Hamburg. Das berühmte Triptychon „Die Thermopylen“ fehlt seit Langem im Philturm der Uni Hamburg. Jetzt gibt es eine Taskforce – und eine Erklärung.
- Gähnende Leere an der Wand im Kokoschka-Hörsaal
- Wertvolles Gemälde nach der Sanierung des Philturms nicht zurückgekehrt
- Prominente Hamburger Familie stiftete das Wandbild
Die Befürchtungen sind groß: Ist eines der bekanntesten Kunstwerke im öffentlichen Raum in Hamburg verschollen? Seit Jahren ward das dreiteilige Bild „Die Thermopylen“ des großen expressionistischen Malers Oskar Kokoschka nicht an seinem angestammten Platz im Hörsaal D des Philturms an der Universität Hamburg gesehen. Der Kokoschka-Saal ohne Kokoschka – welch ein Sakrileg. Das extrem wertvolle Triptychon wird schmerzlich vermisst im Philosophenturm, der über mehrere Jahre quälend lang saniert wurde. Die braune Holzplatte über dem gelben Ziegel macht dieser Tage einen tristen Eindruck.
Wo ist Hamburgs berühmtester Kokoschka? In der Uni wurde bereits gemunkelt, er sei zwischen Hamburg und einer Verleihstation (zuletzt in Wien) verschwunden oder beschädigt worden. Der Sprecher von Uni-Präsident Hauke Heekeren, Alexander Lemonakis, versicherte dem Abendblatt: Das Kokoschka-Werk werde „momentan mit großer Umsicht und unter optimalen Bedingungen in einem dafür geeigneten Kunstdepot fachgerecht aufbewahrt“. Details zu dieser Lagerhaltung nannte er nicht. Um den Ort macht die Uni ein Geheimnis – wegen des „hohen Werts des Gemäldes“.
Universität Hamburg: Oskar Kokoschkas „Thermopylen“ aus Philturm verschwunden
Der Grund ist, wie immer in der Geschichte dieses Triptychons, komplex. Auf einen Satz heruntergebrochen, meint das: Die „Thermopylen“ müssen vor dem Philturm geschützt werden. 62 Jahre nach der ersten Eröffnung des Gebäudes hat es offenbar einen Brandschutz, der den Namen verdient. Wie in vielen öffentlichen Bauten mit regem Publikumsverkehr (das UKE und den S-Bahnhof Jungfernstieg eingeschlossen) kann es an Hamburgs größter Hochschule dramatische Feuermeldungen geben, an die die Brandbekämpfer nach kurzem Einsatz das Prädikat „falscher Alarm“ kleben.
Im runderneuerten Philturm würden jedoch die Sprinkler losspritzen und den Kokoschka in seinem eigenen Saal nass machen. Das haben die Denkmalschutz-Sanierer bedacht und – bislang – mehr als ein Jahr darüber gebrütet, wie der große Oskar vor dieser alarmbewehrten Feuchtigkeit zu schützen sei. Als die Studenten im vergangenen Jahr aus ihrer Zwischenunterkunft in der City Nord wieder auf den Campus zogen, sollte das Werk eigentlich aus seinen Kisten geholt werden.
Feuerwehr Hamburg redet beim Aufhängen des Kunstwerks mit
Nun ist für Mitte November 2024 die nächste Sitzung der Taskforce „Thermopylen“ anberaumt. Es sei der Uni ein wichtiges Anliegen, das „zentrale Exponat“ in den Turm zurückzuhängen, so Sprecher Lemonakis. Allerdings müssten für das Bild mit seinen antiken griechischen Motiven „weitere, umfangreiche Schutzmaßnahmen“ ergriffen werden. In der Taskforce stimmen sich Uni-Spezialisten, der Vermieter (Katharina Fegebanks Wissenschaftsbehörde), die Feuerwehr Hamburg und der Denkmalschutz eng ab. Die Uni hat zudem eine Restauratorin und die Sammlungsbeauftragte in diese Arbeitsgruppe eingebracht.
Man kann die Bedeutung der „Thermopylen“ und von Oskar Kokoschka (1886 bis 1980) für Hamburg nicht hoch genug einschätzen. Der Maler hat nicht nur Auszeichnungen wie den Lichtwark-Preis in Hamburg erhalten sowie an Alster und Elbe mit Wonne gemalt. Kokoschka hat eine besonders innige Beziehung zu den Hamburgern entwickelt und die zu ihm. Er porträtierte Bürgermeister Max Brauer, den Virologen Heinrich Pette, schuf das ikonische Kanzlerbild von Konrad Adenauer, das Angela Merkel sich kurz nach Amtsantritt aus dem Bundestag für ihr Kanzlerinbüro auslieh. Und er zeichnete noch im hohen Alter Helmut Schmidt. Axel Springer hat ihn schon Ende der Fünfzigerjahre vom Verlagshaus Stadtansichten malen lassen, erst in Hamburg, dann in Berlin.
Warum Oskar Kokoschka eine innige Beziehung zu Hamburg pflegte
Die „Thermopylen“ sind in jahrelanger Arbeit bis 1954 entstanden, ein dreiteiliges Kunstwerk mit den Ausmaßen von 225 mal 800 Zentimetern, das unter anderem die Schlacht der Griechen gegen die Perser und die Zerstörung Athens thematisiert. Auf dem linken Flügel des Triptychons ist eine blühende Landschaft zu sehen, in der Mitte ein Zauderer, rechts Krieg und Katastrophe. Nach dem Zweiten Weltkrieg und den gewaltigen Zerstörungen wollte Kokoschka nach verschiedenen Deutungen auf drohendes Leid hinweisen, das sich durch den beginnenden Kalten Krieg und die Gefahren atomarer Vernichtung am Horizont abzeichnete.
Nach verschiedenen Quellen wollte Kokoschka ursprünglich dem damaligen Hamburger Uni-Rektor Bruno Snell die „Thermopylen“ schenken und als Gegenleistung lediglich 6000 D-Mark für seine Kosten. Als das Monumentalgemälde jedoch fertig war, soll Kokoschka gesagt haben: „Ich muss doch an meine Familie denken.“
Familie Reemtsma stiftete der Universität Hamburg das Kunstwerk
Nach jahrelangem Geschacher zwischen Hamburger Behörden und Kokoschka haben der Unternehmer und Mäzen Philipp Reemtsma und seine Frau Gertrud das Bild gekauft und es 1963 (Philipp Reemtsma starb 1959) der Uni geschenkt. Kokoschka soll wenige Jahre zuvor 150.000 D-Mark dafür verlangt haben. Gäbe es einen Markt dafür, wäre das Bild heute sicher Millionen wert.
Das Bild kam in den dann als Kokoschka-Hörsaal benannten Vorlesungsraum D im Philosophenturm der Uni auf dem Campus. Reemtsmas Sohn Jan Philipp hat später eine von vermutlich zwei grundlegenden Restaurierungen des Bildes bezahlt. 1986 wanderte das Triptychon aus dem Philturm zeitweilig herüber in die Hamburger Kunsthalle zur großen Ausstellung zum 100. Geburtstag des Malers.
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Kokoschkas „Thermopylen“ bei Ausstellungen begehrt
Seine Witwe Olda hatte dem Kupferstichkabinett zusätzlich Vorzeichnungen zu den „Thermopylen“ geschenkt. 1998 verlieh die Uni das Werk an die Wiener Albertina für eine Ausstellung, 2019 dann ans Leopold Museum („Oskar Kokoschka: Expressionist, Migrant, Europäer“) in die österreichische Hauptstadt. Kokoschka ist gebürtiger Niederösterreicher. Wegen der Philturm-Sanierung hatte man es in Hamburg nicht so eilig mit der Rückgabe.
Kokoschka hat auch deshalb eine so innige Beziehung zu Hamburg, weil schon 1914 der vermögende Hamburger Apotheker Otto Winter sein noch nicht als Meisterwerk eingeschätztes Bild „Die Windsbraut“ erwarb. Es hing später in der Kunsthalle, ehe Kokoschka von den Nazis als „Entartete Kunst“ eingestuft wurde. Die „Thermopylen“ wurden vor der Schenkung an die Uni bereits auf internationalen Ausstellungen gezeigt. Sie galten als Kokoschkas „Hamburger Triptychon“.