossen wurde. Dort erklingen an diesem Abend unter anderem Auszüge aus der Kinderoper „Brundibár“ des tschechischen Komponisten Hans Krása, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde.

Tickets erhalten Interessierte noch auf der Webseite des JCO.