Ex-Bürgermeister und frühere Senatoren fordern überparteilichen Pakt für Ausbau zur Wissenschaftsmetropole
Neustadt. Ein ehemaliger Bürgermeister und zwei Ex-Senatoren von drei unterschiedlichen Parteien – aber ein gemeinsames Ziel: Klaus von Dohnanyi, Wolfgang Peiner und Willfried Maier wollen mit ihrem Appell dafür sorgen, dass Hamburg zu einem führenden Standort für Wissenschaft und Forschung ausgebaut wird. Entstanden war die Initiative, als sich Dohnanyi und Peiner zufällig beim Joggen trafen, ins Gespräch kamen und beschlossen, tätig zu werden.
Die drei Politiker sehen die große Gefahr, dass Hamburg im Wettbewerb der Städte weiter zurückfallen wird. „Hamburg erlebte im Verlauf der vergangenen 100 Jahre im weltweiten Vergleich der Metropolen einen ständigen relativen Bedeutungsverlust“, heißt es in der vierseitigen Streitschrift, die sie am Freitag im Übersee-Club vorstellten. Und: „Diese Entwicklung hält unverändert an.“
Auf die bisherigen Stärken Hafen, maritime Cluster, Logistik, Finanzdienstleistungen, Luftfahrt und Medien zu setzen, sei angesichts der zunehmenden Konkurrenz unter den Metropolen, der Verlagerung von Schiffbau nach Asien und Nordeuropa, der Abwanderung von Medienunternehmen und der Probleme bei der Elbvertiefung riskant. Schon jetzt entfalteten andere deutsche Metropolregionen wie München, Stuttgart und Frankfurt teilweise größere Dynamik. Weltweit werde die Qualität von Wissenschaft, Universitäten und Forschungseinrichtungen als wichtigster Motor für die künftige Entwicklung gesehen. In Hamburg aber seien diese bisher bestenfalls zweitklassig, es gebe kaum Spitzenleistung und kein Gesamtkonzept. Bei den Exzellenzprogrammen des Bundes sei die Hansestadt bis auf wenige Ausnahmen leer ausgegangen, die Hochschulen lägen in Rankings meist hinten.
Es gebe keine geistige Prägung der Stadt durch das, was an den Hochschulen passiere, sagt Maier. „Hamburg hat Potenzial, aber ohne international wettbewerbsfähige exzellente Forschung und Wissenschaft ist ihre Zukunft bedroht“, warnt Dohnanyi. Notwendig sei eine Kampagne „Wissenschaftsstandort Hamburg 2025“.
Auch vermögende Spender sollen für einzelne Projekte gewonnen werden
Die drei Politiker fordern einen parteiübergreifenden strategischen Beschluss von Senat und Bürgerschaft, der den kontinuierlichen Ausbau zur Wissenschaftsmetropole über mehrere Wahlperioden festschreibe und mit einem verbindlichen Finanzkonzept verbinde. Auch vermögende Stifter und Spender sollen für einzelne Projekte gewonnen werden. „Es ist die Aufgabe der Stunde, diese Frage in den Mittelpunkt der politischen Debatte in Hamburg zu rücken und die Kräfte zu konzentrieren“, sagt Dohnanyi. Scholz, so der Vorschlag, solle eine international besetzte Kommission beauftragen mit einer Bestandsaufnahme von Schwächen und Potenzialen der Wissenschaftslandschaft und sie Ziele definieren lassen.
Peiner, der vor gut zehn Jahren das Leitbild der Wachsenden Stadt entwickelt hatte, will die Initiative als Fortschreibung dieses Konzeptes verstanden wissen
Den drei Politikern geht es zunächst nicht um mehr Geld für den Wissenschaftsbereich. Erforderlich sei erst einmal eine klare Prioritätensetzung und ein zielorientiertes Konzept – vor allem aber Führung. Und diese müsse Olaf Scholz übernehmen, dem sie ihre Vorstellungen bereits vorgetragen haben. Auch wenn Dohnanyi, Peiner und Maier ihren Appell nicht als Kritik an Personen verstanden wissen wollen, ist es doch eine Kehrtwende in der Politik des SPD-Senats, die sie fordern. Scholz hatte nach seinem Amtsantritt zwar die Schul-, nicht aber die Wissenschaftspolitik zum Prioritätsbereich gemacht und dieser eine Konsolidierung verordnet. Von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) war am Freitag im Übersee-Club gar nicht die Rede.
Das Wort Chefsache mag man im Rathaus nicht in den Mund nehmen. Scholz betonte aber, dass ihm das Thema sehr wichtig sei. Aus seiner Sicht geht es zuerst um eine neue Haltung. „Hamburg muss ein positives Verhältnis zu Wissenschaft und Forschung entwickeln und auch ein positives Verhältnis zu aus Wissenschaft und Forschung entstehenden Innovationen.“ Mit ihren staatlichen und privaten Universitäten und zahlreichen Forschungseinrichtungen habe die Stadt das Zeug zu einer internationalen Wissenschaftsmetropole. Dynamik entstehe dabei aus der Kooperation der Einrichtungen, so Scholz. Die Universität werde bald 100 Jahre alt. „Das sollte das Signal für einen neuen qualitativen Aufbruch der gesamten Wissenschafts- und Forschungslandschaft unserer Stadt sein.“
Aus Sicht von CDU-Fraktionschef Wersich wäre allerdings ein „vollständiger Paradigmenwechsel der bisherigen Senatspolitik erforderlich“, wenn man die Wissenschaftspolitik zum „Kern der weiteren Entwicklung der Stadt“ mache, wie dies notwendig sei.
Dohnanyi, Peiner und Maier richten ihre Aufforderung aber nicht nur an die Politik, sondern „in gleichem Maße“ auch an die Hochschulen und deren Führungen. Dort vermissen sie eine klare Prioritätensetzung. Hochschulen müssten sich ehrgeizige Ziele und Schwerpunkte setzen, Top-Wissenschaftler berufen und ambitionierte Projekte anstoßen. Dann werde sich Geld finden, vom Bund, der Forschungsförderung oder von Stiftungen.