Hamburg. Hamburgs Altbürgermeister fordert einen Aufbruch der Wissenschaft und befürwortet „aus vollem Herzen“ die Initiative „Hamburg – Vor zur Welt“.
Jede Woche stellt sich der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi den Fragen des stellvertretenden Abendblatt-Chefredakteurs Matthias Iken.
Matthias Iken: Die Initiative „Hamburg – Vor zur Welt“ mahnt mehr Investitionen in Wissenschaft und Forschung an – die Hansestadt fällt demnach weiter zurück. Teilen Sie die Analyse?
Klaus von Dohnanyi: Natürlich kenne ich viele wichtige Details der heutigen Hamburger Wissenschaftspolitik nicht, aber ich vermute, dass die Initiative mit ihrer Einschätzung recht hat: Hamburg hält wissenschaftspolitisch mit dem großen Konkurrenten München nicht Schritt. In der Tat sollten wir mit Wissenschaftspolitik energischer „Vor zur Welt“ dringen. Es war allerdings schon immer schwer, den Kurs der Stadt in diese Richtung zu bewegen. Denn Hamburg glaubt, nur vom Hafen leben zu müssen, Hamburg lebt auch nur für ihn. Obwohl wir doch alle wissen, dass die Warenstruktur des weltweiten Handels immer mehr in Richtung leichterer, technischer Produkte tendiert. Große Flughäfen wie Frankfurt oder München wurden so zu echten Konkurrenten für den Hamburger Hafen. Und der Austausch elektronischer Dienstleistungen wird diesen Trend noch verstärken, denn er bedarf überhaupt keiner Hafenarbeiter mehr. Ich kann nicht erinnern, dass Silicon Valley einen Hafen hat.
Klaus von Dohnanyi meldete sich schon vor zehn Jahren kritisch zu Wort
Iken: Vor zehn Jahren meldeten Sie sich gemeinsam mit den früheren Senatoren Wolfgang Peiner (CDU) und Willfried Maier (Grüne) in einer überparteilichen Analyse „In Sorge um Hamburg“ zu Wort. Hatten Sie Erfolg?
Dohnanyi: Das kann ich leider guten Gewissens nicht behaupten, obwohl die Ausgangslage auch damals schon so kritisch war, wie sie heute von der neuen Initiative gesehen wird. Wir hatten die großen Stiftungen der Stadt mit am Tisch, wir arbeiteten mit der Hilfe der Hamburger Akademie der Wissenschaften und beauftragten ein renommiertes österreichisches Wirtschaftsforschungsinstitut mit der Erarbeitung der wichtigsten Daten. Aber leider empfand die Behörde für Wissenschaft unsere Initiative als eine Art Konkurrenz oder sogar als peinliche Kritik. Unser umfangreicher Bericht endete dann auf der üblichen Endstation für politische Beratungsarbeit – im Bücherregal der Behördenleitung. Für die Arbeit an unserem damaligen Bericht habe ich übers Ganze gesehen bestimmt mehr als 200 Stunden aufgebracht und die Kollegen der Stiftungen und der von uns beauftragten Forschungsinstitute mindestens ebenso viele. Man frage doch mal die Chefin der Wissenschaftsbehörde, wo der Bericht jetzt steht, ob ihn irgendjemand jemals für die Arbeit nutzt oder gar zitiert?
Dohnanyi warnt vor einem „tödlichen Irrtum“
Iken: Warum tut sich Hamburg traditionell schwer mit Wissenschaft?
Dohnanyi: Die Frage stellte Helmut Schmidt schon 1965: „Warum schläfst du, meine Schöne?“ Diese „schönste Stadt Europas“ bedarf offenbar keiner besonderen Kraftanstrengung, um im Konkurrenzkampf der Weltstädte mithalten zu können: Welch tödlicher Irrtum! Der Hafen wird schon aufgrund seiner binnenländischen Lage an Bedeutung verlieren. Und wie oft lässt sich die Elbe noch ausbaggern? Dem Bedeutungsverlust des Hafens könnten dann zwangsläufig auch Handel, Transport und Kommunikation folgen. Wie Sie sehen: Ich befürworte die neue Initiative aus vollem Herzen und wünsche ihr den Erfolg, den wir damals nicht hatten!
Iken: Warum wäre es für Hamburg so wichtig, einen Schwerpunkt in Wissenschaft und Forschung zu setzen? Und passiert nicht mit der Umsetzung der Science City in Bahrenfeld inzwischen einiges?
Mehr von Klaus von Dohnanyi
- Klaus von Dohnanyi: „Europa wird nicht regiert, sondern reguliert“
- Klaus von Dohnanyi zur Bundestagswahl: „Alles spricht für Friedrich Merz“
- Hamburgs Altbürgermeister: „Deutschland braucht mehr Selbstbewusstsein“
Dohnanyi: Gewiss, aber wird das auch von draußen so wahrgenommen? Zieht das schon Topleute an die Uni? Dabei lebt Wissenschaft von einigen urbanen Voraussetzungen, mit denen Hamburg reichlich gesegnet ist: eine grüne und schöne Stadt mit hervorragenden ökologischen Strukturen; Hamburg liegt nahe an den wundervollen Naherholungsgebieten Nord- und Ostsee, und Dänemark ist ein freundlicher und schöner Nachbar. Hamburg selbst bietet mitten in der Stadt ungewöhnliche Gelegenheiten für Wassersport und somit wichtige Voraussetzungen für einen Lebensraum, der für jüngere und ehrgeizige Menschen sehr attraktiv sein könnte. Also wo fehlt es? Wenn Hamburg aufholen will, müssen wir bei der Universität und den langfristigen Plänen für den Standort Bahrenfeld beginnen. Die Hamburger Universität braucht dafür eine Führung, wie München sie für seinen Aufstieg hatte. Allerdings: Damals gab es auch noch viel Geld.